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Review Psycho Raman

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Wie ein Schlag auf den Kopf
von Alexander

Die Zahl indischer Filmbeiträge auf dem Fantasy Filmfest der letzten Jahre konnte man gewiss an einer Hand abzählen. Wirklich gemocht habe ich sie trotz ihres Seltenheitswertes bislang nicht wirklich, zu kunterbunt und kindisch wirkten die mit zahlreichen Musik- und Tanzeinlagen unterspülten bonbonfarbenen Bollywood-Produktionen auf mich.

Dann kam dieser Film.

„Psycho Raman“ zieht den Zuschauer mit brachialer Gewalt tief in den brutalen, widerlichen, dreckigen Sumpf Bombays und zwingt uns Zuschauer dazu, Zeuge des Wirkens eines zutiefst dysfunktionalen Psychopathen zu werden.

Dass Indien ein zutiefst gespaltenes Land ist, dessen Gegensätze den unbedarften Besucher mehr irritieren als faszinieren dürften, wird jeder Tourist bereits kurz nach seinem ersten Besuch des Landes verstehen. Dass man an jeder Straßenecke als westlicher Tourist, abseits der in den von der Tourist-Administration ausgeteilten Reiseführern proklamierten, ausgetretenen Pfade dann auf seltsame Gestalten trifft, die den westlichen Besucher häufig mit den gleichen weit geöffneten Augen betrachten wie unsere Kinder kleine Äffchen im Zoo, ist selbst für weit gereiste Menschen dann häufig verstörend und auch ohne psychopathische Killer gruselig genug.

„Psycho Raman“ setzt dann exakt an dieser Stelle an und noch einen obendrauf.

In großartigen, satten Bildern folgen wir, in diesem wirklich für die ganz große Leinwand geschaffenen Film, dem Killer „Raman“, der scheinbar ziellos seine Kreise durch einen der schlimmsten Moloche des Planeten zieht und einen seltsamen Magnetismus gegenüber krumm geschmiedeten Eisenstangen entwickelt, um diese dafür zu nutzen, seinen Mitmenschen den Schädel einzuschlagen.

Dabei kommt auch „Psycho Raman“ nicht ohne die in indischen Filmen verschwenderisch genutzten, obligatorischen Musikeinlagen aus. Nur tanzen hier eben keine bunt bekleideten, hübschen Damen zu Bollywood-Tunes, sondern werden verstörend anmutende Szenen des Tötens mit grandiosen, indischen Popsongs vertont, deren Lyrics in genial-kranker Weise das Geschehene perfekt untermalen.

Das muss man natürlich aushalten können.

Aus den anfangs bereits tief beeindruckenden Geschehnissen entwickelt sich dann allmählich eine hammerharte und in mehrere zynische Kapitel unterteilte Geschichte, die uns abwechselnd am Leben und Wirken Ramans teilhaben lässt als auch an dem ihn jagenden Polizisten, einer nicht minder psychotischen Person, immer auf der Jagd nach dem nächsten Drogenkick und den ihm zu sexuellen Diensten bereit stehenden Frauen, deren bekannt problematische Situation innerhalb der indischen Gesellschaft in diesem Film noch zusätzlich eingearbeitet und betont wird. Dabei will „Psycho Raman“ natürlich keine echte Sozialkritik sein, schafft es mit zahlreichen Szenen und Dialogen aber trotzdem, Ankläger einer zutiefst verstörenden Gesellschaft zu werden.

Wirklich beängstigend sind dann auch weniger die Szenen, in denen Raman mit seinen Eisenstangen auf hilflose Opfer eindrischt, sondern die endlosen Kamerafahrten durch die versifften Slums Bombays, aus deren Labyrinth man als Zuschauer, ständig untermalt von einem schmerzhaft-passenden Soundtrack, nicht mehr herausfindet. Diese beeindruckenden Szenen werden nur noch durch die genauso anstrengenden wie faszinierenden Monologe Ramans getoppt, der den hilflosen Zuschauer immer wieder in Geiselhaft nimmt, wenn er von seinen verrückten Erlebnissen berichtet und seine wirren Ansichten verkündet.

Die Darsteller begeistern von der ersten Minute an, allen voran „Raman“, der mit seinem irren Blick und seinen verrückten Monologen eine Atmosphäre des Grauens schafft, die über die gesamte Spielzeit anhält. Man leidet mit den wunderhübschen Frauen mit, die in diesem brachialen Psychotanz nur Opfer und Randfiguren einer perversen Geschichte sein dürfen, die es in der gezeigten Intensität nur ganz selten auf dem FFF zu sehen gab ***SPOILER***und die in all ihrer genial komponierten Konsequenz ohne Happy End auskommt. Denn eine Erlösung wird es nicht geben. Für niemanden.

Für mich war „Psycho Raman“ eines der größten Highlights, die ich in 25 Jahren auf dem FFF sehen durfte. Grandios.

goutierte im Cinestar, Frankfurt

54 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Psycho Raman
  • Score [BETA]: 83
  • f3a.net: 7.3/10 54
  • IMDb: 7.6/10
  • Rotten Tomatoes: 100%
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-03-29 13:58

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