s Blue Ruin (2013) Review - Fantasy FilmFest Mobil
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Reviews Blue Ruin

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Reviewer

Alexander * 7.5

Wer Gewalt säht ...

Anspruchsvoll erzähltes, düsteres Drama um Schuld und Sühne. Die Karten werden dem Zuschauer erst relativ spät aufgedeckt, die Beweggründe des Protagonisten sowie die Hintergründe bleiben lange im Verborgenen, was diesen feinen Film spannend macht. Ein ungewöhnlicher Rachethriller der langsamen Art mit wenig Action aber vielen starken, meistens ruhigen Momenten. Und wenn die Gewalt dann doch mal ausbricht, tut sie es drastisch und wie ein Befreiungsschlag.

Herr_Kees * 7.5

"That’s what bullets do."

Spannender Rachethriller mit beunruhigender Atmosphäre, der seine Genregeschichte so ungewöhnlich real und konsequent erzählt, dass jede Verletzung wirklich schmerzt, jedes Warten in dunklen Häusern zur Zitterpartie wird und man die in Gang gekommene Gewaltspirale am liebsten selbst stoppen würde.

D.S. * 7.0

Blau ist eine kalte Farbe

DAS ist ein Fresh-Blood-Beitrag? Ernsthaft? DAS kommt vom Regisseur von ausgerechnet MURDER PARTY? Die Inszenierung von BLUE RUIN strahlt eine dermaßene Souveränität aus, seine Story eine solche Klasse, Schwere und Bitterkeit, dass man das kaum glauben mag.

Es handelt sich hier um einen äußerst sensibel strukturierten und temperierten Film, der aus einer klar definierten, simpel scheinenden Ausgangslage ein fast unmerklich immer weiter verzweigtes, immer intensiveres, immer hoffnungsloseres Dramaszenario entwickelt, das nahezu unabwendbar zum kompletten Untergang führen muss. Zum "Blue Ruin" eben.

Denkt Coen Brothers, aber ohne die skurrilen Figuren und grotesken Situationen; denkt Shakespeare in einer Welt von Außenseitern und zerbrochener amerikanischer Mittelschicht; denkt ein Familiendrama, dessen Handlung um Rache und (Selbst-) Zerstörung subtil bis ins Grenzenlose eskaliert wird – und sich dabei stets fatal nachvollziehbar, realistisch, glaubwürdig anfühlt. Es gibt hier keine großen Gesten, keine großen Reden, keine Helden, keine Schurken. Aber es gibt Missverständnisse, Fehleinschätzungen und jede Menge Opfer.

Manchmal sind es nur Nebensätze, die den Protagonisten wie den Zuschauern das ganze Ausmaß des Dilemmas vor Augen führen. Und nur noch tragischere Konsequenzen nach sich ziehen. Knalleffekte sind selten (und zum Gutteil kommt es zu ihnen im Zusammenhang mit der, leicht unpassend, etwas zu komödiantisch angelegten Nebenfigur des Ben, gespielt von Devin Ratray aus NEBRASKA), vorwiegend ist BLUE RUIN ein leiser, ernster, feinfühliger Film um Verzweiflung und die Taten, die sie auslösen kann.

Darauf muss man sich einlassen können, wird dann aber nicht nur von einer nüchternen Gnadenlosigkeit des Geschehens belohnt, sondern insbesondere auch von einer sensationellen Leistung des Hauptdarstellers Macon Blair, der die Figur des Dwight auf der Suche nach Vergeltung für den Tod seiner Eltern extrem wandlungsfähig und doch niemals überzeichnet spielt.

Die Farbe Blau spielt auf der Bildebene des Films eine große, wenn auch eher unterschwellig ausgespielte Rolle. Es ist kein warmes Blau. Und dieser Film kein freudvoller. 7 Punkte, für jeden Freund unaufgeregter, aber emotional beinharter Rachedramen ziemliches Pflichtprogramm.

war im Cinestar, Frankfurt

Giallorossa S * 4.5

Dieser Review enthält SPOILER!

Wenn dir die Hauptfigur egal ist ...

