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Reviews Henry: Portrait of a Serial Killer

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Reviewer

D.S. * 8.0

The Deadly Drifter

"Director John McNaughton’s first film offers the most authentic and harrowing portrait of a psychopath to date." - so der Klappentext der englischen Video-/DVD-Veröffentlichung dieses Semi-Klassikers im Bereich der Filme über Serienmörder. Vor dieser Fassung muß zwar gewarnt werden, da sie cut ist (nur die US-"Director’s Edition"-DVD von MPI ist vollständig ungeschnitten). Aber diese Aussage ist absolut zutreffend. Noch 16 Jahre nach der Veröffentlichung des Films.

Dabei ist "authentisch" allerdings nicht wortwörtlich zu nehmen. Zwar ist der Film mehr als nur inspiriert von der wahren Geschichte des Serienmörders Henry Lee Lucas, der in den frühen 1980er Jahren eine wahre Blutspur durch die USA zog, anfangs im Team mit Ottis Toole, den er zufällig in Florida kennengelernt und mit dessen Familie er eine Zeit lang gelebt hatte. Mit den historisch verbürgten Fakten geht der Film aber sehr eigenwillig um; insbesondere werden Figuren aus der Realität im Film teils völlig abweichende Rollen zugeteilt. Trotzdem gelingt es John McNaughton, der später übrigens unter anderem den beim FFF 1998 sehr erfolgreichen WILD THINGS drehte, der Figur Henrys und dem erzählten Geschehen ein Gefühl zu verleihen, das (nach allem, was ich weiß) der Realität sehr nahe kommt: Henry Lee Lucas’ Geständnisse, Zeugenaussagen, Zeitungsberichte aus seiner Zeit zeichnen jedenfalls das Bild eines Mannes und seiner Taten, das dem vom Film vermittelten mehr als nur ähnelt. Und da dieses Bild in weiten Teilen wirklich ziemlich schockierend ist - gnadenlose Brutalität, scheinbar völlig wahllose und sinnlose Morde (oft genug aus heiterem Himmel), keinerlei Bewußtsein hinsichtlich der Schwere seiner Taten, zielloses Vor-Sich-Hin-Leben bis zum nächsten Mord, totale emotionale Leere und Kälte -, und da der Film durchweg ernst und konsequent inszeniert worden ist, mit einem Gefühl der Tristesse und Auswegslosigkeit, ist er einfach extrem mitnehmend und bedrückend. Zwar bleibt auch HENRY ganz eindeutig ein Spielfilm (und ausschließlich als solcher möchte er sich verstanden wissen - eine Texttafel zum Beginn macht das nachdrücklich klar): an ein paar Stellen merkt man doch, daß ein dramatischer Erzählfluß wichtiger war als eine glaubwürdige Handlungsabfolge. Und der Soundtrack drückt den Film mehrfach (insbesondere bei der Untermalung der Morde) klar in Richtung Horror-/Slasher-Genre. Trotzdem gewinnt man den Eindruck, daß hier (anders als etwa bei SUMMER OF SAM oder dem grausigen TED BUNDY) eine reale Geschichte nicht nur als dünne Vorlage für einen frei herumspinnenden Film diente, sondern versucht wurde, den ganz realen Horror einzufangen und fühlbar, in Teilen sogar begreifbar zu machen.

Zur Geschichte des Films: Henry wohnt bei Ottis, den er im Knast kennengelernt hatte, in Chicago und schlägt sich mit kleinen Jobs durch. Wenn ihm danach ist, bringt er Leute um, nur um danach, beruhigt und entspannt, wieder in seinen Alltag einzutauchen. Die Situation ändert sich, als Ottis’ attraktive Schwester Becky zu Besuch kommt (ihr Mann hatte sie und ihre Tochter mißhandelt, sie ist geflohen). Sie und Henry fühlen sich sofort zueinander hingezogen und erzählen einander ungezwungen von den schlimmen Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit hatten (Mißbrauch durch die Eltern usw.). Als Ottis sich seiner Schwester unzüchtig nähert, macht Henry ihm unmißverständlich klar, daß er das besser bleiben lassen sollte, und nimmt ihn stattdessen mit auf eine Tour durchs nächtliche Chicago. Nach kurzer Zeit sind sie mit zwei Prostituierten in ihrem Auto in einer düsteren Seitenstraße zugange, als Henry plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, ausflippt und die Frauen ermordet. Ottis ist schockiert und fassungslos. Doch Henry macht ihm klar, daß die Welt da draußen feindlich sei und man eben tun müsse, was zu tun sei. "It’s either them or us. You understand?" Ottis versteht. Und es dauert nicht lange, bis auch er Mord als Mittle zur Entspannung betrachten lernt, und ihre Touren immer häufiger und gewalttätiger werden. In einer Nebenhandlung entspinnt sich eine Art Beziehung zwischen Henry und Becky. Aber daß diese von den grausamen Geschehnissen nicht unbeeinflußt bleiben kann, ist schnell klar...

