s Old People (2022) Review - Fantasy FilmFest Mobil
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Reviews Old People

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Reviewer

Herr_Kees * 2.5

Night of the Almost Dead

Es steht nicht gut um den deutschen Genrefilm. Die herausragenden Beiträge kann man an einer Hand abzählen, die passablen an der anderen. Andy Fetschers URBAN EXPLORER von 2011 gehörte zumindest noch zu letzterer Kategorie. Seitdem inszenierte er fürs deutsche Fernsehen SOKO und Tatort. Und jetzt das hier für Netflix.

Man weiß gar nicht, wo man bei OLD PEOPLE mit der Kritik anfangen soll, denn der Film zerlegt sich eigentlich von Anfang an selbst, es wird quasi kein Klischee ausgelassen.

Bereits in den ersten Minuten, einer Hochzeit auf dem Lande, inszeniert mit permanent umherwirbelnden Blüten wie die halbfetteste Margarinereklame aller Zeiten, wird das kleine Kind mit dem Asthmainhalator eingeführt (den wird er brauchen, bei dem Pollenflug), es wird völlig unzusammenhängend ein Geheimgang erwähnt (ob der wohl später nochmal wichtig wird? hmm …), der Ex-Mann mit neuer Freundin ist ebenso präsent wie die Eifersucht derselben auf die Ex-Frau und auch einen Krankenpfleger, der sich wie ein Gefängniswärter aufführt, lernen wir kennen (ob der wohl noch lange mitspielt? hmmm …).

Kurz: Man kommt schon in der ersten Viertelstunde aus dem Kopfschütteln und Augenrollen kaum noch raus. Und dann geht es erst richtig los. Hatte ich schon den „Familiensong“ erwähnt? Das häufig bemühte Bild vom Autounfall, von dem man den Blick einfach nicht abwenden kann? Passt hier wie die Sauerstoffflasche aufs Auge.

Aber nicht allein, dass Fetscher hier eine Granatengurke abgeliefert hat, er betreibt zudem noch „Oldsploitation“. Denn die älteren Damen und Herrschaften werden hier rein auf ihren Ekelfaktor reduziert, zahnlos, mit eitrigen Füßen, schleimigem Atem und irrem Blick. Und dazu werden kurz mal plakative Alibi-Parolen von Pflegenotstand und „Ehret Eure Alten“ abgesondert. Zynischer geht es kaum.

Ein Vorschlag zur Ehrenrettung des deutschen Genrefilms: Macht gleich eine Parodie draus. Es fehlt nicht viel, wirklich. Schneidet ein bisschen um, legt eine andere Musik drunter, mischt ein paar Outtakes dazu und vielleicht noch das eine oder andere lustige Geräusch – fertig. Und dann bringt ihr ihn einfach auf Netflix unter einem anderen Namen raus, kostenfreier Titelvorschlag siehe oben – gern geschehen.

war im EM, Stuttgart

Leimbacher-Mario * 3.5

Der ganz normale Alltag unserer Pflegekräfte

Old People“ war die Tage schon auf dem Fantasy Filmfest zu sehen, wird bald auf Netflix veröffentlicht und dort vom internationalen Mainstream sicher weniger verrissen als beim nischigeren, anspruchsvolleren Expertenpublikum beim Festival. Welcher Seite ihr euch anschließt, sei mal dahingestellt und euch überlassen. Dennoch möchte ich von meiner Seite aus schonmal eine eindringliche Warnung aussprechen - für einen der schlechteren „Horrorfilme“ des Jahres und einen weiteren Vertreter „deutscher Genrefilm“, der einfach unter aller Sau, extrem billig und unfreiwillig komisch daherkommt, den man nahezu nur gut angetrunken und als Horrorkomödie ansehen kann. Wenn überhaupt. Denn ernst nehmen sich die Macher total - fallen damit aber ein ums andere Mal brutal auf den Kopf. Erzählt wird nahezu ohne Einführung, Grund oder Prolog von alten Menschen (auf dem Papier nicht unrealistisch, meist ohne Familie, Zuneigung, Pflege oder Hilfe), die plötzlich nahezu tollwütig und vom Teufel besessen austicken und sich aggressiv zur Wehr setzen. Dabei gerät dann eine kitschig-gestellte Hochzeit nebenan zu einem der ersten Ziele …

