Reviewer
D.S. * 8.0
Final Destination: Fate
LIMBO war einer der großen Hits der FFF White Nights 2023 – MAD FATE, das neue Werk von Regisseur Soi Cheang (DOG BITE DOG, FFF Nights 2007), ist eine ganz andere Art Film, verfügt aber über eine ähnliche, wenn nicht sogar größere filmische Klasse. Dabei sind die unfassbare Schwere und Wucht des Vorgängers hier nur stellenweise gegeben: War jener eine pure, durch und durch schmerzhafte Tragödie auf dem Fundament eines Crime-Thrillers, überrascht MAD FATE mit einem nicht zu unterschätzenden Anteil an Humor, der das Gezeigte zeitweise fast sogar an den Rand der Groteske befördert.
Schon beim Killer in LIMBO wurde deutlich, dass Cheang einen gewissen Hang zum Überzeichnen von Figuren hat. Dieser tritt hier noch wesentlich klarer zutage, insbesondere im Hinblick auf den Wahrsager/Feng-Shui-Meister, was durch das zeitweise unübersehbare Overacting des Darstellers (Lam Ka-Tung, bereits in LIMBO dabei) unterstützt wird. Der Meister hat unsagbare Angst davor, den Verstand zu verlieren, und benimmt sich gerade deshalb oft äußerst seltsam bis irrational, was für einige nahezu albern zu nennende Momente sorgt.
Das schadet dem Film aber nicht, vielmehr sorgt es für eine weitere Facette der Unvorhersehbarkeit des Geschehens, das hier durchweg wilde Haken schlägt. In seinem Zentrum steht dabei letztendlich nicht unbedingt die Storyline. Diese dreht sich um den jungen Taugenichts Siu Tung, der durch einen blöden Zufall (?) Zeuge des blutigen Mordes an einer Prostituierten durch einen Serienkiller wird – und sich immer stärker angetrieben fühlt, in seine Fußstapfen zu treten. Während die Polizei in Gestalt eines namenlosen Kommissars (Ng Ting-yip, INFERNAL AFFAIRS) ihn bald ins Fadenkreuz nimmt und aus dem Verkehr ziehen will, bevor er selbst einen Mord begeht, versucht der Meister, ihn zu retten – indem er sein offensichtlich festgeschriebenes Schicksal ändert.
Diese Versuche stellen den eigentlichen Kern der Geschichte dar: Hier geht es um nichts weniger als die essentielle Frage, ob wir als Menschen unsere Zukunft selbst in der Hand haben oder am Ende nur Marionetten einer übergeordneten Kraft sind, die vorherbestimmt, auf welchem Pfad wir unterwegs sind. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage hat vor dem Hintergrund einer konfuzianistisch geprägten Gesellschaft wie der chinesischen natürlich ein besonderes Gewicht – sie lässt sich aber ohne Weiteres auch als Kommentar auf globale Diskussionen wie etwa Verschwörungstheorien deuten, die in strukturell antisemitischer Weise von im Verborgenen tätigen Mächten schwadronieren, welche dem Einzelnen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung nehmen.
Derartige Deutungen sind aber absolut nicht notwendig, um sich von MAD FATE begeistert unterhalten zu lassen: Die verzweifelten Versuche des Meisters, sich gegen die hinterhältigen Wege des Schicksals zu wehren, sorgen für immer wieder freudiges Staunen – und wecken beizeiten äußerst positive Erinnerungen an die Ursprünge des FINAL DESTINATION-Franchises.
Wenngleich MAD FATE nur selten das visuelle Ausnahmeniveau von LIMBO erreicht, kann er auch in dieser Hinsicht beeindrucken. Mehrfach können wir etwa seltsame Wetterphänomene über Kowloon beobachten, die für eine einzigartige Farbstimmung sorgen – wie auch die Kameraarbeit als solche besticht gerade die Ausleuchtung der Szenerie durch hohe Kunstfertigkeit. Dennoch liegt die eigentliche Stärke des Films im Gegensatz zum Vorgänger weniger in der Bildgestaltung als vielmehr in der Vielschichtigkeit, Vielfalt und Vieldeutigkeit der Erzählung. MAD FATE ist ein Stück weniger „Kunstwerk“ als LIMBO, inhaltlich jedoch sogar noch fesselnder und immersiver. Und spätestens, als inmitten des Molochs Hong Kong aus heiterem Himmel der „March from the River Kwai“ ertönt, sind wir gewillt, Regisseur Soi Cheang überallhin zu folgen. Nötigenfalls sogar auf den Underberg.
