Reviewer
Christian * 7.5
Veggies - nicht euer Film!
Julia Ducournau, Anfang dreißig, ist eine ausgesprochen attraktive Französin. Sie ist allerdings nicht die Hauptdarstellerin von RAW (französischer Originaltitel: Grace), sondern die Autorin und Regisseurin des skandalösen Coming of Age Streifens. RAW wurde 2016 in Cannes uraufgeführt und zog seitdem ein Ausrufungszeichen durch die Festivals in Toronto, Sundance und sonst wo auf der Welt.
Nachdem ich nun die knapp 100 Minuten gesehen habe, kann ich dies sehr gut verstehen. Der Film ist auf der 1. Ebene ein Film unseres geliebten Genres, der alles zeigt oder anspielt, was der normal entwickelte Mensch weder sehen will, geschweige denn aushalten möchte. Auf der 2. Ebene beobachten wir die sexuelle Entwicklung und Blüte (Blooming) eines sonderlichen Mädchens während ihrer ersten Wochen an der Uni.
Handlungsebene: RAW spielt in Belgien. Eltern bringen ihre zweite Tochter zur Uni, um dort ein Tierarzt-Studium zu beginnen (alle Familienmitglieder sind strenge Vegetarier). Die ältere Tochter studiert bereits dort, selbes Fach. Kaum angekommen an der Uni, beginnen die älteren Semester rasch extrem radikale Methoden anzuwenden, um Erstsemester zu erniedrigen…
…ab jetzt verrate ich lieber nicht mehr viel, vielleicht das: Mit Kannibalismus sollte man sich zumindest aus einer Beobachterperspektive anfreunden können und sein Steak sollte man auch lieber “Rare†mögen…
Während der Rezeption des Films fragt man sich relativ schnell, warum gerade in Belgien immer wieder solch skandalöse Filme entstehen. Habe ich einfach nicht mitbekommen, dass in Belgien verrückt bzw. überdreht = normal ist? Ist das Studium der Veterinärmedizin so ein harter Tobak, dass nur die Härtesten unserer Zivilisation dafür in Frage kommen oder gelingt es Ducournau nur einfach, eine normale Geschichte in einem radikal verschleierten Gewand zu erzählen? Ich habe trotz jahrzehntelanger Filmgrenzerfahrungen, RAW nicht problemlos konsumieren können. Ich bekam Juckreiz am ganzen Körper, irgendwann wurde mir schlecht und vielleicht erreichen auch einige den Punkt, den Film nicht mehr ernst zu nehmen…
RAW ist roh, frech, modern, kantig, vor allem gut gespielt und daher trotz einiger kleiner Mängel auch genau richtig fürs FFF.
Letztlich bin ich froh, durchgehalten zu haben. Mit ein wenig Abstand gelingt es sogar, die tiefenpsychologischen Schritte zu vollziehen bzw. die Horrorelemente als das zu betrachten was sie “nur†sind.
Eine Mahlzeit solltet ihr weder vor, noch nach dem Film einnehmen oder lutscht zur Abwechslung mal am eigenen Finger.
Gewagtes Filmerlebnis.
Nachdem ich nun die knapp 100 Minuten gesehen habe, kann ich dies sehr gut verstehen. Der Film ist auf der 1. Ebene ein Film unseres geliebten Genres, der alles zeigt oder anspielt, was der normal entwickelte Mensch weder sehen will, geschweige denn aushalten möchte. Auf der 2. Ebene beobachten wir die sexuelle Entwicklung und Blüte (Blooming) eines sonderlichen Mädchens während ihrer ersten Wochen an der Uni.