„Ist man zu deutschen Genrefilmen als Kenner und Fan solcher Ware strenger?“. Diese Frage steht (gerade etwa auf dem Fantasy Filmfest) immer wieder im Raum. Sie ist berechtigt und wohl nicht selten mit Ja zu beantworten. Wir kennen unsere Pappenheimer, unsere Sprache, Traditionen und Schwächen einfach am besten. Aber ein Teil wie „Old People“ könnte glaube ich aus dem exotischsten Land der Welt kommen - einen Blumentopf würde man damit bei niemandem und nirgends gewinnen. Aber natürlich unterstützt Andy Fetschers gut gemeinte, aber schlecht gemachte „Warnung an die Gesellschaft“ ebenso etliche deutsche Klischees und Kritikpunkte, die uns Genreheads bei minderwertigen Produktionen aus unserer Heimat einfach immer wieder mit den Ohren schlackern lassen. Diese goldene Beleuchtung, diese gestelzten Theaterdialoge, dümmliches Kopieren viel besserer Vorbilder, schwache, soapige Darsteller, platte Message, unfreiwillig komische Ausrutscher, eigentlich gute Themen, die einfach viel bessere Filme verdient hätten. Dabei will ich beileibe nicht alle deutschen Genreausflüge über einen dreckigen Kamm scheren. „Schneeflöckchen“ oder „Der Nachtmahr“ nenne ich immer gerne als rühmliche Ausnahmen der letzten Jahre. Aber bei „Old People“ kommen einfach mal wieder all diese deutschen Kardinalsfehler gehäuft bis massig vor. Und dann kann man ihn irgendwann einfach, wenn überhaupt, nur noch als Horrorkomödie angucken. Und das kann in kaum einem Sinne sein - erst recht nicht bei dem lobenswerten Tenor und Thema, nach dem sich ein Romero ebenfalls die Finger geleckt hätte. Nur hätte er es eben (selbst an seinen schlechtesten Tagen) noch um ein Vielfaches besser gemacht als dieser güldene Schauer zwischen Kasperletheater, Gesellschaftskritik und Familienschmonzette. Hier passt wenig zusammen. Und ich bin wie gesagt gespannt, ob der demnächst auf Netflix ebenso aufgenommen wird oder doch ein gnädigeres Publikum (vielleicht an einem Freitagbierabend) findet. Ich hoffe eigentlich nicht. Denn sowas darf man, wenn's nach mir geht, gerne untern Tisch kehren, das muss uns nicht international vertreten. Nein nein. Til Schweiger könnte es kaum schlechter - und das will was heißen!

Fazit: Unfreiwillig komische „The Crazies“-Variation, deren ehrenwertes Thema einen viel besseren Genrevertreter verdient gehabt hätte. Grossvatergürkchen. Zwischen Hanuta-Werbung, Rosamunde Pilcher und unbeholfenem Zitat an Romero. Nahe an grottig. In richtiger Gesellschaft kann man aber vielleicht eine feuchtfröhliche Zeit haben - aber eben auf Kosten des Films, nicht mit ihm.

war im Residenz, Köln

D.S. * 4.0

Es ist deutsch in Altland

Ja, vielen Senior:innen auch hierzulande geht es schlecht, sie dämmern einsam in Verwahranstalten vor sich hin und werden von ihren Nachkommen bedenklich vernachlässigt. Ja, das ist nicht schön. Nein, Zustände wie die hier gezeigten lassen sich in realen deutschen Rentnerresidenzen ziemlich sicher nicht vorfinden. Nein, es ist deshalb keine gute Idee, eine derartige fiktive Situation nicht nur als Aufhänger für eine Horrorfilmhandlung zu benutzen, sondern dem unschuldigen Publikum außerdem ein ums andere Mal ins Hirn zu hämmern, dass es sich für sie schämen solle und „die Alten“ verraten habe – ach was, den Wert der Familie als solcher nicht mehr zu würdigen wisse.