Faszinierendes Kino – volle 8 Punkte. Abzüge gibt es höchstens für die mittels recht miserabler CGI realisierten Film-Katzen, die eher an Animatronics als an echte Tiere erinnern.
Schon beim Killer in LIMBO wurde deutlich, dass Cheang einen gewissen Hang zum Überzeichnen von Figuren hat. Dieser tritt hier noch wesentlich klarer zutage, insbesondere im Hinblick auf den Wahrsager/Feng-Shui-Meister, was durch das zeitweise unübersehbare Overacting des Darstellers (Lam Ka-Tung, bereits in LIMBO dabei) unterstützt wird. Der Meister hat unsagbare Angst davor, den Verstand zu verlieren, und benimmt sich gerade deshalb oft äußerst seltsam bis irrational, was für einige nahezu albern zu nennende Momente sorgt.
Das schadet dem Film aber nicht, vielmehr sorgt es für eine weitere Facette der Unvorhersehbarkeit des Geschehens, das hier durchweg wilde Haken schlägt. In seinem Zentrum steht dabei letztendlich nicht unbedingt die Storyline. Diese dreht sich um den jungen Taugenichts Siu Tung, der durch einen blöden Zufall (?) Zeuge des blutigen Mordes an einer Prostituierten durch einen Serienkiller wird – und sich immer stärker angetrieben fühlt, in seine Fußstapfen zu treten. Während die Polizei in Gestalt eines namenlosen Kommissars (Ng Ting-yip, INFERNAL AFFAIRS) ihn bald ins Fadenkreuz nimmt und aus dem Verkehr ziehen will, bevor er selbst einen Mord begeht, versucht der Meister, ihn zu retten – indem er sein offensichtlich festgeschriebenes Schicksal ändert.
Diese Versuche stellen den eigentlichen Kern der Geschichte dar: Hier geht es um nichts weniger als die essentielle Frage, ob wir als Menschen unsere Zukunft selbst in der Hand haben oder am Ende nur Marionetten einer übergeordneten Kraft sind, die vorherbestimmt, auf welchem Pfad wir unterwegs sind. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage hat vor dem Hintergrund einer konfuzianistisch geprägten Gesellschaft wie der chinesischen natürlich ein besonderes Gewicht – sie lässt sich aber ohne Weiteres auch als Kommentar auf globale Diskussionen wie etwa Verschwörungstheorien deuten, die in strukturell antisemitischer Weise von im Verborgenen tätigen Mächten schwadronieren, welche dem Einzelnen die Möglichkeit zur Selbstbestimmung nehmen.
Derartige Deutungen sind aber absolut nicht notwendig, um sich von MAD FATE begeistert unterhalten zu lassen: Die verzweifelten Versuche des Meisters, sich gegen die hinterhältigen Wege des Schicksals zu wehren, sorgen für immer wieder freudiges Staunen – und wecken beizeiten äußerst positive Erinnerungen an die Ursprünge des FINAL DESTINATION-Franchises.
Wenngleich MAD FATE nur selten das visuelle Ausnahmeniveau von LIMBO erreicht, kann er auch in dieser Hinsicht beeindrucken. Mehrfach können wir etwa seltsame Wetterphänomene über Kowloon beobachten, die für eine einzigartige Farbstimmung sorgen – wie auch die Kameraarbeit als solche besticht gerade die Ausleuchtung der Szenerie durch hohe Kunstfertigkeit. Dennoch liegt die eigentliche Stärke des Films im Gegensatz zum Vorgänger weniger in der Bildgestaltung als vielmehr in der Vielschichtigkeit, Vielfalt und Vieldeutigkeit der Erzählung. MAD FATE ist ein Stück weniger „Kunstwerk“ als LIMBO, inhaltlich jedoch sogar noch fesselnder und immersiver. Und spätestens, als inmitten des Molochs Hong Kong aus heiterem Himmel der „March from the River Kwai“ ertönt, sind wir gewillt, Regisseur Soi Cheang überallhin zu folgen. Nötigenfalls sogar auf den Underberg.
