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Review A Bittersweet Life

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Schmerzhaft schön
von D.S.

Es wurde inzwischen schon von mehreren Reviewern angesprochen: nichts führt mehr in die Irre, als "A bittersweet Life" mit "Oldboy" und ähnlichem zu vergleichen. Was wir hier geboten bekommen, ist weder im Hinblick auf die Story noch auf die Inszenierung neuartig oder außergewöhnlich, und der Intellekt des Betrachters wird nur sehr bedingt gefordert. Stattdessen ist "A bittersweet Life" nichts anderes als ein klassischer Heroic Bloodshed-Movie der reinsten Schule. Aber ein sehr guter. Und da ich dieses Subgenre liebe und es schon seit Ewigkeiten keinen nennenswerten neuen Beiträge mehr hervorgebracht hat, habe ich hiermit eins meiner bisherigen persönlichen Highlights des FFF 2005 erlebt.

Sowohl von der Story als auch von ihrem Aufbau her geht Kim Jee-Woon in seinem stylischen Epos wie nach dem Lehrbuch vor. Zunächst wird uns die Hauptfigur und ihre Position in aller Ausführlichkeit nahegebracht, und natürlich ist das die Position eines angesehenen, von seinem Boss sehr geschätzten Mafia-Gang-Mitglieds. Seon-woo erledigt alle Aufträge mit eiskalter Effizienz, Gefühle wie Liebe oder Barmherzigkeit scheinen ihm fremd zu sein (was man der Figur aber nie ganz abnimmt, dafür ist ihr Auftreten von Anfang an viel zu romantisch, elegisch angelegt), er ist, so scheint es, loyal bis aufs Blut.

Dann kommt, was kommen muß: er enttäuscht das Vertrauen seines Bosses und liefert ihm einen (vordergründig nur winzigen) Grund, ihn zu verdammen. Nicht nur, wer das Genre kennt, kann diesen Punkt vorhersehen: es ist vom ersten Aufeinandertreffen der beiden an klar, daß Seon-woo sich in junge Freundin des Chefs verlieben wird. Sie wird durch mehrere bildfüllende Detailaufnahmen von Gesicht und Körper eingeführt; die Kameraarbeit erzeugt hier eine solche Intimität - die im größten Kontrast zu den zuvor dominierenden unterkühlten Aufnahmen Seouls bzw. gewalttätiger Auseinandersetzungen steht -, daß ein jeder begreift, daß fortan nur noch sie Kopf und Herz Seon-woos ausfüllen wird. Während erzählt wird, wie die beiden einander langsam näher kommen - bzw. eigentlich eher nur, wie er sich langsam mehr und mehr den Emotionen öffnet -, nimmt der Film einiges an Tempo heraus. Doch auch in diesem Abschnitt verfällt die Erzählung niemals dem Kitsch oder einem Überschwang an plakativen Gefühlen: sinnbildlich für Seon-woos zunächst immer noch sehr starke Abgeklärtheit und Distanziertheit.

Aber er beginnt, sich zu verändern. Sich zu öffnen. Leidenschaftlicher, lebendiger zu werden. Und konsequenterweise ist der unblutigste Ausbruch von Gewalt im ganzen Film gleichzeitig einer der intensivsten, härtesten: als Seon-woo das Mädchen beim Fremdgehen erwischt, flippt er fast unvermittelt komplett aus, und es wird nachdrücklich klar, daß es hier für ihn längst nicht mehr nur um einen Job geht, und daß das Thema Loyalität zumindest vorübergehend jede Relevanz für ihn verloren hat.

Genau das ist es vermutlich, was seinen Boss nun dazu bringt, Seon-woo zu verstoßen. Er wird gefoltert, gedemütigt, gebrochen - von seiner eigenen Gang-Familie, die sich dabei zu allem Überfluß noch mit einem eigentlich feindlichen Clan verbündet, der Seon-woo ganz persönlich auf der Abschußliste hat. Aber natürlich kann er, weiterhin dem Lehrbuch folgend, entkommen und nun damit beginnen, seinen Rachefeldzug anzugehen - und ihn blutig bis zur letzten Konsequenz zu verfolgen.

Dabei erleben wir nicht nur dichte Atmosphäre, stellenweise extrem harte Gewalt und die schönsten, massivsten Shootouts seit Jahren, sondern ab und zu auch - nicht immer passenden - Humor, einige seltsam deplaziert wirkende Szenen bzw. Charaktere unterbrechen das knochenharte Rachedrama immer wieder. Sie stören zwar nicht unbedingt den Erzählfluß bzw. die Gesamtstimmung des Films, sind für meinen Geschmack aber doch eher überflüssig. Seine Stärken hat "A bittersweet Life" nämlich ganz sicher woanders: in seinen hochästhetisierten Bildern und seiner Auseinandersetzung mit ganz großen, ernsten Gefühlen.

Wer, wie ich, sein Heil bei den klassischen Bloodshed-Filmen der 80er Jahre findet und etwa "A better Tomorrow" über alle Maßen verehrt, bekommt hiermit ein Stück vom Glück geboten. "A bittersweet Life" ist eine gelungene Variation von "Le Samourai" für die Neuzeit, bildgewaltig, konsequent, romantisch, düster, hart und bewegend. Pflicht.

guckte im Metropolis, Frankfurt

51 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

A Bittersweet Life
  • f3a.net: 7.8/10 51
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 05:31

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