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Ich sehe was, was du nicht sehen willst
von D.S.

Papa Poe ist ein lausiger Priester - und ein noch viel schlechterer Selbstdarsteller. Während ihm ersteres aber immerhin noch halbwegs bewusst ist, sieht er sich insgeheim als zweiten Johnny Carson. Und präsentiert jedes noch so nichtige Ereignis im heimischen Haushalt mit großer Geste vor dem Camcorder. Könnte für künftige Generationen ja mal wichtig sein, oder zumindest für den eigenen Nachwuchs: Jack und Emily, das wohlerzogene, süße Geschwisterpärchen. Wobei: seit man in dieses Haus in der Mitte von Nirgendwo gezogen ist, scheint irgendwas die Kinder zunehmend zu belasten. Sind sie zunächst kaum mehr kommunikativ, sperren sie sich bald gegen die Wünsche ihrer fürsorgend-fröhlichen Eltern. Und entwickeln schließlich ein immer beängstigenderes Eigenleben, das bei Experimentier- und Quälfreude den Haustieren gegenüber noch lange kein Ende nimmt...

HOME MOVIE ist zunächst mal ziemlich anstrengend. Was an den Figuren der Eltern liegt: insbesondere Adrian Pasdar (der fliegende Senator Nathan Petrelli aus HEROES) spielt sich als zwanghaft fröhlicher Familienvater, der nicht den geringsten Bezug zu den Befindlichkeiten seiner Kinder hat, mit Leichtigkeit an die Spitze jeder persönlichen Hass-Liste. Einem wie ihm kann es lange Zeit gar nicht auffallen, dass das neue Zuhause einen immer schlimmeren Einfluss auf die Geschwister hat und sie irgendwann nur noch gestört wirken. Selbst, wenn Sohnemann ihn beim Baseball-Spielen mit Steinen beschmeißt: kurz mal sauer sein, aber dann Schwamm drüber, sind ja nur Kinder und wir sind eine, verdammt noch mal, glückliche Familie!

Wenn man mag, kann man HOME MOVIE auch als Parabel auf das heutzutage oft gestörte Verhältnis von Erziehungsberechtigten zu ihren Schutzbefohlenen sehen: tatsächlich wirken hier die Erwachsenen reichlich infantil, produzieren sich giggelnd und herumalbernd vor der Kamera, während ihre Kinder stumm und ernst versuchen, dem nervigen Schauspiel zu entgehen. Um so ihre Würde zu bewahren, möchte man meinen.

Irgendwann kippt das Geschehen dann eben: das Verhalten der Kinder wird immer verstörender, die Videoaufnahmen der Eltern immer besorgter, immer hilfloser. Obgleich beide zum Seelsorger ausgebildet sind - Mutter Clare als Psychiaterin -, sind sie von den immer aggressiveren Anwandlungen ihres Nachwuchses sichtlich überfordert. Weder Therapieversuche noch Medikamente noch religiöse Rituale scheinen zu fruchten. Und als der Film sein letztes Drittel erreicht, eskalieren Hass und Zerstörungswut der Kinder zu ungeahnten Ausmaßen...

Schade nur, dass dies ein gutes Stück zu lange dauert. Zwar ist es schwer, das HOME MOVIE zum Vorwurf zu machen: es braucht nun mal seine Zeit, die bedrohliche Situation, in der sich die Eltern irgendwann befinden, halbwegs subtil aufzubauen - und das Verstörungslevel dann kontinuierlich, Schritt für Schritt zu erhöhen. Dennoch ist der Film über weite Strecken einfach nicht unterhaltsam genug, wozu auch das auf Dauer leider doch etwas anstrengende Videoformat beiträgt. Auch, wenn dies natürlich die Nähe zum Geschehen und damit den "authentischen" Eindruck extrem erhöht. Übrigens wird das permanente Vorhandensein der Kamera von den Protagonisten ein ums andere Mal "erklärt" - na ja, entweder man akzeptiert es bei einem Film mit einer solchen Ausgangsidee, oder aber nicht; solcher Begründungen hätte es für mich nicht unbedingt bedurft. Immerhin wirken sie halbwegs realistisch.

Wie auch immer: insgesamt betrachtet ist HOME MOVIE ein eigenartig spannendes, eigenartig atmosphärisches filmisches Experiment, das im Hinblick auf seinen Unterhaltungswert leider nur teilweise zündet. Die von den Kindern ausgehende Gewalt wird dabei zwar bei weitem nicht so offensichtlich ausgespielt wie etwa in THE CHILDREN, dennoch wirken die "lieben Kleinen" hier deutlich finsterer und fieser. Denen traut man in seiner Phantasie einfach alles zu - so, wie HOME MOVIE nun mal auch grundsätzlich vor allem eines tut: unsere Vorstellungskraft aktivieren und uns durch ganz gewöhnliche Heimvideo-Aufnahmen zum Zeugen eines ganz ungewöhnlichen Heim-Dramas machen. Das auf Dauer aber leider doch zu anstrengend und insgesamt zu höhepunktfrei daherkommt. In der Theorie deshalb 8 Punkte. In der Praxis: 6.

verweste im Metropolis 1, Frankfurt

24 Bewertungen auf f3a.net

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  • Score [BETA]: 56
  • f3a.net: 4.5/10 24
  • IMDb: 6.7/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-03-29 07:17

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