Faszinierendes Kino – volle 8 Punkte. Abzüge gibt es höchstens für die mittels recht miserabler CGI realisierten Film-Katzen, die eher an Animatronics als an echte Tiere erinnern.
verweste im Harmonie, Frankfurt
Herr_Kees * 4.0
Mantra Mantra
Ein Prostituiertenmörder, ein übereifriger Feng Shui-Berater, ein schnauzbärtiger Cop und ein junger psychopatischer Katzenhasser mit einer Vorliebe für Stichwaffen werden in Soi Cheangs Film schicksalhaft zusammengeführt.
Nach seinem visuell beeindruckenden Serienkiller-Thriller LIMBO waren die Erwartungen entsprechend hoch. Doch Killer und Cop spielen hier nur Nebenrollen: Der Film fokussiert sich stattdessen auf die Obsession des „Masters“, das vermeintliche Schicksal seines selbsterwählten Schützlings zum Guten zu wenden – mit einer Überdosis Feng Shui.
Dass der Film in China ein besseres Einspielergebnis als der SUPER MARIO Film hatte, ist wahrscheinlich vor allem der religiösen und spirituellen Ausrichtung der Chinesen geschuldet. Für uns Westeuropäer bleibt ein Großteil des Films leider unzugänglich.
Die Killerhatz wird vom magischen Mumbojumbo komplett in den Hintergrund gedrängt und die Hysterie der beiden Hauptfiguren, die jeder für sich immer mehr in ihre eigenen Wahnvorstellungen abrutschen, geht einem gehörig auf die Nerven.
Produzent Johnnie To selbst hatte mit PTU im Jahr 2003 einen deutlich gelungeneren Beitrag zur schicksalhaften Verknüpfung verschiedener Charaktere gedreht. MAD FATE ist dagegen sowohl formal als auch inhaltlich „underwhelming“.
Nach seinem visuell beeindruckenden Serienkiller-Thriller LIMBO waren die Erwartungen entsprechend hoch. Doch Killer und Cop spielen hier nur Nebenrollen: Der Film fokussiert sich stattdessen auf die Obsession des „Masters“, das vermeintliche Schicksal seines selbsterwählten Schützlings zum Guten zu wenden – mit einer Überdosis Feng Shui.
Dass der Film in China ein besseres Einspielergebnis als der SUPER MARIO Film hatte, ist wahrscheinlich vor allem der religiösen und spirituellen Ausrichtung der Chinesen geschuldet. Für uns Westeuropäer bleibt ein Großteil des Films leider unzugänglich.
Die Killerhatz wird vom magischen Mumbojumbo komplett in den Hintergrund gedrängt und die Hysterie der beiden Hauptfiguren, die jeder für sich immer mehr in ihre eigenen Wahnvorstellungen abrutschen, geht einem gehörig auf die Nerven.
Produzent Johnnie To selbst hatte mit PTU im Jahr 2003 einen deutlich gelungeneren Beitrag zur schicksalhaften Verknüpfung verschiedener Charaktere gedreht. MAD FATE ist dagegen sowohl formal als auch inhaltlich „underwhelming“.
