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Review Infernal Affairs II

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Familien-Bande
von D.S.

Woran es dem ersten Teil der Saga ja für meinen Geschmack manchmal fast ein wenig mangelte, das bietet "Infernal Affairs II - The Legend" im Überfluß: (Melo-)Dramatik pur, das Ausleben der ganz großen Gefühle, ja: Pathos.

Kein Wunder, sind die Themen dieses kongenialen Prequels doch, wie schon die Eröffnungssequenz klar macht, Vergeltung, Blutrache, Verrat und Loyalität. Themen also, die das Heroic Bloodshed-Subgenre schon von Beginn an durchzogen haben. Tatsächlich ist dieser Film genau in diesem Subgenre anzusiedeln - und da hier auch noch um einiges munterer gestorben wird als im Vorgänger, kommt "Infernal Affairs II" den Klassikern des Actionkinos aus Hong Kong noch deutlich näher.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu den meisten Vorbildern, und hierin liegt gleichzeitig die Größe des Films wie auch seine Schwäche: er arbeitet mit einer enorm verschachtelten Erzählweise. Nicht nur, daß er Geschehnisse aus drei verschiedenen zeitlichen Episoden erzählt (1991, 1995 und 1997) und eine große Zahl an Nebenfiguren - mehr oder minder gut - etabliert. Hinzu kommen auch noch (insbesondere anfangs) ein paar weitere Sprünge in der Chronologie und vor allem etliche (Neben-) Handlungsstränge, die sich fast alle, aber in verschiedensten Variationen, um das genannte "Rache"-Thema drehen - und die durchaus Konzentration vom Zuschauer erfordern, damit er schlußendlich ein kohärentes Gesamtbild vor Augen hat.

Positiv daran ist, daß so eine unglaublich dichte Atmosphäre entsteht, die einem permanent das Gefühl gibt, gleich könnte irgendetwas Hochdramatisches geschehen - was dann meist auch zutrifft. Vor allem aber verleiht die hier erzählte Story allen Hauptfiguren aus dem ersten Teil ein erstaunlich hohes Maß an Persönlichkeit, an Hintergrund, an Motivation, an Geschichte... wobei sich der Film insbesondere auf die beiden Figuren auf der "guten Seite des Gesetzes", Superintendent Wong und Undercover-Cop Yan, konzentriert. Der "böse" Boss aus Teil eins, Sam, ist zwar auch über die größten Strecken des Films vertreten und erhält eine Geschichte verliehen, steht aber nicht so sehr mit im Vordergrund, wie dies bei "Infernal Affairs I" noch der Fall war. Ming hingegen, der Triadenspitzel, bekommt vergleichsweise wenig Zeit auf der Leinwand - hinterläßt durch einige Handlungen dafür aber auch bleibenden Eindruck...!

Negativ an der Herangehensweise der Inszenierung - die natürlich hauptsächlich dem "Auftrag" eines solchen Prequels geschuldet ist, den Grundstein für ein umfassendes Epos darzustellen - ist dabei aber, daß die Stringenz der Erzählung, die die Kraft von "Infernal Affairs I" (und aller Genre-Klassiker) ausmachte, ein wenig verloren geht. Ein unbedingtes Vorwärtsstreben der Geschichte, das unerbittliche Heraufdämmern einer apokalyptischen Klimax, mithin die absolute, fesselnde, sich unaufhörlich steigernde Spannung - die ist hier nicht immer zu spüren. Weiterhin schade ist, daß zwar die Hauptfiguren des ersten Teils ein klareres Gesicht erhalten, die meisten der dort kleineren Rollen aber auch hier nur am Rande auftauchen. Dafür werden neue Figuren aufgebaut, mindestens zwei davon sogar außerordentlich stark: Sams Frau Mary (Carina Lau) und Triadenchef Hau - absolut fantastisch gespielt vom HK-"Bad Man" Francis Ng. Beide jedoch spielen im ersten Teil keine (direkte) Rolle mehr und erscheinen so im Gesamtzusammenhang etwas verschenkt. Auch besitzen die Darsteller der "jugendlichen" Yan und Ming nicht die Präsenz und Ausstrahlung von Tony Leung bzw. Andy Lau, aber diese Anforderung könnte wohl kaum irgendein Nachwuchsschauspieler erfüllen. Auch die vielleicht allzu symbolhaft gestaltete äußerste Rahmenhandlung, die in der feierlichen Übergabe Hong Kongs an China am 1. Juli 1997 kulminiert, hätte es vielleicht nicht gebraucht - aber das mögen (HK-) Chinesen anders sehen.

Trotz aller Kritikpunkte ist "Infernal Affairs II" aber ein großartiger Film. Er begeistert durch hervorragende Kameraarbeit (und überhaupt, wieder mal, hohe Production Values) und einen, wie schon im ersten Teil, grandiosen Canto-Pop-Soundtrack. Durch eine Geschichte, die von hoher Komplexität und letztendlich doch von unbarmherziger Wucht ist; durch eine Umsetzung, die stets intelligent und meist mitreißend ist. Ein wenig mehr inhaltliche Straffung hätte dem Film zwar wahrscheinlich gut getan - aber andererseits braucht es diese "Weite" vielleicht auch einfach im Rahmen eines solchen Gesamt-Epos.

Für sich betrachten sollte man den Film dennoch nicht - man wäre wahrscheinlich ziemlich verloren. Auch, wenn es sich um das Prequel handelt: der vorherige Genuß von "Infernal Affairs I" wird dringend empfohlen. (Und natürlich der anschließende von Teil drei!)

Zusammengefaßt: der inhaltliche größere Film als Teil eins, jedoch auch der kompliziertere und vielleicht unmittelbar etwas weniger packende. Deshalb: 7,5 Punkte.

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Bewertungen

Infernal Affairs II
  • f3a.net: 7.9/10 23
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 16:12

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