Handlungsebene: RAW spielt in Belgien. Eltern bringen ihre zweite Tochter zur Uni, um dort ein Tierarzt-Studium zu beginnen (alle Familienmitglieder sind strenge Vegetarier). Die ältere Tochter studiert bereits dort, selbes Fach. Kaum angekommen an der Uni, beginnen die älteren Semester rasch extrem radikale Methoden anzuwenden, um Erstsemester zu erniedrigen…
…ab jetzt verrate ich lieber nicht mehr viel, vielleicht das: Mit Kannibalismus sollte man sich zumindest aus einer Beobachterperspektive anfreunden können und sein Steak sollte man auch lieber “Rare†mögen…
Während der Rezeption des Films fragt man sich relativ schnell, warum gerade in Belgien immer wieder solch skandalöse Filme entstehen. Habe ich einfach nicht mitbekommen, dass in Belgien verrückt bzw. überdreht = normal ist? Ist das Studium der Veterinärmedizin so ein harter Tobak, dass nur die Härtesten unserer Zivilisation dafür in Frage kommen oder gelingt es Ducournau nur einfach, eine normale Geschichte in einem radikal verschleierten Gewand zu erzählen? Ich habe trotz jahrzehntelanger Filmgrenzerfahrungen, RAW nicht problemlos konsumieren können. Ich bekam Juckreiz am ganzen Körper, irgendwann wurde mir schlecht und vielleicht erreichen auch einige den Punkt, den Film nicht mehr ernst zu nehmen…
RAW ist roh, frech, modern, kantig, vor allem gut gespielt und daher trotz einiger kleiner Mängel auch genau richtig fürs FFF.
Letztlich bin ich froh, durchgehalten zu haben. Mit ein wenig Abstand gelingt es sogar, die tiefenpsychologischen Schritte zu vollziehen bzw. die Horrorelemente als das zu betrachten was sie “nur†sind.
Eine Mahlzeit solltet ihr weder vor, noch nach dem Film einnehmen oder lutscht zur Abwechslung mal am eigenen Finger.
Gewagtes Filmerlebnis.
meiklsan * 8.0
Fleisches Lust
Aufgrund der vielen kontroversen und skandalösen Festival Reviews und Berichte, war ich natürlich mächtig neugierig, diesen sog. â€Spalter“ auch endlich zu sichten. Dank Dvdscots Hinweis auf den Spanish Blu-ray Release, kam ich schnell in den Genuss bzw. Nichtgenuss dieses Titels!? Die Blu-ray ist übrigens durchwegs zu empfehlen, sauberer Bildtransfer, orig. French oder German Audio, dt. und engl. Subs, leider Null Extras, aber â€uncut“, wobei das Thema â€cut“ oder â€uncut“ bei RAW keine allzu große Rolle spielt, denn der Film transportiert seine Emotionen und seine Message sowieso schön schleichend und ganz privat direkt in den Kopf eines jeden Zuschauers hinein. Welche Auswirkungen er dort hervorruft, hängt ganz alleine von der Konstitution, der Phantasie und dem Gefühlskostüm des jeweiligen Betrachters ab!
An die Unglaublichkeit und Wucht eines MARTYRS kommt RAW zwar nicht heran, aber dieses gewisse latente Unwohlsein und die Spannung bauen sich auch hier sehr schön gemächlich auf, nehmen den Zuschauer neugierig bei der Hand und erzählen insgesamt eine fast glaubwürdige realistische Story! Der Film nimmt sich viel Zeit, führt uns an den Campus einer tiermedizinischen Uni, zeigt uns deren zahlreiche ungewöhnliche Einschulungs-Rituale, zeichnet währenddessen aber auch unsere Hauptcharaktere ganz fein und persönlich. Junge Schwester trifft auf alte Schwester! Was für ein herzliches Willkommen, yeah! Happiness ist scheinbar angesagt, oder eben nicht!? Was wissen die Schwestern wirklich voneinander? Wer verbirgt vor wem ein Geheimnis? Alles was ab diesem Zeitpunkt passiert, unterliegt der höchsten Spoiler Immunität und wird nicht verraten. Lasst Euch einfach unangenehm überraschen!
