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Review The Cannibal Club

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Weder Fisch noch Fleisch
von D.S.

Die Sozialsatire THE CANNIBAL CLUB ist von mir einigermaßen schwer angemessen zu bewerten, da es sich bei ihr in erster Linie um einen Kommentar auf die gesellschaftlichen Zustände in Brasilien handelt – die ich jedoch überhaupt nicht beurteilen kann. Damit wird aber vielleicht schon deutlich, dass ein Genrefestival nur bedingt den besten Platz für diesen Film darstellt. Denn der an der Oberfläche abgehandelten Kannibalismus-Thematik zum Trotz handelt es sich hier um alles andere als einen Horrorfilm. Vielmehr ist er am ehesten mit so etwas wie EAT THE RICH vergleichbar – abzüglich dessen Anarcho-Gestus und Trashfilm-Ästhetik.

Visuell und atmosphärisch erinnert CANNIBAL CLUB tatsächlich ganz im Gegenteil eher an typische Telenovelas um Menschen aus den bessergestellten Kreisen. Und wie dort ergeht sich auch hier ein Großteil der Handlung in artifiziellen Dialogen, die zwischen den Zeilen oft genug Verachtung des anderen und ein skrupelloses Orientieren auf den eigenen Vorteil hin durchschimmern lassen. Viel von dem, was zu einem Genrefilm gehört, passiert hier nicht – es gibt neben zwei oder drei öden Sexszenen nur sehr wenig Action und noch weniger Gewalt zu sehen, die meisten Kills etwa geschehen off-screen. Das ist schade, denn die wenigen gorigen Ausnahmen sehen gut aus; insbesondere die verantwortlichen Maskenbildner verstehen offensichtlich etwas von ihrem Geschäft.

Deutlich häufiger als mit ihrer Arbeit werden wir aber beglückt mit Intrigenspielen aller Art, mit eiskalten Gewinnmaximierungsmaßnahmen, mit unverhohlen arrogantem Abscheu der Reichen und Schönen vor dem gemeinen Volk, das man bestenfalls noch als moderne Leibeigene dulden mag. Die hier ausgestrahlte Stimmung ist gallig, die Zeichnung der Protagonisten eindeutig arschlochhaft, die Position der Filmverantwortlichen unverkennbar. In Teilen wirkt die Skizzierung von Gut und Böse dann schon arg schablonenhaft, das Anprangern von Missständen und Ungerechtigkeiten nach europäischem Empfinden oft viel zu holzhammermäßig – aber ich kann beileibe nicht beurteilen, ob dieses Vorgehen angesichts der Lage in Brasilien das richtige, zielführende ist.

Für meinen persönlichen Geschmack aber ist die Aussage des Films etwas zu plump und eindimensional, vor allem jedoch ist seine Handlung nicht unterhaltsam genug. Ein bisschen weniger Botschaft, ein bisschen mehr Story wäre für mich deutlich mehr gewesen. So gibt es 5 Punkte – kompetent gefilmt und hübsch makaber ist das Gezeigte nämlich zumindest allemal.

Der Vorfilm LATCHED von Justin Harding soll auch noch kurz erwähnt werden – lobend. Seine Beiträge POINT OF VIEW und KOOKIE gehören zu den besten Genre-Kurzfilmen der letzten Jahre. LATCHED erreicht zwar nicht ganz deren lustvolles Schock-Niveau, sieht aber sensationell gut aus und erzählt eine recht originelle Geschichte mit viel „Was zur Hölle?!“-Effekt. Es geht um einen merkwürdigen Fund, den eine Mutter mit ihrem Baby im Wald macht. Und, äh, um Muttermilch. Psychoanalytiker der Freud-Schule hätten bestimmt ihre Freude hieran. Ich hatte meine auch. 7 Punkte.

war im Harmonie, Frankfurt

27 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

The Cannibal Club
  • Score [BETA]: 59
  • f3a.net: 4.5/10 27
  • IMDb: 7.2/10
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 11:55

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