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Review Charlie Says

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Feminismus vs. Verblendung
von Leimbacher-Mario

Von billigsten Thrillern wie „The Haunting of Sharon Tate“ über eine Staffel „American Horror Story“ bis hin zu Tarantinos kongenialem Meisterwerk „Once Upon a Time in Hollywood“ haben wir in den letzten Monaten und Jahren eigentlich mehr als genug zum Thema „Mansonmorde“ um die Nase geschmiert bekommen. Doch „Charlie Says“ sticht da aus vielerlei Hinsicht nochmal heraus und ist einen genaueren Blick absolut wert. „American Psycho“-Macherin Mary Harron, die leider viel zu selten auf dem Regiestuhl Platz nimmt, zeichnet hier ein Bild dreier Manson-Jünger und Frauen hinter Gittern, die sich mit Gesprächen, Therapien und Rückblenden langsam klar werden sollen, was sie da eigentlich getan haben und wie der berühmte Sektenführer sie zu den grausamen Taten verführt, verblendet und manipuliert hat...

„Charlie Says“ ist bodenständig, wahrhaft feministisch, realistisch, ambivalent und enorm reflektiert. Vor allem Letzteres ist eine bleibende Stärke. Manchmal wirkt Harrons Film ein wenig unspektakulär, schleppend, leise, TV-like, doch der Inhalt zählt noch immer am meisten - und der fasziniert und fesselt. Der Werdegang der drei Frauen, Täter und Opfer zugleich, ist absolut nachvollziehbar und traurig. Selbst wenn man über mindestens zwei von ihnen gerne noch wesentlich mehr Hintergrund erfahren hätte. Betroffen macht es dennoch, vor allem, da es mal nur einsame Mädchen waren, die einfach geliebt und irgendwo akzeptiert werden wollten. Vielleicht ist Betroffenheit und (Mit-)Gefühl in diesem Zusammenhang sogar falsch, was der Film auch deutlich macht, denn er erklärt vielmehr recht nüchtern, was passiert ist, warum dies passieren konnte und hilft uns, zu begreifen und besser zu verstehen. Von den Grauzonen bis zu einem charismatischen, bescheuerten und gruseligen Manson selbst. Seinen Darsteller Matt Smith plus Hannah Murray und Merritt Wever würde ich aus dem Cast besonders hervorheben. Insgesamt ist „Charlie Says“ bedrückend und erhellend, intelligent und intim, ruhig aber nicht beruhigend. Er zeigt, was für eine fiese Gehirnwäsche hier betrieben wurde, wie hartnäckig sich diese hält und wie sie sich sogar in eine Art geistigen Schutzmechanismus umwandeln kann. Hier wird nichts glorifiziert, aufgebauscht oder heruntergespielt. Sondern einfach aus einem Winkel betrachtet, der mir hoch interessant erscheint und oft zu kurz kommt. Außerdem kann er als deftiger Kommentar zum Thema Hörigkeit einiger Frauen gegenüber dem „starken Geschlecht“ gelesen werden. Damals wie heute. Emanzipation will gelernt sein. Schöner Schein kann trügen. Eine freie Farm kann manchmal ein Gefängnis sein...

Fazit: Naiv oder böse? Verführt oder dumm? Verantwortlich oder nicht? Spielball oder eiskalt? „Charlie Says“ gibt eindrucksvolle Antworten auf diese Fragen und wirft einen sehr interessanten, speziellen Blick auf Manson und seine „Teufelinnen“. Erdig-emotionales Gegenstück und sinnige Ergänzung zu Tarantino und all dem, was man in letzter Zeit zu diesem Thema gesehen hat. Das Gegenteil von reißerisch.

war im Residenz, Köln

25 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Charlie Says
  • Score [BETA]: 58
  • f3a.net: 6.2/10 25
  • IMDb: 5.6/10
  • Rotten Tomatoes: 58%
  • Metacritic: 57/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-03-29 15:18

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