s Psycho Raman (2016) Review - Fantasy FilmFest Mobil
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Reviews Psycho Raman

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Reviewer

Fex * 8.5

Indianpsychos

Hier wird kein geschminktes Hochglanz-Bollywood-Kino geboten, bereits nach 5 Minuten geht es ab in die Slums von Bombay. Hier gibt es keine Tanzeinlagen, sondern ungeschminkten indischen Alltag mit Dreck, viel Dreck, in dem sich zwei richtige Vollpsychos begegnen, der eine ein Killer, der andere ein Cop, die sich allerdings nicht wirklich viel nehmen. Ein Film, der bereits nach wenigen Minuten anfängt richtig wehzutun, auch weil er sehr deutlich das wohl dort herrschende Frauenbild, das man aus vergangenen Presseberichterstattungen mittlerweile auch hier kennt, wie selbstverständlich darstellt, was wiederum dazu beiträgt, das ganze Geschehen immer mehr an die Schmerzgrenze des Zuschauers zu bringen. Ein Film, wie man ihn in dieser Art gerade aus Indien nie erwartet hätte, der aber in seiner konsequenten inszenatorischen Dichte, Gemeinheit und Härte doch richtig unter die Haut geht. Respekt. Wahrlich kein Werbefilm für Indienreisende.

war im Cinestar, Berlin

Edwinita * 8.5

Psycho-Killer made in India

Als ich dieses Jahr meine Filmauswahl traf, ließ mich der Trailer von Psycho Raman nicht los. Er war zwar nicht untertitelt, aber was der Hauptdarsteller von sich gab, wirkte so intensiv, dass mit dem Auftritt alles gesagt war.

Um eine spannende Geschichte zu erzählen, die einem in ihrer Dichte unter die Haut geht, bedarf es keines hochbegabten Serienkillers, der im amerikanischen Kino gerne zum Überwesen stilisiert wird. Noch braucht es einen hochmotivierten Workaholic in einem dieser unzähligen CSI-Labore, die mit unrealistisch futuristischer Technik ausgestattet sind. Die Figur Psycho Raman ist nicht intellektuell, er hat da so seine Defizite, aber das macht er mit Bauernschläue und Gerissenheit wieder wett. Der leitende Ermittler, sein Gegenspieler, ist ein arroganter Narzisst und nicht minder ein Psychopath. Beste Voraussetzungen für viel Gewalt, Blut und Leid. Und als Drittes bedarf es auch keiner strikt linearen Erzählweise. Puzzleteile, die man selber zusammenführen darf, machen einfach mehr Spaß, wenn es "klick" macht. Und noch mehr Spaß macht es, wenn der Film zum Schluss dem Genre noch eine neue Facette abgewinnt...

Es ist dieser äußerlich stinknormal wirkende Mann mit freundlichem Gesicht, der um einiges erschreckender, weil realistischer wirkt, wenn er unvermittelt in den Psychopathen-Mode umschaltet. Er zieht mit einem Radschlüssel bewaffnet durch eine häßliche, dreckige Stadt, die einen unsichtbar machen kann, wenn man es will. Ein Spiegel seiner selbst.

Der Film zeichnet ein nüchternes Bild abseits der Bollywood-Klischees, eine Gesellschaft mit ihren Problemen und einem noch problematischeren Frauenbild. Denn es bezahlen besonders die Frauen dafür - ja, wofür eigentlich -, dass sie einfach nur da sind.

Gerade merke ich, wie mir der Film noch in den Knochen steckt: Draußen hat jemand eine Eisenstange oder einen Radschlüssel? zu Boden fallen lassen - und mir gingen sofort hässliche Bilder durch den Kopf.... Gruselwusel... geiler Film!!!

war im Cinestar, Berlin

D.S. * 7.0

Raman Raghav 2.0

PSYCHO RAMAN war ursprünglich als Biopic über den realen indischen Serienmörder Raman Raghav geplant, konnte aus finanziellen Gründen aber nicht als solches umgesetzt werden. Stattdessen entschied man sich für die Umsetzung einer stark fiktionalisierten und in die Gegenwart des Jahres 2015 versetzten Version seiner Geschichte. Ohne viel über die tatsächlichen Geschehnisse zu wissen, glaube ich, dass diese Entscheidung zu einem – für ein nicht-indisches Publikum – interessanteren Film geführt hat. Denn so werden wir neben den brutalen, oft verstörend "nebenbei" ausgeübten Taten des Mörders noch mit einer weiteren, kaum weniger schockierenden Ebene des erzählten Falls konfrontiert – mit dem Gegenspieler, dem Jäger von Raman, den man ob seiner Verkommenheit und Niedertracht fast schon als seinen Bruder im Geiste betrachten kann.