Wenn ich den Film einer Kategorie zuordnen müsste, dann wäre er wohl in jeglicher Hinsicht am besten in der Sektion â€Fresh Blood bzw. Fresh Meat“ aufgehoben. Im Grunde haben wir es hier aber eigentlich nur mit einer Neuinterpretation eines altbekannten Themas zu tun, aber die Art und Weise der Umsetzung dürfte selbst den eingefleischten Genre Fan zumindest etwas fröhlich aufzucken lassen! Deshalb nur 4 Punkte für das Genre. Aber 2 Punkte für die neue Umsetzung plus 1 Punkt für das sensationelle Cast, ein halber Punkt für das "Female Stehend Pinkeln" und ein halber Punkt für das "Genitale Waxing Desaster"!
An die Unglaublichkeit und Wucht eines MARTYRS kommt RAW zwar nicht heran, aber dieses gewisse latente Unwohlsein und die Spannung bauen sich auch hier sehr schön gemächlich auf, nehmen den Zuschauer neugierig bei der Hand und erzählen insgesamt eine fast glaubwürdige realistische Story! Der Film nimmt sich viel Zeit, führt uns an den Campus einer tiermedizinischen Uni, zeigt uns deren zahlreiche ungewöhnliche Einschulungs-Rituale, zeichnet währenddessen aber auch unsere Hauptcharaktere ganz fein und persönlich. Junge Schwester trifft auf alte Schwester! Was für ein herzliches Willkommen, yeah! Happiness ist scheinbar angesagt, oder eben nicht!? Was wissen die Schwestern wirklich voneinander? Wer verbirgt vor wem ein Geheimnis? Alles was ab diesem Zeitpunkt passiert, unterliegt der höchsten Spoiler Immunität und wird nicht verraten. Lasst Euch einfach unangenehm überraschen!
Wenn ich den Film einer Kategorie zuordnen müsste, dann wäre er wohl in jeglicher Hinsicht am besten in der Sektion â€Fresh Blood bzw. Fresh Meat“ aufgehoben. Im Grunde haben wir es hier aber eigentlich nur mit einer Neuinterpretation eines altbekannten Themas zu tun, aber die Art und Weise der Umsetzung dürfte selbst den eingefleischten Genre Fan zumindest etwas fröhlich aufzucken lassen! Deshalb nur 4 Punkte für das Genre. Aber 2 Punkte für die neue Umsetzung plus 1 Punkt für das sensationelle Cast, ein halber Punkt für das "Female Stehend Pinkeln" und ein halber Punkt für das "Genitale Waxing Desaster"!
Alexander * 7.0
Schwer verdaulich
Vieles an "Raw" erinnerte mich mehr an die Verfilmung von Charlotte Roches "Feuchtgebieten" als an den hier bereits zitierten, beinharten franz. Horrorfilm "Martyrs", mit dem Raw wirklich gar nichts gemein hat. Denn in diesem neuen französischen Ekelpaket wird der geneigte Zuschauer mit einer, vor allem zu Anfangs, nur geringen Sinn ergebenden Sequenz von weniger appetitlichen Szenen konfrontiert, die mit ihrer plakativen zur-Schau-Stellung von aus allen erdenkbaren tierischen und menschlichen Körperöffnungen austretenden Flüssigkeiten eher wie eine unappetitlich zur Spitze getriebene Provokation a la "Roche" wirken, und irgendwie mehr rotes Sekret als einen der Handlung dienlichen roten Faden abliefern.
Wem bereits letztes Jahr der Schleim- und Fäkalregen des "Greasy Stranglers" gefiel, darf gerne eine Kinokarte lösen, wird allerdings auf den Humor des erwähnten Films verzichten müssen, denn zu lachen gibt es bei "Raw" nicht wirklich was. Die großartige Garance Marillier liefert eine dramaturgisch exzellente Glanzvorstellung ab und entzückt mit einer vollkommen unerwarteten Transformation, die man von dem von ihr zu Anfangs gespielten, blassen, jungfräulichen Landei nicht erwarten würde. Umso härter und überraschender treffen uns dann irgendwann Szenen voll Blut und voll Ekel. Über den vielleicht fehlenden Sinn des Ganzen kann man sehr lange grübeln, aber der für mich fehlende Faden wurde am Ende dann doch noch und sogar recht überraschend aufgelöst.