Im Gegensatz zu den vorherigen Film-Reviews kann ich nicht so viel Positives hier entdecken. Denn leider ist unser "Protagonist" dermaßen unscheinbar und in meinen Augen auch unsympathisch gezeichnet, dass einem sein Schicksal egal ist. Zudem bleiben hier doch ein paar Logiklöcher: Warum lebt unser "Held" als Penner auf der Straße, obwohl er doch wohl im Haus seiner Schwester wohnt und scheinbar auch Geld hat? Wieso lässt er den Jungen der anderen Familie entkommen? Er hat doch so viel Angst davor, dass seine eigene Familie ausgelöscht wird. Auch die Inszenierung hat durchaus Längen, z.B. das Eindringen in das feindliche Haus und das anschließende Warten auf die Familie ist bei der doch relativ kurzen Gesamtlaufzeit einfach zu lange. Handwerklich jedoch ist er ansonsten gut gemacht, auch die Blutszenen können sich sehen lassen. Da mich jedoch das Schicksal der Hauptfigur kalt lässt, bleibt der Film für mich mittelmäßig.

saß im Cinecitta', Nürnberg

Dr_Schaedel * 8.5

Ballernder Biedermann statt kaputtem Killer

Das Wichtigste vorweg: Ich war ein bisschen enttäuscht. Dafür kann aber der ohne Zweifel gut erzählte und fotografierte Film nichts.

Was ich angesichts der Beschreibung und der Standbilder mit – zugegeben: voyeuristischer – Vorfreude erwartete:
Ein verwahrloster, verletzter, vertierter Mann, der sich von Müll ernährt und dessen letzter Bezug zur zivilisierten Welt ein paar Bücher und ein Auto sind, das nur allzu treffend seinen inneren Zustand abbilden kann, nämlich den einer traurigen Ruine (man bedenke die zwei Bedeutungen von „blue“), arbeitet sich in einem wortkargen Roadmovie gewaltsam zu der Person vor, mit der er abrechnen will. Eine bittere Ballade, die das Animalische im Menschen nach außen kehrt…

Nun, es kommt (für mich persönlich: leider) schon recht früh im Film ganz anders: Dieser Mann ist kein Amok laufender Rübezahl, eher ein von einer Obsession getriebener Durchschnittsbürger, der weder den Instinkt des Jägers hat, noch die Kaltblütigkeit eines systematisch arbeitenden Schlächters. Mal trickreich planend, mal wieder überstürzt improvisierend versucht er, das Dilemma, in das er sich und die Menschen, die ihm nahestehen, aus einem falsch verstandenen Begriff von Gerechtigkeit heraus hineinmanövriert hat, irgendwie zu einem Abschluss zu bringen.

Heraus kommt ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Rollen blitzschnell wechseln und das deswegen ungemein spannend ist. Und das uns auch neue Blickwinkel eröffnet. Denn üblicherweise kennt man in diesem Bereich das Geschehen eher aus der Perspektive derer, die es mit solchen Psychopathen zu tun bekommen.

Ich sehe BLUE RUIN in der gleichen Liga wie David Cronenbergs A HISTORY OF VIOLENCE: Kurze, heftige Gewaltausbrüche wechseln sich mit Passagen ab, in denen die Moral und das Konstrukt Familie, sowie die Solidarität mit derselben im Mittelpunkt stehen.

Alles in allem kein knallhartes Midnight Movie, sondern eher ein prinzipiell realistischer (aber dennoch mit Fresh-Blood-Award- würdigen Szenen ausgestatteter) Thriller, in dem nicht immer alles glatt geht, und der seine Würze aus den Schwächen des – nur eingeschränkt sympathischen, aber beeindruckend tapferen – Protagonisten zieht. Vielleicht nicht das, was ich erwartet hatte, aber dennoch sehr gelungen, nicht zuletzt wegen des eleganten Einsatzes der Farbe Blau. Daher ein tiefer Griff in den Beutel mit den blauen Sternchen.

war im Cinema, München

meiklsan * 8.0

Schwermütiger Revenge Thriller

Wer letztes Jahr die ungemütliche Atmosphäre, die schleichende Behäbigkeit, die latente Spannung und depressive Grundstimmung eines „Grief Tourist“ (aka The Dark Tourist) mochte, wird auch dieses Jahr mit „Blue Ruin“ bestens bedient.

Völlig unvermittelt und ohne jegliche Einführung werden wir als Zuschauer direkt in den Film und mitten in das Geschehen hineingeworfen.
Ab sofort heißt es nur noch Story-Listening und Story-Building!

Allzu schwer wird es dem geneigten Filmfreund aber zum Glück nicht gemacht, und schon nach wenigen Minuten fiebern wir gemeinsam an der Seite des anfangs schrulligen Protagonisten aufmerksam mit, durchleben und -leiden jede Szenerie mit ihm mit und verfolgen ihn ab sofort hautnah auf seinem „Trip to Revenge“!
Und genau in dieser Verfolgungs-Machart liegt die besondere Stärke dieses Films, denn er packt uns von Anfang an, macht uns neugierig und nimmt uns quasi als stillen Beobachter mit auf die Reise durch die Gefühle, Aktionen und Reaktionen des ultra-normalen unscheinbaren Protagonisten, der in seiner Vergangenheit Grausames erlebt hat und dieses jetzt unbedingt rächen möchte.
Für die Hardliner unter uns sei nebenbei erwähnt, dass es dem Film trotz seiner dramalastigen Erzählweise in keinster Weise an wirklich unangenehmen blutigen Leidens-Sequenzen fehlt! Allerdings dienen diese wirklich extrem blutigen Exzesse hauptsächlich dem Storybuilding und wirken niemals aufgesetzt oder reißerisch, sondern fördern nur den Rachefeldzug unseres Protagonisten, der sich immer mehr vom unbedarften Sonderling und Familienmenschen zum soften ungewollten Racheengel entwickelt, der er wahrscheinlich niemals sein wollte!

