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Review Bronson

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Theater der Schmerzen
von D.S.

Was für eine Bombe von Film! Wobei, vielleicht wäre "Faustschlag" angemessener als "Bombe"...

Es ist nicht ganz einfach, dem Biopic von Nicolas Winding Refn gerecht zu werden. Ein Film über Großbritanniens berühmtesten Verbrecher, den offensichtlich schwerst gestörten, gewaltgeilen Psychopathen Michael "Charles Bronson" Peterson, der den allergrößten Teil seines Lebens in wechselnden Gefängnissen und Irrenanstalten verbracht hat und jederzeit für brutalste Schlägereien zu haben ist - das wäre dann zwar eine korrekte Inhaltsangabe, aber sie verrät nichts über die inszenatorische Kraft, die aus BRONSON ein ziemlich einzigartiges Erlebnis macht.

Refn kennt keine Scheu vor Direktheit, bettet die Gewaltexplosionen seiner Hauptfigur aber in eine Form der Präsentation ein, die eigentlich einer Theateraufführung am nächsten kommt - einer Aufführung mit allen Mitteln moderner expressionistischer Filmgestaltung. Tatsächlich fühlt man sich zunächst fast an eine griechische Tragödie erinnert, wenn der Ich-Erzähler als Mischung aus "Chor" und Conferencier auf einer Bühne steht und dem neugierigen Nobelvolk mit großen Gesten und atemlos zwischengeschnittenen Filmsequenzen Kindheit und Jugend seiner eigenen, eigentlich unglaublich gezeichneten Figur näher bringt.

Ohnehin ist Atemlosigkeit eins der charakteristischen Merkmale von BRONSON: vor allem in der ersten Hälfte des Films verbleibt die Handlung nie länger als wenige Minuten an einem Ort, in einem Geschehen; auf sehr hohem formalen Niveau werden wir in die Abgründe der Titelfigur hineingesaugt - die von Tom Hardy brillant und erstaunlich nuancenreich verkörpert wird.

Über all der erzählerischen und stilistischen Finesse gerät die eigentliche Geschichte oft fast in den Hintergrund, aber das ist nicht unbedingt negativ zu werten. Denn letztendlich gelingt es BRONSON auf fulminante Weise, ein Bild seines Protagonisten und seiner Taten zu entwerfen, das sich dem Betrachter für immer ins Gedächtnis brennt. Dabei nimmt der Film zwar keine dezidierte Wertung vor, scheint uns das Urteil über das Geschehen und seine Konsequenzen selbst zu überlassen. Aber durch seine ausschließliche Fokussierung auf den Täter, durch seine bildgewaltige Inszenierung per Kamera und Montage, durch das weitgehende Einnehmen von Bronsons Perspektive, das natürlich in seiner Installation als Ich-Erzähler und Präsentator seinen Höhepunkt findet - offenbart der Film eine mächtige Faszination für sein Subjekt.

Eine Faszination, der man sich nur schwer entziehen kann. Selbst in solchen Momenten, in denen man ob des absonderlichen Geisteszustandes des Schwerverbrechers, der unbedingt ein Star werden wollte und dessen Salvador-Dalí-Schnurrbart schlicht atemberaubend absurd wirkt, nur noch den Kopf schütteln kann.

BRONSON ist ein Stück verdammt kraftvoller Filmkunst. Ein oft grotesk anmutender Klops schierer Energie, unglaublich originell und unterhaltsam verpackt. Und damit vielleicht die einzig mögliche Form, der verstörenden Entität Charles Bronson gerecht zu werden - die außerhalb ihrer selbst gebauten Bühne, dem Gefängnis und seiner Gewalt, kaum lebensfähig erscheint. Die Faszination des Wahnsinns, selten mitreißender in Szene gesetzt - und für mich schon jetzt ein Höhepunkt des diesjährigen Festivals! 8 Punkte.

guckte im Metropolis 6, Frankfurt

54 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Bronson
  • Score [BETA]: 67
  • f3a.net: 6.6/10 54
  • IMDb: 6.7/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-25 09:37

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