Wie auch immer: PSYCHO RAMAN ist ein ausnehmend düsteres, unschönes Filmerlebnis, bei dem neben aller körperlichen Gewalt vor allem das unglaubliche Elend in den Slums von Mumbai heraussticht und vielleicht sogar schwerer im Magen liegt. Eine lebensfeindliche Umgebung, in der nur das Recht des Stärkeren zu zählen scheint, Skrupel oder gar Respekt vor der Würde anderer offenbar nicht allzu viel zählen.

Inszenierungsseitig beeindruckt der in acht Kapitel aufgeteilte Film durch seine dennoch nicht lineare, erfrischend direkte Narration sowie durch einen visuellen Stil, der uns tief ins Geschehen in den labyrinthartigen Gassen der Stadt hineinzieht. Getanzt wird glücklicherweise nur einmal, kurz, in einer Disco; gesungen aber doch des Öfteren – wenn auch nur im phasenweise erzählenden Soundtrack, der einige Male durch für westliche Ohren unpassend wirkende Dance-Songauswahl irritiert.

In seiner Gewalt und der dargebotenen Verachtung der Hauptfiguren gegenüber Frauen ist PSYCHO RAMAN harte Kost. Der Serienmörder tritt zudem wirklich wie ein waschechter Psycho auf, sein Handeln ist letztlich unerklärlich. Böse. Leider fand ich seinen Gegenspieler aber einfach nur abstoßend und die Konklusion der Story ein Stück zu platt und vorhersehbar. Sollte man trotzdem nicht verpassen – 7 Punkte.

war im Cinestar, Frankfurt

Herr_Kees * 7.0

Psycho Killer, quest-ce que c’est?

Ein ungewöhnlicher Film aus Indien, der gleich zu Beginn das klassische Bollywood zitiert, nur um sich in den folgenden zwei Stunden massiv davon abzusetzen. PSYCHO RAMAN zeigt das echte Indien, die verdreckten Straßen Bombays, die noch armseligeren Slums, die verwinkelten Häuser und die Menschen, die darin leben, arbeiten und – Verbrechen begehen. Story und Charaktere sind jedoch eher metaphorisch als realistisch angelegt: Hier geht es um das Böse, jedoch nicht in Form einer übergroßen Macht, sondern in der des verschlagenen, bösartigen und faszinierenden Mörders Raman Raghav (dessen Darsteller eine irritierende Ähnlichkeit mit dem sympathisch verpeilten Jake Johnson aus NEW GIRL aufweist) und seines Seelenverwandten, einem drastisch überzeichneten Macho-Cop. Das verleiht dem Film insbesondere gegen Ende ein wenig von der Aura eines SEVEN, auch wenn er dessen Spannung, Düsternis und Intensität nie erreicht. Explizit ist PSYCHO RAMAN übrigens nicht, dafür sorgen die strengen Auflagen der Regierung. Ein grausamer Film ist es dennoch geworden.

verweste im Metropol, Stuttgart

Leimbacher-Mario * 8.0

Bollywood ist tot, lang lebe Bollywood

Kein Wunder, dass der Film in Indien so schwer gegen Zensur & für seine Veröffentlichung kämpfen musste, ist er doch absolut das Gegenteil Bollywoods. Deftig, traurig, schonungs- & hoffnungslos - ein bitterböser Serienkillerfilm, in dem wir dem Killer erstaunlich, ungewöhnlich nahe kommen. Er ist unsere Hauptfigur & ihm, einem der fiesesten Film-Monster der letzten Jahre, so nahe zu sein, tut fast schon physisch weh.

Erzählt wird die Geschichte von Raman, der ein psychopathischer, geborener Killer ist & durch die Slums Bombays streift & scheinbar wahllos Männer, Frauen & Kinder mit seiner Eisenstange erschlägt. Außerdem verfolgen wir sein Gegenstück, einen Polizisten auf seinen Fersen, der jedoch auch nicht viel besser zu sein scheint. Ein teuflisches Katz-&-Maus-Spiel beginnt - das wir als Zuschauer faszinierend wie abstoßend zugleich finden. So tief hat man in die schwarze Seele von pur-bösen Menschen lange nicht mehr geschaut. Es tut weh, glaubt mir! Einen dicken Dank an das Fantasy Filmfest, wo man ihn auf großer Leinwand in Deutschland bewundern durfte. Dort gehört er eigentlich hin.

