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Review The Babadook

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Dieser Review enthält SPOILER!

Verkopftes Traumata
von Leimbacher-Mario

Nicht nur, dass dieses kleine, zutiefst psychologische Gruseljuwel sich als Hauptthema mit der Traumatabewältigung beschäftigt, der Kinobesuch war auch für mich nahe eines Traumas. Nicht etwa, weil der Film so unglaublich spannend war (da hatte ich wesentlich mehr erwartet), nicht, weil wir einen Unfall hatten auf der Fahrt, sondern weil ich selten so ein dämliches Publikum erlebt habe. Und das bei so einem schlauen Film - doppelt unglücklich. Sorry, dass ich abschweife, aber folgende Dinge trübten meinen Sehspaß: immer unruhiger werdendes Publikum, umkippende Bierflaschen, Kinotür wird aufgelassen nach dem Aufs-Klo-gehen, blöde Zwischenrufe, kindisch-nervige Laberbacken & Sprüche wie "die Trailer vorher waren besser als der Film", "ich habe selten so viel gelacht" oder "das war einer der schlechtesten Horrorfilme evaaa" waren noch die harmloseren. Soviel nur zum Verständnis, wie konträr sich heute Film & Publikum zueinander verhielten.

Ich bin immer noch froh, dass der Babadook genauso wie It Follows größer in den Kinos läuft & er von Kritikern weiterhin gelobt wird. Aber wenn ich heute live sah, was ein Publikum mit dem Film macht, über dessen Köpfe er weit hinausschießt, kann man fast glauben, es wäre besser gewesen, er wäre beim fachkundigen Fantasy-Filmfest-Publikum geblieben. Naja, ich hab ihn zum größten Teil genossen, wenn ich auch den ganz großen Hype nicht teile & It Follows besser fand & denke, dass dieser Mainstream & Anspruch auch ausgeglichener verteilt & besser bei der Masse ankommen wird. Aber wer weiß, so manch eine Oberhausener Kinogruppe belehrt mich immer wieder, wie tief der Durchschnitt gesunken ist. Egal, wie eingebildet das klingt & ich weiß, dass das vielleicht die Minderheit ist - aber jeder, der mal so einen Horrorkinobesuch hatte, wird mich verstehen können!

In The Babadook geht es oberflächlich um eine alleinerziehende Mutter, die ihren Mann während der Autofahrt zur Geburt ihres Sohnes verloren hat & mit diesem hyperaktiven, nervigen Sohn nun heillos überfordert ist. Dann kommt das Babadook-Buch, es wird daraus vorgelesen & von nun an terrorisiert dieser Mr. Babadook die zwei immer heftiger, bis kurz vor den Kollaps. Aber auch, wenn sich diese Dämonen-/Geistergeschichte klassisch nach Horror anhört - der Film ist alles andere als das. Extrem psychologisch, traurig, intim, dramatisch, nachtragend & vor allem eins: metaphorisch! Wenn ihr also den Film noch gucken müsst: er ist gut, lest das Fazit, aber nicht die spoilerhaften weiteren Absätze. Denn den Film zu loben oder zu kritisieren geht genauer nur, wenn man tiefer in ihn abtaucht, Geheimnisse & Deutungen verrät. Sicher ist auch, dass sich mehrfache Sichtung lohnen wird & man immer wieder Neues entdecken & beeindruckt sein wird. Ich bin gespannt, wie ich im ruhigen Heimkino auf ihn reagieren werde. Vielleicht steigt dort die Wertung sogar noch.

Erst mal muss ich aber das Negative loswerden, denn er ist für mich nicht die Spannungsgranate oder das Horrormeisterwerk. Das liegt vor allem daran, dass mir der Film etwas zu verkopft, zu meta, zu gewollt-mysteriös erscheint. Bei Dawn of the Dead hatte man einfach Spaß, selbst wenn man nicht verstanden hat, wofür die Zombies alles stehen können. Vor dem Exorzist konnte man sich unglaublich fürchten, auch ohne kirchliche Metaphern deuten zu müssen. Der Babadook aber funktioniert nur, wenn man tiefer geht & die besessenen Bilder deutet. Entweder für sich selbst erschließt oder im Internet nachliest - ansonsten stehen einem enttäuschte Fragezeichen über dem Kopf nach den 100 Minuten. Dieser Zwang, meta zu sein, stört mich. Außerdem merkte man ihm hier & da sein geringes Budget an & er wirkte etwas zu ausgeholfen.

Der Film ist ein Drama, das den Kampf einer Mutter um ihr Kind zeigt. Und der Babadook ist der dunkle Teil der Mutter, das nicht verarbeitete Trauma im Keller. Es kann sie auffressen & alles inklusive der Liebe zu ihrem Kind zerstören. Nun heißt es kämpfen oder verrückt werden & letztendlich töten, sterben. Der Babadook könnte also in jedem von uns stecken, er ist das Böse in uns. Selten hat ein Film so hart das Thema Mutter-Kind-Konflikt aufgegriffen, selten habe ich so eine Verwandlung & so ein Verrücktwerden einer Figur gesehen - wundervoll-grauenhaft gespielt von Essie Davies, aber auch von ihrem zwiespältigen Sohn, der gehörig nerven wie auch verzaubern kann. Ich denke sogar, bei Müttern & Frauen allgemein, die den Sinn des Filmes verstehen, könnte er noch mal viel härter in die Magengrube schlagen. Als Randnotizen mochte ich noch etliche Horror-Hommagen an Klassiker, die kühle Atmosphäre & den langsamen Aufbau, ganz auf die Charaktere konzentriert, auf die essenzielle Beziehung auf dem Prüfstand.

Fazit: ein gutes Psychodrama zum Denken oder sogar Analysieren, vielleicht minimal zu verkopft. Sicher eine herbe Enttäuschung für die Mainstream-Massen - was bei der Verfassung unserer Gesellschaft aber eigentlich immer für einen guten Film steht!

78 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

The Babadook
  • Score [BETA]: 83
  • f3a.net: 7/10 78
  • IMDb: 7.2/10
  • Rotten Tomatoes: 100%
  • Metacritic: 88/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-20 02:22

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