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Review Chillerama

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Ein bisschen grenzdebil muss sein...
von D.S.

Keine Frage, CHILLERAMA ist DER Partyfilm des FFF 2011. „Party" wie in „besoffen mit guten Freunden unterwegs, um auf Teufel komm raus eine gute Zeit zu haben" - da sind Klasse, Stil und Niveau einfach mal völlig nebensächlich; was zählt, sind nur Anlässe zu lachen.

Die liefert CHILLERAMA ohne Ende. Wenn man Lust darauf hat. Damit diese Lust sich entfaltet, muss man allerdings wirklich ganz schön einen im Tee haben, Troma-Werke für anstrengend-avantgardistische Filmkunst halten oder ausgeprägt präpubertäre Lust daran haben, zu provozieren - fragt sich nur, wen oder was und warum. „Juchu, wir zeigen ganz viel Sperma und Kacka und Pipi, das ist verboten und darum auch echt total wild!" Joa, absolut, und da braucht man dann auch nicht mehr so überbewertetes Zeug wie eine interessante Story oder so, schließlich hat man ja extrem freches Sperma, Kacka und Pipi en masse, das ist echt mal abgefahren... Und okay, wenn man betrunken genug ist und das Ganze in angemessener Begleitung begutachtet, kann man schon seinen Spaß haben. CHILLERAMA ist allerdings das ideale Beispiel für FFF-Filme, die nüchtern alleine zu Hause betrachtet mit Sicherheit eine ganz andere Wirkung erzielen werden.

Anthologien haben im Horrorgenre eine lange, weit zurückreichende Historie. Es gibt sehr wenige, die wirklich hervorragend gelungen sind, erst recht aus jüngerer Zeit - jeder neue Eintrag in diesem Erzähl-Subgenre ist darum grundsätzlich herzlich willkommen. Ist ein dezidiert Oldschool-fokussierter Regisseur wie Adam Green an Bord, gilt das erst recht: Die Hoffnung auf einen adäquaten Nachfolger von TALES FROM THE CRYPT oder CREEPSHOW stirbt zuletzt.

Formal kann CHILLERAMA in dieser Hinsicht erst mal vollauf begeistern. Anstelle der pseudo-grusligen Phrasen eines Cryptkeepers erwartet uns eine eigenständige, schlüssige und atmosphärisch gelungene Rahmenhandlung um die letzte Nacht eines Autokinos, in der verschollen geglaubte Schlock-Horror-Streifen aufgeführt werden. Diese sind dermaßen liebevoll gestaltet, dass einem das Herz aufgehen mag - man fühlt sich durch Setdesign, Maske und Bildbearbeitung rundum glaubwürdig in die 1950er- und 60er-Jahre versetzt, als Filme wie THE BLOB ihr Publikum in Begeisterung versetzten.

An eben dieses Trash-Meisterwerk ist der erste Story-Beitrag von CHILLERAMA angelehnt, das Monster hier ist jedoch ein Killer-Spermium. Gefolgt wird „Wadzilla" von einer schwulen Werwolf-Variante von GREASE, unter dem Namen „I was a Teenage Werebear" erwartet uns ein Horror-Musical der besonders albernen Art. Dann gibt es noch einen „Great-Dictator"-Verschnitt namens „The Diary of Anne Frankenstein" zu bewundern - sowie einen echten Scheißfilm, „Deathication".

Das Problem jedes einzelnen Beitrags von CHILLERAMA ist, dass er viel zu lang ist, seine grundsätzlich immer amüsante Storyidee erst nach deutlich ausufernder Laufzeit zu einem Ende bringt. Singende und tanzende SM-Werwölfe sind eine lustige Sache, zweifellos. Aber nicht über knapp 30 Minuten hinweg. Ebenso wenig ist das ein unaufhörlich Schwachsinn vor sich hin lispelnder, brüllender Hitler - erst recht nach Charlie Chaplin, Mel Brooks und diversen anderen talentierteren Interpretationen.

Das soll nicht heißen, dass CHILLERAMA nur peinlich und unlustig wäre. Im Gegenteil, einige Szenen garantieren Gelächter und vor allem auch echte Anerkennung bei allen, die mit den klassischen Vorlagen für die detailverliebt aufbereiteten Persiflagen der Trash-Anthologie vertraut sind. Allerdings spürt man in keiner Minute des Films die Ambition, irgendetwas anderes als eine veralbernde Hommage an Generationen prägende Genrefilme abzuliefern: Für sich als eigenständiger Kurzfilm betrachtet, ist keines der Filmsegmente auch nur ansatzweise ernst zu nehmen.

Als hätte CHILLERAMA Angst vor der Erkenntnis, dass es sich bei ihm letztendlich nur um einen zwar fein ausgestalteten, letztlich aber komplett leeren Sonntagnachmittagswitz handelt, ertränkt er dann alles in Körperflüssigkeiten und überbordendem Sex. Die Scheiße fliegt, der Geschlechtsverkehr beschränkt sich nicht länger mehr auf Geschlechtsteile. Jeder Storyansatz geht unter, es wird fröhlich rumgeprollt. Und das Publikum ergötzt sich am Moment, endlich seine Urinstinkte bejubeln zu dürfen.

Am Ende ist CHILLERAMA tatsächlich überhaupt kaum mehr lustig, sondern fast einzig und allein ganz schön bitter. Dabei aber definitiv nicht so gemeint.

Wegen der Liebe zum Detail, Teilen der Rahmenhandlung und ein paar originellen Lines in „Anne Frankenstein" vergebe ich knappe 6 Punkte. Wer betrunken genug ist, verteilt vermutlich noch einige mehr. Aber ganz ehrlich, Triebbefriedigung geht auch stilvoller, smarter - und weniger beschissen.

war im Metropolis 8, Frankfurt

74 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Chillerama
  • Score [BETA]: 74
  • f3a.net: 7.4/10 74
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-20 09:39

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