Die Connection zum echten Raman Raghev, der vor einigen Jahrzehnten seine blutige Spur durch Bombay zog, ist nur hintergründig angedeutet, untermauert das Gezeigte jedoch unangenehm, verleiht einen ohnehin jederzeit spürbaren Realismus. Unangenehm & schockierend sind die treffendsten Adjektive für diesen Thriller - ohne übermäßig Gore geht er trotzdem unter die Haut & so manch ein Bild, eine Szene oder Gesichtsausdruck bleibt tief sitzen in meinem Kopf & im Mark. Will man nicht, bleibt jedoch kaum aus. Vor allem der Darsteller des Raman spielt sein Killerding so eiskalt, zynisch & unmenschlich runter, dass man bei seinem charismatischen Monster ohne Zweifel von einer kommenden filmischen Killerlegende sprechen kann. Gleich neben John Doe, Hannibal oder Michael Myers. Legendär!

Das indische Kino hat man noch nie so schmutzig & europäisch düster erlebt - eine ganz neue, begrüßenswerte Seite. Ich hoffe, in dieser Art wird sich weiter vorgetastet, was natürlich Mut erfordert. Der in 8 Kapitel unterteilte Schocker hat seine Längen & nicht jedes eingestreute Lied spielt sich ins Gedächtnis europäischer Ohren, außerdem ist die grausame, nihilistische Ader offensichtlich nicht jedermanns Sache - ist er zu hart, bist du zu schwach. Doch insgesamt, vor allem auch wegen dem wirklich knarzend schwarzen Ende, bleibt dieses unangenehme Scheusal von Film hängen, rüttelt auf & macht nicht gerade Lust auf einen Indienurlaub. Das Land verliert, das Kino des Landes gewinnt. Vor allem gewinnt hier jedoch das Böse. Unkonventionell, psychoanalytisch wertvoll, schockierend. Betreten auf eigene Gefahr! Man könnte das Kino ähnlich paralysiert verlassen wie einige Opfer im Film.

Fazit: Erschlägt Bollywood mit seiner Eisenstange & hat Spaß dabei - das Teufelsduo von Bombay!

guckte im Residenz, Köln

ArthurA * 3.5

Scheitert an seinem Bad Lieutenant

Polizisten und Kriminelle sind sich überhaupt nicht unähnlich. Das ist der nicht gerade bahnbrechend innovative Standpunkt des Films, der sich angesichts der Lobeshymnen als eine bittere Enttäuschung herausstellte. Psycho Raman hat mit dem klassischen Bollywood tatsächlich herzlich wenig zu tun. Tänze und Gesang gibt es hier weit und breit nicht, auch wenn (untertitelte) Songs im Hintergrund bestimmter Szenen gezielt eingesetzt werden, um diese mit der Subtilität eines Vorschlaghammers zu ergänzen. Die Inszenierung des Films ist sehr energisch, mit einem sehr aggressiven Einsatz von Musik und grellen Bildern, und das indische Setting sowie die Verfolgungsszenen in den Slums bieten optisch immerhin eine Alternative zu den ähnlich gelagerten Filmen aus dem Westen.

