New Territories
von D.S.
Spannender Mystery-Thriller mit LOST-Touch und starker politischer Botschaft – der ebendiese aber vielleicht ein Stück zu wichtig nimmt, um erzählerisch über die gesamte Strecke überzeugen zu können.
Dass am Ende des Films viele Fragen offenbleiben, wurde in vorherigen Reviews bereits mehrfach erwähnt. Zum Teil könnte das damit zusammenhängen, dass THE MIDNIGHT AFTER seine Story schlicht nicht bis zum Ende erzählt. Ob der Online-Roman, auf dem er basiert, hier buchstäblich weiter geht, weiß ich nicht – allerdings habe ich gehört, dass Fruit Chan eine Fortsetzung seines Films plant, um den weiteren Verlauf des Geschehens zu erzählen.
Auch bei mangelnder Rätsellösungsbefriedigung wird dem Mystery- und Endzeitstimmungsfreund hier aber einiges geboten, das den Film unbedingt sehenswert macht. In erster Linie ist das natürlich die Handlung, die 17 Fremde (darunter der von Suet Lam gespielte Fahrer und ein von Simon Yam verkörperter alternder Ex-Gangster) von einer Minute auf die nächste in ein verstörendes, apokalyptisches Szenario wirft: Spätnachts sind sie in einem Minibus unterwegs von Hong Kongs Nightlife-Zentrum Mongkok in den im Nordosten gelegenen Distrikt Tai Po, Teil der „New Territories“. Als sie den Lion Rock Tunnel durchfahren, geschieht etwas Unerklärliches – das sie in diesem Moment aber noch nicht bemerken: Alle Menschen in der Welt um sie herum verschwinden. Zwar funktionieren die Telefonnetze noch, aber es ist niemand mehr da, um den Hörer abzunehmen. Und auch sonst erweckt ganz Hong Kong auf den ersten Blick den Eindruck, als sei alles in Ordnung. Nur ist es eben komplett leer. Was für tatsächlich beeindruckendes Bildmaterial sorgt...
Oder sind es vielleicht gar nicht die anderen, die verschwunden sind, sondern vielmehr die Leute im Minibus? Sind sie womöglich bei einem Unfall gestorben und erleben nun als Geister ihren persönlichen Alptraum? Was THE MIDNIGHT AFTER hoch anzurechnen ist, ist sein Durchspielen genau solcher Fragen durch seine Protagonisten. Endlich einmal haben wir es nicht mit geistlosen Gestalten zu tun, die nicht mal auf die unter anderem durch Popkulturkonsum naheliegendsten Erklärungsmöglichkeiten kommen. Nein, unsere Protagonisten entwickeln zahlreiche unterschiedliche Theorien über das, was vorgefallen ist, und unternehmen mitunter sogar logisch wirkende Schritte, um sie zu überprüfen. Großen Nutzen ziehen sie daraus allerdings nicht – die Situation bleibt vollkommen rätselhaft. Und dann gewinnt sie auch noch wachsend bedrohliche Züge, als sich eine infektiöse Krankheit bemerkbar macht und aus dem Augenwinkel merkwürdige Gestalten wahrgenommen werden können...
Zwischenzeitlich führen ein paar ausufernde Dialogsequenzen zwar zu kleineren Längen, einige Figuren neigen zudem zu HK-Film-typischen Überreaktionen, und 17 Menschen sind vielleicht auch eine Spur zu viele, um ihnen allen das nötige Maß an Interesse zukommen lassen zu können. Der wilde Mix aus Untergangsatmosphäre, Gewalt, Humor und Rätsel Rätsel Rätsel kann insgesamt dennoch enorm fesseln.
Ab einem gewissen Punkt wird das politische Anliegen des Films für meinen Geschmack jedoch zu deutlich in den Fokus gerückt. Es geht dabei um die 2017 stattfindende Wahl des nächsten Regierungschefs der Sonderverwaltungszone Hong Kong und die düsteren Perspektiven, die viele Intellektuelle darin ausmachen. Denn wer auch immer es werden wird: man muss davon ausgehen, dass die Freiheiten eingeschränkt und die Ankopplung an China intensiviert werden wird.
Die Kritik an diesem bevorstehenden Ereignis durchdringt letztendlich die Handlung von THE MIDNIGHT AFTER und führt dazu, dass ihre schlüssige Fortführung einem möglichst unübersehbaren Statement geopfert wird. Vor der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China 1997 thematisierten zahlreiche Filme aus Hong Kong ähnliche Sorgen – allerdings auf wesentlich subtilere, sich ihrer jeweiligen Story unterordnende Weise.
Spätestens in seinem letzten Drittel schwächelt Fruit Chans Werk aus meiner Sicht so, verspielt einen Teil des Publikumsinteresses. Was bleibt, ist aber immer noch stark genug, um den Film zu einem der besten, spannendsten des FFF 2015 zu machen. Gute 7 Punkte von mir. Ich hoffe auf eine Fortsetzung.