Eingebunden in eine wohlig ästhetische Cinematographie voller natürlicher ruraler Strahlkraft, mit einem nur unterschwellig merklichen Soundtrack, kombiniert mit der gemächlichen Erzählweise und dem stets grau-blauen Kamera-Filter, erleben wir hier einen Revenge Thriller der besonderen Art, der uns und den Prostagonisten zwar schleichend, aber dafür kontinuierlich immer tiefer in den titelgebenden „Ruin“ führt.

„Blue Ruin“ ist der typische FFF-Nachmittagsfilm mit sehr viel Nachhaltigkeit, atmet durchwegs den Hauch von Independent, ist nach „Murder Party“ zwar „nur“ das Zweitwerk eines aufstrebenden Jung-Regisseurs, hat aber in Cannes und auf Sundance trotzdem für besonders positive Zustimmung gesorgt!

Insofern kann ich roundabout jedem Filmfreund die Sichtung dieses Filmes nur wärmstens empfehlen und vergebe somit glatte 8 Punkte.

war im Cinestar, Frankfurt

Leimbacher-Mario * 7.5

Untergegangen in Ruinen

Rache ist ein Gericht, was im Falle von Jeremy Saulniers "Blue Ruin" nicht nur am besten kalt, sondern vor allem extrem langsam serviert wird. Nachdem mich "Green Room" begeistern konnte, ließ ich es nicht lange auf mir sitzen, auch seinen Regiezweitling unter die Lupe zu nehmen - und auch der enttäuscht nicht! Wie konnte ich den so lange links liegen lassen...

Die Geschichte über einen heruntergekommenen Außenseiter am Rande der Gesellschaft, der sich am frisch entlassenen Mörder seiner Eltern rächen will, bietet eigentlich alles, was man heutzutage so vergebens sucht in einer Filmlandschaft voller mutloser Sequels & ohne originelle Ideen oder starker Atmosphäre. Saulnier greift auf weitgehend unbekannte Darsteller zurück, die das etwas andere Rachestück mit gehörig Emotionen, Leben & Glaubhaftigkeit bestücken. Doch selbst der ambivalente & extrem stark aufspielende Hauptdarsteller, Macon Blair, verblasst gegen den eigentlichen Star des Films: Saulnier selbst. Sein Stil, sein Mut, seine Brutalität, seine Direktheit & seine Coolness schimmern in jeder Sekunde durch & er hat hier fast so etwas wie den harten, spirituellen "Blood Simple"-Nachfolger abgeliefert. Die Coens wären stolz, Tarantino würde schmunzeln & es wird nicht mehr allzu lange dauern, bis Saulnier selbst ein großer Name ist. Alle Grundlagen & die besten Voraussetzungen sind gegeben.

Mal ist "Blue Ruin" ironisch, mal eiskalt & mal sogar eine richtig traurige Spirale aus Rache & Gewalt mit unübersehbarer Message - das alles macht ihn zu einem Must-See für Genre-Fans, trotz ein paar Längen & benötigter Eingewöhnung für Stil & ungewohnt entschleunigtem Tempo. Gewalt wirkt hier nie cool, eher ekelhaft realistisch, Humor nie aufgesetzt, sondern gerade so auf der Grenze zur Realität/Absurdität. Die Charaktere sind konfus, seltsam & alles andere als Helden, was sie gerade so besonders & einprägsam macht. Dazu einige wunderschöne Bilder & ein direkter, ruhiger, eindringlicher Style - fertig ist ein Thriller, der mit kaum etwas vergleichbar ist & von denen es nicht mehr viele gibt, ganz zu schweigen, man sucht unter den Neuerscheinungen. Her mit "Red..." oder "Yellow...", denn von dem Herrn kann man noch viel erwarten & er trifft genau meinen Geschmack!

Fazit: hart, erbarmungslos, stilvoll, hypnotisch langsam - Saulnier blickt in eine große Zukunft & "Blue Ruin" ist Rachekino mal anders!

54 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Blue Ruin
  • Score [BETA]: 77
  • f3a.net: 6.5/10 54
  • IMDb: 7.1/10
  • Rotten Tomatoes: 96%
  • Metacritic: 77/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-12-11 16:47

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