Praktizierende Veterinärmediziner und abgeklärte Fans des Horrorgenres dürften das Gezeigte mit einem Schmunzeln goutieren. Allen anderen empfehle ich während der Vorstellung mal ausnahmsweise auf die Nachos mit schleimigem Käse und roter Soße zu verzichten. Wär doch schade die ohnehin überteuerten Snacks wieder auf den Schoss des Sitznachbarn auszukotzen. Auch wenn ich nicht den Eindruck gewonnen habe, das Regisseurin Julia Ducournau mit "Raw" der Vegetarierfraktion eines auswischen wollte, so wirkte der Film auf mich stellenweise dennoch wie ein augenzwinkernder Hinweis darauf, was passieren kann, wenn Kinder ernährungstechnisch zu sehr gemaßregelt werden. Das kann sehr wohl nach hinten losgehen.
Wem bereits letztes Jahr der Schleim- und Fäkalregen des "Greasy Stranglers" gefiel, darf gerne eine Kinokarte lösen, wird allerdings auf den Humor des erwähnten Films verzichten müssen, denn zu lachen gibt es bei "Raw" nicht wirklich was. Die großartige Garance Marillier liefert eine dramaturgisch exzellente Glanzvorstellung ab und entzückt mit einer vollkommen unerwarteten Transformation, die man von dem von ihr zu Anfangs gespielten, blassen, jungfräulichen Landei nicht erwarten würde. Umso härter und überraschender treffen uns dann irgendwann Szenen voll Blut und voll Ekel. Über den vielleicht fehlenden Sinn des Ganzen kann man sehr lange grübeln, aber der für mich fehlende Faden wurde am Ende dann doch noch und sogar recht überraschend aufgelöst.
Praktizierende Veterinärmediziner und abgeklärte Fans des Horrorgenres dürften das Gezeigte mit einem Schmunzeln goutieren. Allen anderen empfehle ich während der Vorstellung mal ausnahmsweise auf die Nachos mit schleimigem Käse und roter Soße zu verzichten. Wär doch schade die ohnehin überteuerten Snacks wieder auf den Schoss des Sitznachbarn auszukotzen. Auch wenn ich nicht den Eindruck gewonnen habe, das Regisseurin Julia Ducournau mit "Raw" der Vegetarierfraktion eines auswischen wollte, so wirkte der Film auf mich stellenweise dennoch wie ein augenzwinkernder Hinweis darauf, was passieren kann, wenn Kinder ernährungstechnisch zu sehr gemaßregelt werden. Das kann sehr wohl nach hinten losgehen.
Michaela * 7.0
Einmal Steak, bitte blutig
Justine will Veterinärin werden und besucht die gleiche Universität wie ihre große Schwester und auch ihre Eltern. Sie ist Vegetarierin und setzt sich für die Rechte der Tiere ein. Die Erstsemester müssen einige Initiationsriten über sich ergehen lassen, nach einem dieser Riten entwickelt die brave Justine Appetit auf Frischfleisch. Damit öffnet sich die Ekelparade. Bei einigen Szenen wurde mir echt schlecht. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Garance Marillier als Justine den Film fast alleine trägt, unterstützt von Ella Rumpf und Rabah Nait Oufella.
Man kann den Film natürlich als Parabel sehen für das Abnabeln von den Eltern, auf den eigenen Beinen stehen, das Erwachen sexueller Bedürfnisse, oder den negativen Erfahrungen mit Mobbing per Handy. Mir hat aber für einen letztendlich stimmigen Film eine nötige Erklärung gefehlt bzw. die gegebene war mir zu dürftig.
Und ich wäre ja spätestens nach dem ersten Initiationsritus von dieser Uni abgehauen. :-)
Man kann den Film natürlich als Parabel sehen für das Abnabeln von den Eltern, auf den eigenen Beinen stehen, das Erwachen sexueller Bedürfnisse, oder den negativen Erfahrungen mit Mobbing per Handy. Mir hat aber für einen letztendlich stimmigen Film eine nötige Erklärung gefehlt bzw. die gegebene war mir zu dürftig.
