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Review It Comes

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Vogelwild
von D.S.

Aufgrund ihrer Motivik und Narration wirken japanische Geisterfilme für ein westliches Publikum ja ohnehin oft ungewöhnlich – IT COMES von Tetsuya Nakashima, der bereits etwa mit MEMORIES OF MATSUKO oder KAMIKAZE GIRLS die etablierten Regeln des Erzählkinos fröhlich über den Haufen geworfen hatte, schießt aber den sprichwörtlichen Vogel ab. Und entpuppt sich bei fortschreitender Laufzeit immer mehr als auf Zelluloid gebanntes Wahnwitzwerk, das jede hergebrachte Genre-Definitionsschublade sprengt.

Den geringsten Anteil haben daran noch die häufigen Zeitsprünge sowie der mehrfache Wechsel der Hauptfiguren. Vielmehr sind es die unzuverlässige Erzählung, mit der wir hier konfrontiert werden – vieles von dem, das uns gezeigt wird und das wir über lange Zeit als gegeben hinnehmen müssen, entpuppt sich später als ganz anders geartet – und der häufige, mitunter radikale stilistische Wandel, die dafür sorgen, dass man sich immer wieder kurzzeitig ratlos fühlt und nicht vorhersagen kann, wohin sich IT COMES wohl entwickeln wird – und worauf er eigentlich hinauswill.

Ich persönlich kann das immer noch nicht klar beantworten, aber ich persönlich habe auch eine große Schwäche für Filme, die einen derart fordern. Was nichts daran ändert, dass meine Aufmerksamkeit zwischendurch mal gewandert ist, denn mitunter dauert es schon eine Weile, bis hier mal wieder etwas passiert, das einen an die Leinwand fesselt. IT COMES nimmt sich Zeit, und vieles vom Geschehen wirkt auf den ersten Blick nicht sehr spannend. Im Rückblick hat aber fast alles seine Bedeutung und es lohnt sich, genau hinzuschauen. Dabei zu bleiben.

Inhaltlich gibt sich das erste Drittel des Films vorwiegend als Beziehungsdrama. Wobei, viel Drama mag man kaum erkennen. Ein glückliches Paar, ein toller stolzer Papa, der per Instagram der Welt nur zu gerne zeigt, wie glücklich er ist. Wenig lässt hier erahnen, dass wir beim größten Exorzismus der Filmgeschichte enden werden – einem wahrhaftigen Exorzismus-Rave. Wenig bereitet einen auch vor auf die rar gesäten, aber wirklich extremen Gore-Momente. Der Creepiness-Faktor hingegen steigt kontinuierlich an. Und in einigen Momenten erzeugt IT COMES dann tatsächlich genuine Gänsehaut.

Für einen klassischen „Gruselfilm“ ist das Geschehen hier eigentlich zu verworren, zu clever versetzt erzählt, zu wandelhaft und phasenweise auch zu schwer nachzuvollziehen. Der Storyumfang sprengt das Erwartbare jedoch dermaßen virtuos – wobei man auch „größenwahnsinnig“ sagen kann –, dass jeder, der an transzendierenden Filmen Interesse hat, IT COMES eigentlich nicht auslassen darf. Alleine die Opening Credits sind so unfassbar wild geraten, dass sie die Kinosichtung wert sind. Ansonsten ist der Film unglaublich facettenreich und inhaltlich ernsthaft geraten, man kann es auch sozialkritisch nennen. Dabei jedoch niemals plump oder oberflächlich – im Gegenteil, dick aufgetragene Moral gibt es nicht zu finden, man muss schon genauer hinschauen. Sehr genau. Freund und Feind sind hier jedenfalls nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden.

Mehr will ich nicht verraten, um nicht zu spoilern. IT COMES fordert, und ich kann jeden verstehen, der irgendwann genervt abschaltet. Für mich: Dicke 7 Punkte, dicke Fragezeichen, Zweitsichtung dick notwendig!

verweste im Harmonie, Frankfurt

35 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

It Comes
  • Score [BETA]: 64
  • f3a.net: 6.3/10 35
  • IMDb: 6.4/10
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 22:57

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