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Review Metalhead

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Dieser Review enthält SPOILER!

Dauði Baldurs, mehr Drama als bei Graf Schnickschnack
von Jimmyjohnjamesmyer

Bei "Metalhead" hatte ich gleich zu Beginn die Erinnerung an "Hesher", der vor zwei Jahren auf dem FFF lief und ironischerweise auch den deutschen Alternativtitel "Metalhead" trägt. Beide Filme handeln von Familien, die im Verlust eines bei einem Unfall getöteten Angehörigen festhängen, beide Filme haben Metal-Soundtracks und nutzen den Metal-Lifestyle um Drama mit notwendigem Humor zu erleichtern und in diesem Fall den Umgang mit der Trauer zu verbildlichen.

Allerdings ist der Humor in diesem isländischen Film noch sparsamer eingesetzt als bei dem unterhaltsamen Herrn "Hesher", denn wo dieser noch durch übertriebene Coolness und destruktive Stunts glänzte, die den Frust der Trauernden erfrischend aufgebrochen haben, wirkt der Hauptcharakter hier eher nervtötend und künstlich provozierend mit seiner krampfig destruktiven Art.

Mein größtes Problem ist, daß der Film emotional komplett an mir vorbeigesegelt ist, denn wenn der Bruder des weiblichen Hauptcharakters Hera am Anfang stirbt, geschieht das ohne große Einleitung, ohne Aufbau und Klärung der Beziehung zwischen den beiden. Der unvermittelte und ziemlich überstürzte Wandel Heras zu einem Abziehbild ihres Bruders, das mit der beim Bruder entliehenen Musik und dem Image das bäuerliche Dorfleben schockieren will und besoffen Traktoren klaut oder die Schlachterei mit Metalsongs beschallt, wirkte daher auf mich komplett unnachvollziehbar. Durch die extrem krampfige Darstellung des Drama-Aspektes hat mich dann wirklich kaum was emotional in dem ganzen Film ansprechen können.

Im Prinzip sieht man einer Familie beim Trauern zu, wobei sowohl die Darstellung von Heras Revoluzzer-Experimenten als auch die stocksteife Darstellung ihrer Mutter, die ständig mit leerem Blick Fisch brät und aus dem Fenster in die Schneeeinöde glotzt, auf mich etwas sehr hölzern und gezwungen wirkte.

Nachdem Hera dem ganzen Dorf und ihrer Restfamilie so richtig gepflegt auf den Sack gegangen ist, taucht ein herziger neuer Pastor in der Dorfkirche auf und die Hardrock- und Heavy-Metal-Referenzen verschieben sich etwas zur nordischen Black-Metal-Szene. Nach einer wieder mal sehr steifen Einführung in die norwegische Szene via einem reingequetschten Bericht im Fernsehen wird als Reaktion auf eine verschmähte Schäferstunde durch den Pastor mit Iron-Maiden-Tattoo (Überraschung!) dann mal eben die Kirche abgefackelt, bevor Hera sich in eine einsame verschneite Berghütte zurückzieht. Da erscheint ihr dann ohne Scheiß ihr Bruder und alles wird knorke, da die Erkenntnis nun vor ihren Augen rieselt wie der Schnee in den endlosen Weiten der beeindruckenden isländischen Landschaften.

Ja, genau mit solchen Plattitüden glänzt dieser angeblich so tiefe Film, und derer gibt es einige. Die humoristischen Einlagen, wenn plötzlich ein paar nordische Black Metaller vorbeischauen um Heras in Eigenproduktion, vor blökenden Kühen eingespieltes, Black-Metal-Demo zu veröffentlichen während diese, Emo wie sie ist, schon lange wieder den Weg in die christliche Dorfgemeinde gefunden hat, sind sicher herzig. Man kann in dem ganzen Drama schon mal lächeln, wenn die 3 harten Jungs von Muttern am Küchentisch mit Snacks versorgt werden, wenn der Pastor seine Tätowierung entblößt oder wenn Hera ihren Marshall Amp im Kuhstall aufdreht und sich über die gesangliche Unterstützung der Muh-Kühe freut.

Aber die Metal-Referenzen wirken einfach nur halbgar, wenn Hera mit ihrem Lieblingspastor Rock’n’Roll-Klugscheisser-Trivial-Pursuit spielt oder wenn sie mal eben mit 3 Norwegern wild vor der Dorfgemeinde herumjamt und von einem Stil in den anderen improvisiert. Die Erzählweise des Filmes ist leider komplett unrund und die Handlungen der Akteure wirken eher zufällig als dramatisch. Das gipfelt dann auch in einem Finale, das den Eindruck bei mir noch verfestigt hat, daß mich "Metalhead" mehr an ein skandinavisches TV-Drama als an einen Film wie "Hesher" erinnert hat, bei dem am Ende wirklich kein Auge trocken blieb, während mir Heras unnachvollziehbare Zickereien die Augen irgendwann eher gen Armbanduhr wandern ließen.

Schade drum, der Film hatte wirklich charmante Momente, aber insgesamt kommt er nicht über die Mittelmäßigkeit hinaus. Da hilft auch die monumentale Landschaft nicht, die man ausgiebig im Film zelebriert.

Und daß der tote Metal-Bruder Baldur hieß und man keinen einzigen Burzum-Witz verwurstet hat, nehme ich der Kiste dann noch doppelt übel.

guckte im Savoy, Hamburg

50 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Metalhead
  • Score [BETA]: 79
  • f3a.net: 8.4/10 50
  • IMDb: 7.4/10
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-18 19:46

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