Und ich wäre ja spätestens nach dem ersten Initiationsritus von dieser Uni abgehauen. :-)
war im Cinemaxx, München
Herr_Kees * 8.0
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft
So schlimm, wie sich offenbar manche Besucher â€seriöser“ Festivals angestellt haben, ist RAW eigentlich gar nicht. Vor allem nicht, wenn man ihn als Komödie betrachtet. Zugegeben eine recht blutige, bittere und böse Komödie.
Aber die Geschichte der Vegetarierin, die sich unvermittelt zur lustvollen Fleischfresserin mausert, ist tatsächlich bis zum interessanten Ende von sardonischem Witz durchzogen. Wobei man die Charaktere durchaus ernst nimmt. Jedenfalls mehr als die belgische Universität für Veterinärmedizin, die hier vor allem als Ort demütigender Initiationsriten und ekstatischer Happenings gezeichnet wird.
Mitleiden darf man dennoch, denn auch Bodyhorror-Fetischisten bekommen bei RAW einiges geboten. Dazu liefert Hauptdarstellerin Garance Marillier eine Tour-de-Force-Performance, die sich gewaschen hat. Noch jemand Fingerfood?
Aber die Geschichte der Vegetarierin, die sich unvermittelt zur lustvollen Fleischfresserin mausert, ist tatsächlich bis zum interessanten Ende von sardonischem Witz durchzogen. Wobei man die Charaktere durchaus ernst nimmt. Jedenfalls mehr als die belgische Universität für Veterinärmedizin, die hier vor allem als Ort demütigender Initiationsriten und ekstatischer Happenings gezeichnet wird.
Mitleiden darf man dennoch, denn auch Bodyhorror-Fetischisten bekommen bei RAW einiges geboten. Dazu liefert Hauptdarstellerin Garance Marillier eine Tour-de-Force-Performance, die sich gewaschen hat. Noch jemand Fingerfood?
war im Metropol, Stuttgart
Blade * 8.0
Ein ziemlich mutiger Film und ein beachtlich starkes Debüt von Julia Ducournau, welches mit einer Prämisse um Ritual-Schikanierung an einer Universität beginnt und dann in Extreme abdriftet, die man so nicht ganz erwartet, selbst wenn einem bereits von dem vorwiegenden Plot-Aspekt ***SPOILER***des Kannibalismus erzählt wurde. Diese Extreme sind noch dazu nicht nur unerwartet sondern teilweise sicher auch nicht von jedem gewollt und leicht zu verdauen. Dennoch wird man von dem Film gleichermaßen aufgewühlt und durchschüttelt als auch hypnotisiert.
Der Film nimmt im Prinzip wiederholt Schläge und Tritte in die Magengrube vor, nur um sich dann mit dem Publikum versöhnlich zu stimmen, wenn er seine kongenialen Cembalo-Melodien in der Filmmusik auspackt. Jim Williams ist der Name, den sich Filmmusik-Liebhaber notieren sollten. Dazu gibt es dann auch noch ein oder zwei Musikstücke, die wirken als wären sie direkt einem Genrebeitrag des italienischen Kinos der 70er Jahre entrissen worden.
Der Film nimmt im Prinzip wiederholt Schläge und Tritte in die Magengrube vor, nur um sich dann mit dem Publikum versöhnlich zu stimmen, wenn er seine kongenialen Cembalo-Melodien in der Filmmusik auspackt. Jim Williams ist der Name, den sich Filmmusik-Liebhaber notieren sollten. Dazu gibt es dann auch noch ein oder zwei Musikstücke, die wirken als wären sie direkt einem Genrebeitrag des italienischen Kinos der 70er Jahre entrissen worden.
war im Savoy, Hamburg
Frank * 7.5
Wie hätten Sie’s denn gern?