Dass am Ende des Films viele Fragen offenbleiben, wurde in vorherigen Reviews bereits mehrfach erwähnt. Zum Teil könnte das damit zusammenhängen, dass THE MIDNIGHT AFTER seine Story schlicht nicht bis zum Ende erzählt. Ob der Online-Roman, auf dem er basiert, hier buchstäblich weiter geht, weiß ich nicht – allerdings habe ich gehört, dass Fruit Chan eine Fortsetzung seines Films plant, um den weiteren Verlauf des Geschehens zu erzählen.
Auch bei mangelnder Rätsellösungsbefriedigung wird dem Mystery- und Endzeitstimmungsfreund hier aber einiges geboten, das den Film unbedingt sehenswert macht. In erster Linie ist das natürlich die Handlung, die 17 Fremde (darunter der von Suet Lam gespielte Fahrer und ein von Simon Yam verkörperter alternder Ex-Gangster) von einer Minute auf die nächste in ein verstörendes, apokalyptisches Szenario wirft: Spätnachts sind sie in einem Minibus unterwegs von Hong Kongs Nightlife-Zentrum Mongkok in den im Nordosten gelegenen Distrikt Tai Po, Teil der „New Territories“. Als sie den Lion Rock Tunnel durchfahren, geschieht etwas Unerklärliches – das sie in diesem Moment aber noch nicht bemerken: Alle Menschen in der Welt um sie herum verschwinden. Zwar funktionieren die Telefonnetze noch, aber es ist niemand mehr da, um den Hörer abzunehmen. Und auch sonst erweckt ganz Hong Kong auf den ersten Blick den Eindruck, als sei alles in Ordnung. Nur ist es eben komplett leer. Was für tatsächlich beeindruckendes Bildmaterial sorgt...
Oder sind es vielleicht gar nicht die anderen, die verschwunden sind, sondern vielmehr die Leute im Minibus? Sind sie womöglich bei einem Unfall gestorben und erleben nun als Geister ihren persönlichen Alptraum? Was THE MIDNIGHT AFTER hoch anzurechnen ist, ist sein Durchspielen genau solcher Fragen durch seine Protagonisten. Endlich einmal haben wir es nicht mit geistlosen Gestalten zu tun, die nicht mal auf die unter anderem durch Popkulturkonsum naheliegendsten Erklärungsmöglichkeiten kommen. Nein, unsere Protagonisten entwickeln zahlreiche unterschiedliche Theorien über das, was vorgefallen ist, und unternehmen mitunter sogar logisch wirkende Schritte, um sie zu überprüfen. Großen Nutzen ziehen sie daraus allerdings nicht – die Situation bleibt vollkommen rätselhaft. Und dann gewinnt sie auch noch wachsend bedrohliche Züge, als sich eine infektiöse Krankheit bemerkbar macht und aus dem Augenwinkel merkwürdige Gestalten wahrgenommen werden können...
Zwischenzeitlich führen ein paar ausufernde Dialogsequenzen zwar zu kleineren Längen, einige Figuren neigen zudem zu HK-Film-typischen Überreaktionen, und 17 Menschen sind vielleicht auch eine Spur zu viele, um ihnen allen das nötige Maß an Interesse zukommen lassen zu können. Der wilde Mix aus Untergangsatmosphäre, Gewalt, Humor und Rätsel Rätsel Rätsel kann insgesamt dennoch enorm fesseln.
Ab einem gewissen Punkt wird das politische Anliegen des Films für meinen Geschmack jedoch zu deutlich in den Fokus gerückt. Es geht dabei um die 2017 stattfindende Wahl des nächsten Regierungschefs der Sonderverwaltungszone Hong Kong und die düsteren Perspektiven, die viele Intellektuelle darin ausmachen. Denn wer auch immer es werden wird: man muss davon ausgehen, dass die Freiheiten eingeschränkt und die Ankopplung an China intensiviert werden wird.
Die Kritik an diesem bevorstehenden Ereignis durchdringt letztendlich die Handlung von THE MIDNIGHT AFTER und führt dazu, dass ihre schlüssige Fortführung einem möglichst unübersehbaren Statement geopfert wird. Vor der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China 1997 thematisierten zahlreiche Filme aus Hong Kong ähnliche Sorgen – allerdings auf wesentlich subtilere, sich ihrer jeweiligen Story unterordnende Weise.
Spätestens in seinem letzten Drittel schwächelt Fruit Chans Werk aus meiner Sicht so, verspielt einen Teil des Publikumsinteresses. Was bleibt, ist aber immer noch stark genug, um den Film zu einem der besten, spannendsten des FFF 2015 zu machen. Gute 7 Punkte von mir. Ich hoffe auf eine Fortsetzung.
glotzte im Cinestar, Frankfurt
49 Bewertungen auf f3a.net
Zurück
Bewertungen
The Midnight After
- Score [BETA]: 59
- f3a.net: 6.2/10 49
- IMDb: 5.6/10