Inhaltlich kann Psycho Raman leider wenig punkten. Die Dualität zwischen dem Jäger und dem Gejagten hätte interessant sein können, wenn beide Seiten der Gleichung ebenbürtig wären. Nawazuddin Siddiqui ist elektrisierend als Killer, der in Sekundenschnelle von einem unauffälligen Kerl zu einem kompletten Psychopathen umschwenkt. Eine Szene im ersten Filmdrittel, ***SPOILER***in der er seine potenziellen Mordopfer in deren Wohnung terrorisiert, ist das Highlight des Films. Leider verliert Psycho Raman ihn aber häufig aus den Augen und folgt Vicky Kaushals Junkie-Cop Raghav. Der Charakter bleibt bis zum Ende eine leere Hülle, auf die der Regisseur zwar seine Ideen projiziert, die aber nie wirklich von dem Charakter auszugehen scheinen. Wir erfahren herzlich wenig über Raghav. Er nimmt Drogen als gäbe es kein Morgen und ist ein komplettes Arschloch, das Harvey Keitels Bad Lieutenant geradezu engelsgleich wirken lässt. Doch sein Charakter und dessen Darsteller üben im Gegensatz zu seinem Gegenspieler (oder seiner zweiten Hälfte, wie der Film stattdessen postuliert) keinerlei Faszination aus. Stattdessen wird der Film jedes Mal zähflüssig, wenn wir Raghav dabei begleiten, wie er Frauen schlecht behandelt, sich zudröhnt oder seine Machtposition als Polizist ausnutzt. Zusätzlich bemüht sich der Film um eine Aussage über die Stellung der Frau im modernen Indien, versagt aber ironischerweise selbst dabei, irgendeine Frauenfigur in dem Film mit interessanten Attributen auszustatten. Sie sind hier lediglich Opfer, Mittel zum Zweck, die darauf warten, ausgenutzt oder getötet zu werden.

Erstveröffentlichung

glotzte im Residenz, Köln

Alexander * 10.0

Wie ein Schlag auf den Kopf

Die Zahl indischer Filmbeiträge auf dem Fantasy Filmfest der letzten Jahre konnte man gewiss an einer Hand abzählen. Wirklich gemocht habe ich sie trotz ihres Seltenheitswertes bislang nicht wirklich, zu kunterbunt und kindisch wirkten die mit zahlreichen Musik- und Tanzeinlagen unterspülten bonbonfarbenen Bollywood-Produktionen auf mich.

Dann kam dieser Film.

„Psycho Raman“ zieht den Zuschauer mit brachialer Gewalt tief in den brutalen, widerlichen, dreckigen Sumpf Bombays und zwingt uns Zuschauer dazu, Zeuge des Wirkens eines zutiefst dysfunktionalen Psychopathen zu werden.

Dass Indien ein zutiefst gespaltenes Land ist, dessen Gegensätze den unbedarften Besucher mehr irritieren als faszinieren dürften, wird jeder Tourist bereits kurz nach seinem ersten Besuch des Landes verstehen. Dass man an jeder Straßenecke als westlicher Tourist, abseits der in den von der Tourist-Administration ausgeteilten Reiseführern proklamierten, ausgetretenen Pfade dann auf seltsame Gestalten trifft, die den westlichen Besucher häufig mit den gleichen weit geöffneten Augen betrachten wie unsere Kinder kleine Äffchen im Zoo, ist selbst für weit gereiste Menschen dann häufig verstörend und auch ohne psychopathische Killer gruselig genug.

„Psycho Raman“ setzt dann exakt an dieser Stelle an und noch einen obendrauf.

In großartigen, satten Bildern folgen wir, in diesem wirklich für die ganz große Leinwand geschaffenen Film, dem Killer „Raman“, der scheinbar ziellos seine Kreise durch einen der schlimmsten Moloche des Planeten zieht und einen seltsamen Magnetismus gegenüber krumm geschmiedeten Eisenstangen entwickelt, um diese dafür zu nutzen, seinen Mitmenschen den Schädel einzuschlagen.

Dabei kommt auch „Psycho Raman“ nicht ohne die in indischen Filmen verschwenderisch genutzten, obligatorischen Musikeinlagen aus. Nur tanzen hier eben keine bunt bekleideten, hübschen Damen zu Bollywood-Tunes, sondern werden verstörend anmutende Szenen des Tötens mit grandiosen, indischen Popsongs vertont, deren Lyrics in genial-kranker Weise das Geschehene perfekt untermalen.

Das muss man natürlich aushalten können.

Aus den anfangs bereits tief beeindruckenden Geschehnissen entwickelt sich dann allmählich eine hammerharte und in mehrere zynische Kapitel unterteilte Geschichte, die uns abwechselnd am Leben und Wirken Ramans teilhaben lässt als auch an dem ihn jagenden Polizisten, einer nicht minder psychotischen Person, immer auf der Jagd nach dem nächsten Drogenkick und den ihm zu sexuellen Diensten bereit stehenden Frauen, deren bekannt problematische Situation innerhalb der indischen Gesellschaft in diesem Film noch zusätzlich eingearbeitet und betont wird. Dabei will „Psycho Raman“ natürlich keine echte Sozialkritik sein, schafft es mit zahlreichen Szenen und Dialogen aber trotzdem, Ankläger einer zutiefst verstörenden Gesellschaft zu werden.