Auch, wenn er in manchen Punkten kaum vom internationalen Zombiefilm-Durchschnitt zu unterscheiden ist, ergeht sich Andy Fetschers OLD PEOPLE im Kern doch im deutschesten aller Genres: dem erhobenen Zeigefinger. Sensationell plump wird hier an das schlechte Gewissen, an Betroffenheit appelliert, sodass der Film sich in Gänze fast mehr wie ein moralinsaurer Spendenaufruf eines Altenpflegeverbandes anfühlt als wie ernstgemeinte Genre-Unterhaltung. Auch, wenn man Subtilität vom deutschen Film ohnehin nicht gewohnt ist: Das stößt übel auf; insbesondere, da das Hohelied der Familie hier auch unabhängig von der Senioren-Thematik so schrill angestoßen wird, dass konservative Untertöne kaum zu überhören sind. In OLD PEOPLE sind nämlich nicht nur die „armen Alten“ heilig, auch die Ehe ist es – es gnade dir Gott, wenn du dich von deinem Partner/deiner Partnerin trennst, du Kinder-Unglücklichmacher!

Das Unheil fängt hier allerdings schon viel früher an, direkt nach dem düsteren Einstieg nämlich, in dem eine offenkundig engagierte Pflegekraft zum Opfer eines Opa-Zombies wird und wir einen Blick auf großflächig ausbrechende apokalypsenartige Zustände erhaschen. Protagonist:innen, die von einem leichten Weichzeichner und einer schwer eindimensionalen Figurenzeichnung zu bloßen aalglatten Oberflächen reduziert werden, strahlen in einem fort halbdebil um die Wette – mit einem hochglanzpolierten Lächeln, das es mit allen Exzessen der Zahnpastareklame locker aufnehmen kann. Nicht eine Sekunde lang wirkt auch nur eine:r von ihnen auch nur ansatzweise glaubwürdig bzw. authentisch, was sicherlich auch den schamerweckend hölzernen Dialogen („Ich hab dich lieb, große Schwester“) sowie vor allem den schauspielerischen Leistungen geschuldet ist, die niedrigstes deutsche-Soap-Opera-Niveau haben. Die beiden Kinder der im Mittelpunkt der Handlung stehenden Familie fallen dabei besonders negativ auf. Klar, von Kindern kann man nicht unbedingt höchste Kunst erwarten, aber das tut schon weh. Fast so sehr wie ihr „Familien-Lied“, das sie im Auto auf dem Weg zur Hochzeit der Schwester bzw. Tante singen und das wir im Filmverlauf noch mehrfach ertragen müssen: Eine kitschige Ost-Hymne der Band „City“. Brrrr.

Ohne Übertreibung, diesen glattpolierten, widerlich dauerfröhlichen Wesen möchte man am liebsten eins überziehen – zum Glück übernehmen das dann alsbald ein paar der aus ungeklärten Gründen in mordlüsterne Aggressivität verfallenden Hochbetagten aus dem Altersheim in der Nachbarschaft. Als diese Stufe der Handlung erreicht ist, bessert sich das Filmerlebnis eindeutig. Zwar wirken die Alten wie kaum etwas anderes als der handelsübliche Zombie oder anderweitig obskur Infizierte (man denke an THE SIGNAL), zwar ist auch hier in der Inszenierung stumpf Trumpf und es wird kein Klischee, kein Holzhammer ausgelassen (man achte etwa auf den uuuuunglaublich originellen Score), aber es stellt sich doch immerhin phasenweise ein wenig Atmosphäre, Beklemmung, gar Ekel ein. Auch die wenigen Gewalt-/Splatterszenen bieten angenehme Härte.

Der Horroranteil des Films bietet somit zwar nichts Neues oder Herausragendes, ist jedoch zumindest akzeptabel umgesetzt und stellenweise effektiv. Dummerweise macht dieser Anteil jedoch maximal die Hälfte der Laufzeit aus, und der Rest ist wirklich kaum erträglich. Das gnadenlos kitschige Ende macht es partout nicht besser.

Insgesamt gibt’s von mir dafür 4 Punkte, und das ist eher gnädig. Ein Quasi-Zombiefilm mit peinlich penetranter Message, auf die man am liebsten mit „Ok, Boomer“ antworten möchte.

staunte im Harmonie, Frankfurt

23 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Old People
  • Score [BETA]: 43
  • f3a.net: 4.3/10 23
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 21:02

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