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Review The Priests

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Schwanzloser Kastrat
von D.S.

Der allgemeine Fresh-Blood-Favorit THE PRIESTS lässt mich ziemlich gespalten zurück. Denn er macht einiges sehr richtig, hat atmosphärisch äußerst intensive Sequenzen, eine gelungene Bildsprache und ein paar beeindruckende Schauwerte zu bieten – gleichzeitig aber auch häufige narrative Ziellosigkeit, zahlreiche, zum guten Teil wohl unfreiwillige, Albernheiten sowie keinerlei inhaltliche Neuigkeiten. Dafür jedoch eine Handlung, welche das Selbstverständnis von Teilen der christlichen Kirche letztendlich niemals wirklich hinterfragt, im Gegenteil ihre Position kritiklos untermauert – das macht für mich zumindest erhebliche Punktabzüge unvermeidlich.

Dass Geschichten rund um das Thema Besessenheit und Exorzismus durchaus das Potential für Zwischentöne und kritische Gedanken zur organisierten Religiosität haben, bewiesen etwa DER EXORZISMUS VON EMILY ROSE oder, weit weniger subtil und gelungen, in jüngerer Zeit THE VATICAN TAPES. THE PRIESTS dagegen taucht fast exklusiv ins erzkatholische Mystik-Narrativ ein: Es gibt das pure Böse, manchmal ergreift es in der Form eines von zwölf Dämonenwesen Besitz vom Körper eines Menschen, nur Glaubenskrieger der reinsten Sorte können es von dieser Welt vertreiben. Dass einer der vorgeblich reinsten, stärksten von ihnen, der von Kim Yun-seok (THE CHASER) gespielte „Vater Kim“, als gerne mal vulgärer, rauchender und saufender Rebell gezeichnet wird: geschenkt. Entscheidend ist hier sein niemals wankender christlicher Glaube, der bei ihm als Rosenkreuzer besonders kämpferisch ausgeprägt ist – und vom Film ohne mit der Wimper zu zucken abgefeiert wird.

Ja, sein Lehrling Choi (Kang Dong-won, DUELIST), der ihm von der Diözese eigentlich vorrangig auf den Leib gehetzt wurde, um seine Exorzistentätigkeit als Scharlatanerie zu entlarven, hat Zweifel. Aber obgleich seine Figur eigentlich die Hauptperson der Filmhandlung ist, werden diese Zweifel vom erzählten Geschehen wie nebenbei hinfort gewischt. Der "Ungläubige" wird quasi alternativlos zum Ultra-Gläubigen; die filmische Perspektive rückt sein Akzeptieren und Adaptieren der Positionen des wissenden Lehrmeisters und damit seine Konversion zur echten, ultraorthodoxen Religiosität konsequent in den Mittelpunkt des Dramas. Passend, dass der Jungspund in einer wirklich amüsanten (damit atmosphärisch allerdings natürlich absolut kontraproduktiven) Montage als Slacker eingeführt wird und seine Hintergrundgeschichte offenbart, dass ihn eigentlich nicht korrekt christliche Motive zur Priesterkarriere gedrängt haben.

Ob das alles bewusst so erzählt wird, sei dahingestellt. Aber, brrrrr: im Kern betreibt THE PRIESTS darüber ganz einfach Christen-Propaganda in Reinkultur. Je nach persönlicher Disposition kann man darüber allerdings natürlich auch hinwegsehen, und dann wird man Zeuge einer Exorzismus-Story der ganz klassischen Sorte, die im Score sogar das "Tubular Bells"-Motiv von DER EXORZIST zitiert. Die Sequenzen, die sich um die Austreibung eines besonders heimtückischen, bösartigen Dämons aus dem Körper eines jungen Mädchens drehen, sind dabei ausnehmend gelungen inszeniert: Geprägt von düsterer, ernsthaft bedrohlicher Atmosphäre und interessanter Motivik stellen sie uns einen übernatürlichen Menschenfeind vor, der über allerhand sinistre Fähigkeiten verfügt und mit dem definitiv nicht zu spaßen ist. Interessanterweise ist eine der vielen Zungen, mit denen der Dämon finster spricht, Deutsch. Und mit dieser denunziert er unter anderem Johann Sebastian Bach als "schwanzlosen Kastraten" – what the Fuck? :D

Dumm nur, dass es locker 50 Minuten dauert, bis die Erzählung erstmals diesen Aspekt der Handlung erreicht. Alles davor wird leider auch nicht etwa dem Aufbau von Atmosphäre gewidmet: Viel zu lange, überflüssig kompliziert erzählt und inhaltlich großenteils überflüssig, stehen stattdessen die inneren Hierarchien und Mechanismen der katholischen Kirche Koreas im Vordergrund, die Auswahl des Exorzisten-Lehrlings, sein Kennenlernen Kims – und sein Gassigehen mit einem niedlichen Ferkel. I kid you not.

Um Atmosphäre und Grusel kümmert sich THE PRIESTS erst spät – dann aber immerhin sehr nachhaltig. Im Finale schließlich wird das Tempo erhöht, die Spannungsschraube stark angezogen, man verfolgt das Geschehen auf der Leinwand nun zweifellos gebannt. Leider jedoch wirkt das zentrale Element der Handlung hier genauso zweifellos hochgradig lächerlich – statt angsteinflößend. Ich jedenfalls stand mehrfach kurz vorm Prusten.

THE PRIESTS ist über weite Strecken tadellos inszeniert, gerade in der Darstellerführung für ein Debütwerk erstaunlich souverän und vergleichsweise teuer aussehend. Phasenweise gelingt ihm zudem der Aufbau beeindruckender Intensität. Er verfügt allerdings auch über eine gehörige Portion Kitsch, nicht nur solchen der christlichen Sorte, und vertändelt eine Menge Erzählzeit ohne nennenswerten Effekt für Story-Nebensächlichkeiten. Inhaltlich Neues zu bieten hat er nichts, sein Exoten-Status kann dabei nur bedingt über seine bedenkliche christliche Botschaft hinwegtäuschen. Insgesamt ein zwiespältiges Werk – der verdammt coolen, bösartigen Exorzismus-Sequenzen wegen dann aber doch 6 Punkte von mir.

saß im Cinestar, Frankfurt

36 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

The Priests
  • Score [BETA]: 66
  • f3a.net: 6.8/10 36
  • IMDb: 6.3/10
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-20 14:52

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