Wirklich beängstigend sind dann auch weniger die Szenen, in denen Raman mit seinen Eisenstangen auf hilflose Opfer eindrischt, sondern die endlosen Kamerafahrten durch die versifften Slums Bombays, aus deren Labyrinth man als Zuschauer, ständig untermalt von einem schmerzhaft-passenden Soundtrack, nicht mehr herausfindet. Diese beeindruckenden Szenen werden nur noch durch die genauso anstrengenden wie faszinierenden Monologe Ramans getoppt, der den hilflosen Zuschauer immer wieder in Geiselhaft nimmt, wenn er von seinen verrückten Erlebnissen berichtet und seine wirren Ansichten verkündet.

Die Darsteller begeistern von der ersten Minute an, allen voran „Raman“, der mit seinem irren Blick und seinen verrückten Monologen eine Atmosphäre des Grauens schafft, die über die gesamte Spielzeit anhält. Man leidet mit den wunderhübschen Frauen mit, die in diesem brachialen Psychotanz nur Opfer und Randfiguren einer perversen Geschichte sein dürfen, die es in der gezeigten Intensität nur ganz selten auf dem FFF zu sehen gab ***SPOILER***und die in all ihrer genial komponierten Konsequenz ohne Happy End auskommt. Denn eine Erlösung wird es nicht geben. Für niemanden.

Für mich war „Psycho Raman“ eines der größten Highlights, die ich in 25 Jahren auf dem FFF sehen durfte. Grandios.

war im Cinestar, Frankfurt

meiklsan * 9.0

„SOULMATES“ - Raman findet seinen Raghav

First of all will ich hoffen, dass mein Review diesmal ausnahmsweise keinen Spoiler enthält? Liegt aber wahrscheinlich auch daran, dass ich meine Reviews normalerweise immer sehr frei und emotional nur aus dem Bauch und dem Auge heraus schreibe.

Second of all kommt mein Review deshalb diesmal bewusst etwas verspätet, weil ich diesen ungewöhnlichen Film doch etwas sacken lassen musste und wollte.

Und ich kann jetzt schon sagen, dieser Film hat definitiv eine sehr hohe Nachhaltigkeit, denn selbst nach 3 Tagen ist er noch immer nicht aus meinem inneren Auge verschwunden.
Das würde ich schon mal als erstes gutes Zeichen werten!
Erster Stern.

Des Weiteren muss ich vorweg schieben, dass ich ein Freund von gut konzipierten, durcherzählten und überraschenden Kriminalgeschichten bin (z.B. Memories of Murder oder Eyes of Crystal). Alle wichtigen Krimi-Attribute werden hier ebenfalls serviert, allerdings in frischer Art und Weise auf einer lecker indischen „Hot Plate“. Heiß, scharf, farbenfroh und manchmal für Europäer auch etwas ungenießbar.

Wie uns der Film gleich zu Beginn in den Anfangstiteln wissen lässt, ist dies keine Nacherzählung der original Serienkiller-Story aus den 60er-Jahren und unser Raman auch nicht der original Raman, sondern nur ein ebenso wahnwitziger Echtzeit-Nachahmer, der die Story quasi für sich kopiert hat und diese analog in der Jetzt-Zeit auslebt.
Seine Beweggründe dafür sind absolut haarsträubend und werden uns natürlich erst ganz am Ende offenbart, haben sogar durchwegs einen gewissen Bezug zur Realität, konzentrieren sich aber alleine und ausschließlich auf das gezielte Töten von wildfremden oder auch nahestehenden Menschen.

So weit, so unangenehm, wir haben hier also einen echt wahnsinnigen, minderbemittelten, aber bauernschlauen Serien- Killer am Start, einen in Outfit und Habitus quasi Standard-08/15 langweiligen, aber charismatischen indischen Mann, mit eben dieser ganz besonderen Leidenschaft zu töten, und weil es sich eben einfach anbietet, verwendet er am liebsten einen Auto-Radschlüssel oder ein ähnlich gebogenes Metall-Teil für seine Morde.
Aber keine Sorge, die reichlichen Einschläge werden meistens nicht explizit oder blutig in Szene gesetzt. Das Wissen alleine, dass es gerade in diesem Moment „off Kamera“ passiert, ist schon Horror genug!