Abgesehen von der oben beschriebenen, bedrückenden Atmosphäre, die zum guten Teil von den sehr "un-filmischen", oft fast dokumentarisch anmutenden Kamerabildern (und dem generell eher grobkörnigen Bild) herrührt, erreicht der Film vor allem aufgrund von zwei Faktoren seine verstörende Wirkung: Erstens wegen einer exzellenten Leistung von Michael Rooker als Henry, der sehr glaubwürdig in einer Sekunde verantwortungsvoll, fast besonnen wirken kann, nur um dann unvermittelt in einem Gewaltausbruch zu explodieren. Und zweitens wegen der Story an sich, über die man aufgrund ihrer exzessiven und sinnlosen Gewalt (die der Film aber nur ansatzweise auch zeigt) vermutlich oft nur ungläubig den Kopf schütteln würde - wenn man nicht wüßte, daß die tatsächlichen Geschehnisse noch um einiges krasser waren.

So war der echte Love Interest von Henry Lee Lucas, die von ihm "Becky" genannte Frieda Powell, nicht etwa eine junge Mutter Anfang 20. Sondern die sage und schreibe erst ELF Jahre alte Nichte von Ottis Toole. Und im Gegensatz zum Film mußte Ottis von Henry nicht erst zum Morden "verführt" werden. Sondern war aller Wahrscheinlichkeit nach sogar der Degeneriertere, Perversere der Beiden. Und dem echten Henry fehlten wohl so starke Züge von Moralgefühl und Verantwortungsbewußtsein, wie sie der Film (m.E. teils übertrieben) suggeriert. Aber das sind, was die Leistung des Films als Spielfilm angeht, Kleinigkeiten. In sich ist die Handlung weitgehend stimmig, in sich ist sie verstörend, und schafft es ganz nebenbei auch noch, Einblicke in die Psyche des echten Killers zu vermitteln. Mit sehr reduzierten filmischen Mitteln - vor dem Hintergrund des realen Horrors, der erst wenige Jahre vor dem Entstehen des Film beendet worden war.

Wenn man nicht auf ultraheftige Gore-Szenen aus ist, sondern eine kleine, effekt- und schonungslose Reise an der Seite eines der gestörtesten Killers der US-Geschichte ertragen kann (bis heute ist unklar, wieviele Menschen Henry Lee Lucas wirklich umgebracht hat: er hat einen Hang dazu, Realität und Phantasien aufs Ununterscheidbarste miteinander zu vermischen, was der Film auch kurz andeutet) - dann ist HENRY: PORTRAIT OF A SERIAL KILLER ein echtes Juwel. Ernst, konsequent und brutal. Wie gesagt: bis heute gibt es keinen Film über einen realen Serienmörder, der diesem hier das Wasser reichen könnte. Schon gar nicht der wesentlich mehr auf Schocks abzielende zweite Teil, HENRY 2 - MASK OF SANITY.

P.S.: Warum der Film aber ausgerechnet in Chicago spielen muß - in einer Stadt, in die Henry Lee Lucas, soweit ich weiß, niemals einen Fuß gesetzt hat - ... das bleibt John McNaughtons Geheimnis.

P.S. 2: Ausführliche Infos über den echten Henry Lee Lucas gibt es hier: http://crimelibrary.com/serial2/lucas/index.html

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Henry: Portrait of a Serial Killer
  • f3a.net: 7.4/10 14
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-12-11 16:12

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