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Review The Descent

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von Herbert.West
Der beste Horrorfilm des Jahres 2005 kommt aus Großbritannien und heißt The Descent. Neil Marshall erweist sich mit seinem Zweitwerk als ein Großmeister der Angst, wie es ihn seit dem frühen John Carpenter nicht mehr gegeben hat. Schon seine Debütattacke "Dog Soldiers" war nicht von schlechten Eltern, aber im Vergleich zu The Descent nur ein zaghaftes Warmmachen, ein Horror-Vordiplom sozusagen.

Sechs junge Frauen auf eine Höhlenwanderung zu schicken, die sich zum Höllentrip entwickelt, klingt nicht besonders weltbewegend? Ist es aber! Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so in den Kinosessel gekrallt habe. Hier und da werden Parallelen zu "Deliverance" aus dem Jahre 1972 (deutscher Titel: "Beim Sterben ist jeder der Erste") wach, da die Charaktere genauso lebensecht und realistisch sind und die Ausgangssituation ähnlich ist. Neben dem Terrain, auf dem sich die Gruppe bewegt (bei Deliverance der Fluss, hier die Höhle) muss sie sich einer weiteren, wesentlich bedrohlicheren Gefahr stellen, denn in der dunklen, engen Höhle lauert irgend etwas...

Gleich zu Anfang macht uns Neil Marshall unmissverständlich klar, dass wir uns in einem puren Horrorfilm befinden und dass er es nicht gut mit uns meint. Auch danach, bis sich die Frauen einmal in der Höhle befinden, baut er hier und da einen Schockeffekt ein, um den Zuschauer schon einmal ein bisschen weichzuklopfen; aber nicht einen dieser albernen "Fake-Schocks", die heutzutage in Zeiten von THX & Co. leider üblich sind und die nur aus Soundeffekten bestehen, sondern schon richtig mit Schmackes. Bis er schließlich ein wahres Inferno entfacht, lässt sich Marshall aber Zeit und baut lange die Spannung auf. Die Spannungsschraube dreht sich dann den ganzen Film über unbarmherzig immer enger zu - schon die klaustrophobische Enge der dunklen, feuchten Höhle mit der ständigen Gefahr steckenzubleiben hätte schon vollkommen für einen Nervenblankzieher gereicht, aber das ist lediglich das Fundament, auf dem alles weitere aufbaut.

The Descent ist im Gegensatz zu Dog Soldiers vollkommen humorfrei. Zwar mag der Film an sich geradlinig sein, aber fast alle guten Horrorfilme sind weitgehend schnörkellos. Trotzdem baut Marshall immer wieder kleine Details beispielsweise bei der Charakterisierung und Entwicklung der Hauptfigur ein, die über das übliche Genremaß hinausgehen. Vom Spannungsaufbau her wird The Descent als ein ähnliches Paradebeispiel wie The Shining, Halloween oder Psycho in die Filmgeschichte eingehen. Zusätzlich macht der Film aber beim Einsatz von Gewalt keinerlei Gefangene - gebrochene Schienbeine, die aus der Hose herausschauen, Eingeweide, Blutfontänen, wohin das Auge blickt. Im Gegensatz zu vielen Splatterfilmen sind die Gore-Effekte jedoch nicht selbstzweckhaft eingesetzt, sondern ergänzen und erweitern die psychische Terrorkomponente noch um die physische. Jede Wunde, die geschlagen wird, verursacht dem Zuschauer quasi selbst Schmerzen.

Bleibt nur zu hoffen, dass The Descent in Deutschland seinen verdienten Kinostart bekommt und nicht als DVD-Premiere untergeht. Der Film ist ein zukünftiger Genreklassiker und lässt Werke wie Haute Tension locker hinter sich. Schon mit seinem zweiten Film hat sich Regisseur Neil Marshall ohne Zwischenstopp in den Horrorhimmel katapultiert. Die Höchstnote hebe ich mir dennoch auf, bis ich den Film ein zweites Mal gesehen habe. Den Beweis, auch beim wiederholten Sehen nicht wesentlich von seiner Wirkung einzubüßen, muss er noch antreten - auch wenn ich da eigentlich keine Sorgen habe.

88 Bewertungen auf f3a.net

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The Descent
  • f3a.net: 8.5/10 88
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 15:26

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