Natürlich darf bei einer Kriminalgeschichte von diesem Kaliber auch nicht der passende ermittelnde Gesetzeshüter fehlen. JA, diesen gibt es natürlich auch, aber dieser junge attraktive indische „Gentleman“ ist nicht annähernd der Prototyp des gewöhnlich gepflegten seriösen Gegenparts! NEIN, hier kokst und vögelt sich ein widerlicher „Sunnycop“ mitten in die Geschichte rein, der mindestens genauso viele psychische Probleme hat wie unser Raman.

Pest trifft also auf Cholera und die Hatz durch Bombay ist eröffnet.

Das Tempo des Films stimmte während den über 2h immer, und der Film hat sich über diese lange Dauer dennoch absolut kurzweilig angefühlt.
Die Color-Correction vermittelte jederzeit ein farbenfrohes echtes Indien-Setting.
Der Sound ist bollybombastisch laut und Techno-Goa-Tripping bis hin zu thematisch intuitiv sarkastisch untermalten Melodien in den Mitten. Die echte Vorspann-Mucke hat mich aber absolut geflashed wie schon lange nicht mehr nach „Enter the Void“.

Die wundervoll gecasteten indischen Ladys sind sowas von exquisit hübsch, werden aber leider im Film meistens nur benutzt und schlimmstenfalls umgebracht, was für eine Schande!
Ein Stern Abzug.

Die tausend Lifestyle-, Hydration-, Multipex-, Media- und Merchandising-Partner im Vorspann fand ich übrigens sehr witzig! Wenn sie aber zu solch einem Ergebnis führen, dann sollte man sie wohl öfter ins Boot holen.

In Summe hat das indische Kino hier definitiv den Anschluss an das europäische, wenn nicht sogar internationale Krimi-Genre gefunden, vielleicht sogar überschritten und einen Meilenstein in der Filmgeschichte geschrieben!

Von mir fette 9 Punkte!

war im Cinestar, Frankfurt

landscape * 9.5

Dr. Jekyll and Mr. Jekyll

Schon der Einstieg mit den harten Schnitten und Überblendungen zur treibenden Mucke macht richtig Spaß, und bald folgt die einstudierte Bettelszene des eingesperrten Raman, der befreit werden will. Das gelingt, und er geht auf Pirsch...
In Vor- und Rücksprüngen, die sich leicht erschließen, geht es weiter. Raman sucht Raghev...

Zum Frauenbild: genauso, wie man wenig Sympathien für das Wesen, aber durchaus für das Äußere von Raman hegt, hatte ich Probleme mit dem Frauenbild, aber in einer Szene wird die Gewalt gegen die Frau mit dem laufenden Fernsehbericht über mehr Rechte für die Frau kontrastiert. Ich vermute, dass man in Indien Filme anders sieht und manches nur zwischen den Zeilen unterbringen kann.

Dass der Cop geschichts- und gesichtlos ist, habe ich auch so empfunden. Das wird nicht aufgelöst, wogegen Raman sehr feinteilig präsentiert wird - er bekommt wirklich viel Tiefe, seine Motivation wird sehr klar. Gute Handlungsführung einschliesslich des Schlusses, der den Film richtig schwarz macht.
Danke für diesen Film.

goutierte im Savoy, Hamburg

Frank * 6.5

Psychos

Das Label Rapid Eye Movies scheint seine Fühler in Richtung härterer Gewalt auszustrecken. Letztes Jahr durften wir den Gewaltausbrüchen eines Familienvaters in WORLD OF KANAKO beiwohnen. Dieses Jahr sind es die psychopathischen Ausbrüche des Serienkillers Raman.
Erleichternd, das die meisten seiner Taten im Off stattfinden, also nicht explizit gezeigt werden. PSYCHO RAMAN wirkt auch ohne diese bedrohlich genug, wenn der Killer seine Eisenstange hinter sich her schleifend durch Bombay zieht. Besonders die Szenen im Haus seiner Schwester und ihrem Sohn haben bei mir für Unwohlsein gesorgt.

Gezeigt wird ein dreckiges Indien in dunkleren und gesättigten Farbtönen. Nahezu jede positive Seite, Freude und Vergnügen werden ausgespart. Es gibt eine kurze Disco Szene und die Wohnung der Freundin des Cops erinnert an gepflegten Standard. Selten ein paar grüne Pflanzen. Soweit zu den Lichtblicken.
Anstelle derer dann Bilder von Slums, verwahrloste Hütten, dunkle Gassen, ein streunender Hund. Abgewrackt.