war im EM, Stuttgart
Leimbacher-Mario * 6.0
Das Schicksal ist kein mieser Verräter
Mit „Limbo“ konnte Regisseur Soi Cheang letztes Jahr massiv auf sich aufmerksam machen. Ein nahezu meisterhafter Neo Noir-Thriller in schwarz-weiß. Nun kommt schon sein nächster Streich, ebenfalls wieder hierzulande zuerst auf dem Fantasy Filmfest. In „Mad Fate“ geht es, wie der Titel schon sagt, um das verwoben-verrückte Schicksal - zwischen Morddrang, Bestimmung und dem freien Willen zweier Männer und Außenseiter, ein Psychopath mit mörderischen Tendenzen und ein bizarrer Karma-und-Esoterik-Meister, die sich gegenseitig mehr oder weniger sowohl in weitere Schlamassel reiten als auch vor dem Schlimmsten bewahren…
Kampf gegen Windmühlen
So hübsch wie „Limbo“ mit seinem monochromen Style war, so unschön sieht „Mad Fate“ oft aus. Was ist hier passiert optisch? Ein Fehlschlag und eine Enttäuschung. Das zu einer negativen Anekdote aus der B-Note. Der Film an sich ist ein eigentlich ganz zackiger und cleverer Genremix aus Buddy-Comedy, Mordthriller und übernatürlichen Wegen des Schicksals à la P.T.A. in asiatisch überdreht und manchmal gar leicht nervig. Meistens halten aber gerade die etwas comichaft überzogenen Momente und Figuren bei Laune, helfen über einen etwas dahinplätschernden Plot. Man muss nicht immer wieder und alles mit „Limbo“ vergleichen. Doch in „Mad Fate“ gehen Konzept, Inhalt und Optik nie eine derart gekonnte Fusion ein, koexistieren eher nebeneinander. Und dadurch kann kein homogener oder sehr guter Film entspringen. Selbst wenn der „Marsch“ aus „Bridge on the River Kwai“ exzellent eingebunden wird und immer ins Ohr geht. Konfusion und „Zufall“ haben hier Konzept. Wenn man das nicht schluckt, dann wird’s sehr anstrengend und trocken. Kein schlechter Cocktail für mich dennoch.
Fazit: Quirliger Buddy-Mordfall-Comedy-Genremix mit interessanten Figuren, Wendungen und Ansätzen. Jedoch nicht sehr hübsch. Und zudem in keinem seiner Subgenres je richtig ohne Handbremse zu Gange. Dass man sich den Namen Soi Cheang merkt, daran ändert das jedoch null. Auch „Mad Fate“ macht Laune und ist eigen.
Kampf gegen Windmühlen
So hübsch wie „Limbo“ mit seinem monochromen Style war, so unschön sieht „Mad Fate“ oft aus. Was ist hier passiert optisch? Ein Fehlschlag und eine Enttäuschung. Das zu einer negativen Anekdote aus der B-Note. Der Film an sich ist ein eigentlich ganz zackiger und cleverer Genremix aus Buddy-Comedy, Mordthriller und übernatürlichen Wegen des Schicksals à la P.T.A. in asiatisch überdreht und manchmal gar leicht nervig. Meistens halten aber gerade die etwas comichaft überzogenen Momente und Figuren bei Laune, helfen über einen etwas dahinplätschernden Plot. Man muss nicht immer wieder und alles mit „Limbo“ vergleichen. Doch in „Mad Fate“ gehen Konzept, Inhalt und Optik nie eine derart gekonnte Fusion ein, koexistieren eher nebeneinander. Und dadurch kann kein homogener oder sehr guter Film entspringen. Selbst wenn der „Marsch“ aus „Bridge on the River Kwai“ exzellent eingebunden wird und immer ins Ohr geht. Konfusion und „Zufall“ haben hier Konzept. Wenn man das nicht schluckt, dann wird’s sehr anstrengend und trocken. Kein schlechter Cocktail für mich dennoch.
Fazit: Quirliger Buddy-Mordfall-Comedy-Genremix mit interessanten Figuren, Wendungen und Ansätzen. Jedoch nicht sehr hübsch. Und zudem in keinem seiner Subgenres je richtig ohne Handbremse zu Gange. Dass man sich den Namen Soi Cheang merkt, daran ändert das jedoch null. Auch „Mad Fate“ macht Laune und ist eigen.
verweste im Residenz, Köln
30 Bewertungen auf f3a.net
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Bewertungen
Mad Fate
- Score [BETA]: 63
- f3a.net: 5.7/10 30
- IMDb: 6.8/10