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Review Rapt

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Menschen, Geld, Moral
von D.S.

Ein schwerreicher, vergleichsweise junger Industrieller, eine bedeutende Persönlichkeit Frankreichs, wird entführt. Von skrupellosen Gangstern, die es ernst meinen. Die ihm als erstes einen Finger abschneiden und ihn auch ansonsten wie Dreck behandeln - ihn, der bislang nur die Sonnenseite des Lebens kennengelernt hatte, der seinen Reichtum vom Vater geerbt hat und wie jener bislang die Rolle des mondänen Playboys bis zum Exzess ausgelebt hatte.

Sowohl seine Familie als auch die Vorstandsmitglieder der von ihm geleiteten Firma sind zunächst einmal vollkommen geschockt und sind sich einig, dass alles getan werden muss, um ihn wieder frei zu bekommen. Gegen den Rat der Polizei legt man sich deshalb auch sofort darauf fest, die Lösegeldsumme zu bezahlen, sowie sie gefordert wird. Was bald passiert. Nur leider ist sie um einiges höher, als man erwartet hatte - und, wie sich herausstellt, auch um einiges höher als das verbliebene Privatvermögen des Entführten.

Nun ändern sich die Einstellungen der Beteiligten nach und nach. Es scheint, als wäre man bald vor allem daran interessiert, selbst möglichst schadlos aus der Affäre herauszukommen. Vor allem, als über die Klatschpresse Woche für Woche neue, pikante Details aus dem ganz privaten Leben unseres Protagonisten bekannt gegeben werden. Und seine engsten Vertrauten auf einmal feststellen müssen, ihn wohl nicht so gut gekannt zu haben, wie sie dachten. Denn er hatte zahllose Affären und war hochgradig spielsüchtig. Was einen eben noch als perfekten Vater und französischen Verantwortungsträger gefeierten Mann plötzlich nicht mehr so gut dastehen lässt...

Wer steht jetzt noch zu ihm? Wer will ihn wirklich wieder in Freiheit sehen? Wer liebt ihn bedingungslos - und wen hat er bedingungslos geliebt? Wie viel Moral bleibt bei wie viel Geld noch übrig, und was ist der Wert von Freundschaft und Liebe gegenüber Image, Macht und Reichtum? Spannende Fragen, von "Rapt" auch über einen guten Teil der Laufzeit sehr spannend in Szene gesetzt.

Leider begeht das Drehbuch jedoch einen nicht ganz nachvollziehbaren Kardinalfehler: es lässt uns als Zuschauer schon lange vor allen Beteiligten wissen, dass unser Protagonist alles andere als ein Ehrenmann ist. Genauer gesagt, ist uns schon nach dem Vorspann bekannt, dass er gnadenlos rumgehurt und unglaubliche Summen beim Glücksspiel verprasst hat - wie es auch bereits im Programmheft erwähnt wird. Das hat gleich zwei für den Filmgenuss negative Konsequenzen: zum einen hält sich unsere Sympathie für ihn von Anfang an in Grenzen. Wie mies auch immer er behandelt wird, wir betrachten ihn automatisch distanziert und können gar nicht voll mitleiden. Zum anderen erleben wir keine Überraschung, kein Zerbrechen der heilen Welt, als seiner Frau und allen anderen Vertrauten schließlich offenbar wird, mit welcher Sorte Mann sie es eigentlich wirklich zu tun haben.

Damit beraubt sich der Film wichtiger dramaturgischer Elemente, aber das ist vielleicht damit zu erklären, dass er (laut Programmheft) auf einer wahren Geschichte beruht, deren Details in Frankreich vermutlich ohnehin jeder kennt. Nichtsdestoweniger schafft er es zumindest über die Hälfte seiner Laufzeit exzellent, auch das unbedarfte Publikum zu fesseln, schließlich wissen wir ja nicht schon längst, wie der Fall ausgeht und worauf die hier gestellten, großen moralischen Fragen hinauslaufen.

In den zweiten sechzig Minuten hat das Crime-Drama dann allerdings einige Längen zu vermelden, denn so zwiespältig wie der Charakter der Hauptfigur sind auch die Motive und Entscheidungen seiner Vertrauten. Was oft genug nur in ausschweifenden Erörterungen emotionaler und moralischer Zwiespalte resultiert, die für eher unbeteiligte Zuschauer zum großen Teil so spannend nicht sind.

Viel mehr kann nicht erzählt werden, ohne zu spoilern. Kurz gefasst muss man aber jedenfalls sagen, dass der Erzählbogen des Films irgendwann vom Thriller zum Biopic erschlafft und auch die spannenden ethischen Themen nicht in ausreichendem Maße vertieft werden. So schwindet die Aufmerksamkeit analog zum Drama des Geschehens, das gegen Ende auch als Beliebigkeit wahrgenommen werden kann - mit einem für mich sehr unbefriedigenden Ende.

Dennoch, "Rapt" ist eine Empfehlung - wegen seiner zunächst sehr straffen und spannungsvollen Inszenierung für Thrillerfreunde, wegen der von ihm angerissenen moralischen Fragen aber auch für Philosophen, Psychologen und Gesellschaftswissenschaftler ;)

6,5 Punkte von mir.

war im Metropolis 1, Frankfurt

18 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Rapt
  • Score [BETA]: 59
  • f3a.net: 4.8/10 18
  • IMDb: 6.9/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 12:58

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