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Review Amer

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Ein einziger Rausch
von D.S.

"Amer" bricht fast vollständig mit konventionellen narrativen Strukturen, weshalb es an dieser Stelle nicht großartig Sinn macht, viele Worte über den Verlauf der Handlung zu verlieren. Auch zum Filmerlebnis selbst wurde in den bisherigen Reviews schon fast alles gesagt, aber vielleicht kann man auch einfach gar nicht oft genug erwähnen, dass das hier Gezeigte und zu Hörende ein einzigartiger Trip ist - und trotz aller "Kabooms", "Tetsuos" und "Symbols" dieser Welt der wohl seltsamste, verstörendste und ungewöhnlichste Film des Festivals 2010 ist.

Es handelt sich hierbei aber definitiv nicht um einen Giallo im klassischen Sinne. Ein tatsächliches körperliches Verbrechen manifestiert sich nur einmal und fast schon am Rande, ein psychologisches Verbrechen kann man hingegen, je nach Sichtweise, fast die gesamte Laufzeit über beobachten. Vielmehr als ein in die üblichen Genre-Schubladen zu packender Film ist "Amer" ein ästhetisierter Experimentalfilm, der mit den unterschiedlichsten Gestaltungsmitteln arbeitet. Eines davon, wenn auch ein formal zentrales, ist die in vielen Giallos verwendete Stilistik, die Konzentration auf Farbgebung, Beleuchtung, extreme Kameraperspektiven und hypnotischen Sound.

Kurz gesagt, ein audiovisueller Drogenrausch, den man inhaltlich auf verschiedenste Weise oder auch gar nicht interpretieren kann. Wir begleiten Ana durch drei Phasen ihres Lebens: als kleines Mädchen, als Pubertierende und als erwachsene Frau. Das, was man Handlung nennen kann, setzt dabei einen jeweils völlig unterschiedlichen Fokus: vom klassischen, stark an Argentos "Suspiria" erinnernden Grusel- und Hexenthema der ersten Episode über die provokante Sexualitätsinszenierung der zweiten bis zum Crime- und Paranoia-Element der dritten.

Es geht um das Sehen, um Voyeurismus, es geht aber auch um das Verhältnis zur Mutter, zu sich selbst und dem eigenen Körper, es geht um das Erwachen, Aufblühen und Reifen und es geht, titelgebend, um Verbitterung. Was davon wie wichtig ist oder ob man "Amer" nicht eher wie ein Kunstwerk betrachten und gar nicht erst analysieren sollte, bleibt jedem selbst überlassen. Ich muss für ein echtes Urteil noch ein paar Mal über den Film schlafen.

Wie auch immer, selten habe ich ein Kino dermaßen nachhaltig beeindruckt verlassen. Alle Sinne des Betrachters werden überreizt, und auch, wenn man tausende Fragezeichen auf der Stirn zurückbehalten sollte, "Amer" entwickelt einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Große Kunst und ein einzigartiges Erlebnis. 8,5 Punkte.

war im Metropolis 8, Frankfurt

56 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Amer
  • Score [BETA]: 66
  • f3a.net: 6.4/10 56
  • IMDb: 6.8/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 13:42

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