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Review Karla

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Karla und wie sie die Welt sah...
von D.S.

Ich glaube, ich muß an dieser Stelle mal eine Lanze oder zumindest ein Länzchen brechen für "Karla" - jedenfalls bezüglich eines Kritikpunktes, der hier mehrfach angebracht wurde: der Film sei parteiisch und würde den weiblichen Teil des Serienmörder-Traumpärchens Bernardo/Homolka fast schon selbst als Opfer darstellen, in jedem Fall aber viel zu glimpflich davonkommen lassen. Das ist meiner Meinung nach aber gar nicht der Fall. Zwar zeigt "Karla" uns die aufsehenerregenden Geschehnisse um das gestörte kanadische Paar aus der Sicht von Frau Homolka: inszeniert in Rückblenden, als ihre Erinnerungen, die sie nach acht Jahren Haft einem Psychologen preisgibt (der schließlich eine Empfehlung auszusprechen hat, ob ihr die weiteren vier Jahre ihrer Haftstrafe erlassen werden). Und natürlich versucht sie in diesen Erinnerungen, sich weitestgehend von Schuld freizusprechen, sich als armes, manipuliertes, vor Liebe blindes Lamm darzustellen - ihren (ehemals?) vergötterten Ex-Gatten zum alleinigen Monster der Geschichte zu machen.

Wie ihre Auftritte zwischen den Rückblenden, bei den Interviews, inszeniert werden, welche Fragen der Psychologe stellt und wie sie darauf reagiert, das spricht aber eine andere Sprache - genauso wie die Texttafeln vor dem Abspann, die in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß Karla selbst als wohl ebenso schwer pervertiert wie Paul betrachtet und ihr ein hohes Maß an Schuld zugesprochen werden muß. Abgesehen von den Texttafeln geschieht das In-Frage-Stellen der uns gezeigten Schilderungen natürlich relativ subtil, und ich kann verstehen, wenn dies beim Betrachten ein wenig untergeht. Aber wie ich das sehe, bezieht der Film hier keineswegs eindeutig Stellung pro Homolka.

Auch davon abgesehen bietet er kaum weniger, als man erwarten konnte. Ja, das Ganze ist unspektakulär und oftmals behäbig in Szene gesetzt. Den Alltag der beiden Psychos zu betrachten, ist über weite Strecken hinweg ermüdend und erinnert von der Machart her oft selbst an eins der Homevideos, mit denen Bernardo unter anderem die Greueltaten der beiden dokumentierte. Deshalb ist "Karla" filmisch auch alles andere ein Genuß, und "unterhalten" fühlt man sich hier nicht wirklich. Aber inwieweit kann oder sollte man sich denn unterhalten fühlen, wenn man die Geschichte realer Serienmörder betrachtet? Das andere Extrem auf der Skala ist sicherlich ein Film wie "Bundy", der vergleichsweise abwechslungsreich, schnell geschnitten und fetzig daherkommt - und sich in der Konsequenz dem Vorwurf ausgesetzt sehen muß, die Taten seines Protagonisten zu verharmlosen bis sogar zu verherrlichen.

Derartige Filme bewegen sich auf heiklem Terrain. Mit Ausnahme von "Henry - Portrait of a Serial Killer" habe ich bis heute keinen gesehen, der mich wirklich überzeugt hat, aber jener geht auch sehr frei mit seiner Materie um.

"Karla" tut das nicht, auch wenn er sich in seiner Kernhandlung auf die nicht unbedingt immer wahrheitsgetreuen Schilderungen nur einer Partei stützt (was der "Kommentar" in der Rahmenhandlung, wie erwähnt, ausgleicht). Und so kann man das Ansehen zwar wirklich nur denjenigen empfehlen, die ein echtes Interesse an den Hinter- und Beweggründen von Menschen haben, die zu Monstern werden. Aber man kann nicht bestreiten, daß der Film es schafft, uns eben diese näherzubringen. Und damit gehört er für mich zu den besseren seines Genres.

Das allerdings ist ein theoretisches Bewertungskriterium. Als Film an sich langweilte mich "Karla" zu oft (und ist deutlich zu lang), weshalb ich nicht mehr als 5,5 Punkte vergeben kann.

war im Metropolis 8, Frankfurt

10 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Karla
  • f3a.net: 5.8/10 10
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-20 17:22

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