Abgewrackt sind auch die Charaktere. Doch in diesem wichtigen Punkt zweier sich eigentlich duellierender Kontrahenten versagt PSYCHO RAMAN, bleibt er ohne viel Substanz, versäumt es seine Hauptfiguren verständlich zu machen und vor allem Dynamik zwischen ihnen aufzubauen und eine fesselnde Dramaturgie zu entwickeln.

Was wirklich in Beiden vorgeht, geschweige denn wie sie zu dem geworden sind, erfahren wir nicht. Der Cop Raghav benimmt sich den ganzen Film über wie ein riesiges amoralisches Arschloch. Lediglich eine Szene und wenige vereinzelte Gesten deuten noch einen inneren Konflikt an. Raman hingegen ***SPOILER***"erklärt" seine Taten zwar am Ende und leugnet nicht, doch eigentlich erklärt das gar nichts. Er scheint jedes ethische Empfinden verloren zu haben.

Sie sind im Grunde beides Nihilisten ohne eigene Träume oder Wünsche, egal was sie behaupten. Vom menschlich sein haben sie sich beide verabschiedet, Raman mit der größeren Konsequenz.
Man kann sie als Opfer der Umstände - einer zerrütteten Kindheit oder des gesamten Zustandes eines Landes betrachten, am filmischen Erleben ändern diese Informationen bzw. Standpunkte nichts.
Vermutlich ging es dem Regisseur gar nicht darum die Gründe zu hinterfragen. Aber worum dann?

Für einen Psycho- oder Cop-Thriller mangelt es an Spannung und Interaktion zwischen den Kontrahenten. Er bleibt lediglich bedrohlich, das allerdings überzeugend.
Für bloße Schauwerte zeigt der Film ein bisschen zu wenig und scheint mir andererseits zu durchdacht.
Und für eine Psycho Studie wiederum geht er nicht tief genug und verfehlt es, wie oben erwähnt, eine plausible Dynamik zwischen den Kontrahenten aufzuzeigen.
Man kann sich daher zumindest fragen, ob am Ende doch nur eine Skizze übrigbleibt, die evtl. besser zu einer Doku bzw. einem Biopic verarbeitet worden wäre.

Von Raman Darsteller Nawazuddin Siddiqui geht zumindest eine gleichermaßen verunsichernde wie faszinierende Ausstrahlung aus.
Den Cop Raghav hingegen fand ich als Antagonisten schwach. Es ist keine klare Absicht in ihm erkennbar Raman zu stellen. Sie sind sich zu ähnlich und das erzeugt nun mal keine Spannung.
Diese muss der Film allein aus dem unterschwelligen Bedrohungsszenario, den umschlagenden Stimmungen von Raman und dem fantastischen, luftig-druckvollen Disco-Pop Soundtrack generieren. Wirkungsvolle Mittel, aber leider nicht effizient genug um den Film richtig gut werden zu lassen.

Dass man sich außerdem nicht in der Lage sah ein stärkeres Frauenbild zu kreieren, das nicht nur Opfer ist oder sich zumindest kämpferischer verhält, sehe ich ebenfalls als Manko. Die Szene mit dem Fernsehbericht für Frauenrechte halte ich für eine sehr bequeme, unzureichende Lösung.

Fazit

Dreckig und düster, zynisch bis nihilistisch, bedrohlich mit gutem Soundtrack aber weitgehend spannungsfrei auf der Ebene der Kontrahenten - dem Duell zweier Männer - und damit der für diesen Film meiner Meinung nach wichtigsten Komponente. Daher nicht wirklich gutes Entertainment. Darüber hinaus in seinem nihilistischen Grundcharakter nicht so ganz mein Ding. Musik, Bild Gestaltung und die Darstellung des Raman gefielen mir jedoch gut - dafür lege ich ein bisschen was drauf - und verhindern ein Abrutschen unter 6 Punkte. Knappe 6,5 Pkt.

goutierte im Savoy, Hamburg

54 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Psycho Raman
  • Score [BETA]: 83
  • f3a.net: 7.3/10 54
  • IMDb: 7.6/10
  • Rotten Tomatoes: 100%
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 19:38

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