Bei den Statements zu RAW drängte sich mir manchmal der Gedanke auf, der Film wurde hauptsächlich von Vegetariern gesehen. So extrem krass eklig, wie vielerorts beschrieben, ist er eigentlich nicht. Oder anders ausgedrückt: Er ist um einiges vielschichtiger als es die Handvoll besonders ekliger Szenen des Films erscheinen lassen. Die Story:
Justine beginnt ein Veterinär-Studium an derselben Uni, an der auch ihre ältere Schwester studiert, muss gleich zu Beginn die unangenehmen Einweihungsrituale über sich ergehen lassen. Von einer krassen Neigung abgesehen, ist die Uni jedoch im Wesentlichen der Platz für sie, um die Erfahrungen vieler Heranwachsender zu machen. Hier bestätigt sich die Einordnung von RAW als Coming-of-Age Movie. Drogen und Mobbing werden angerissen, Identitätssuche, sexuelles Erwachen und die damit verbundenen Ängste sind ein präsentes Thema.
Ich war beeindruckt von der intensiven, facettenreichen Performance und erotischen Ausstrahlung (inkl. animalischer Sex-Szene) von Garance Marillier (Justine), die mir bis dahin völlig unbekannt war, aber auch vom Schauspiel, der Präsenz Ella Rumpfs - ihrer Filmschwester, die ich ebenfalls noch nicht kannte.
Die unverhohlene, direkte Art der Inszenierung der Ekelszenen erinnert an den Bodyhorror des frühen David Cronenberg. RAW ist in seiner visuellen Darstellung allerdings zeitgemäß intensiver. Auch bei Cronenberg sind Ekel und Horror meist nur eine Ebene bzw. Metaphern, oft symbolisch für ein gesellschaftliches bzw. institutionelles Übel eingesetzt; und es findet sich zumindest im Setting insofern eine Parallele, als auch RAW an einer Institution, der Uni, spielt. Mitten im Nirgendwo wirkte das zunächst unwirklich auf mich und manch einer wird evtl. einwenden, dass es der "Glaubwürdigkeit" der Geschichte schadet, die Uni an einen Ort scheinbar fern von normaler Zivilisation zu platzieren. Die Paarung von teils anarchischen Strukturen oder Verhaltensweisen mit Isolation ist jedoch (nicht nur) im Genre-Kino ein passendes Sujet für Abseitiges, nicht Gesellschaftskonformes, sodass das Setting für mich durchaus Sinn macht.
Der Film wurde als provokant und skandalös bezeichnet. Gleichermaßen wird dabei jedoch der sardonische Witz übersehen; den Film durchzieht ein komödiantischer Unterton. Als offensichtliches Beispiel hierfür ist die ***SPOILER***Piss-Szene zu nennen. Sie dient nicht der reinen Provokation. Ansonsten zeigt sich der Humor in Gesten, die den Umgang mit der Situation andeuten.
Ein wichtiger Aspekt ist in dem Zusammenhang das Ende.
Ohne die Schlussszene, ***SPOILER***und den letzten Satz des Vaters an seine Tochter hätte ich RAW möglicherweise als unsinnig abgetan. ***SPOILER***Vordergründig erklärt das scheinbar gar nichts, doch letztlich erklärt es fast alles; da fällt sozusagen der Groschen, wenn nicht für jeden Zuschauer, dann zumindest für die Hauptprotagonistin Justine. Man muss sich vor Augen führen, dass da etwas war, was Justine nicht verstehen konnte, weil sie es nicht wusste.
Wenn man die Ursache für den eigenen Schmerz nicht kennt, wenn das zentrale Wissen über etwas fehlt, lässt dieses keinen Raum zur Anklage oder reinen Projektion nach außen, also muss man einen anderen Weg finden, um mit ihm umzugehen. Und über den eigenen Schmerz zu lachen hilft mit ihm umzugehen. Der Humor hilft, Herr über uns selbst zu bleiben, uns nicht zu verlieren.
Die Musik trägt sehr zu der Spirale deliriös - rauschhafter Verlorenheit von RAW bei. Ich hätte schwören können das Garbage dabei waren. Es sind jedoch BLOOD RED SHOES, klingen fast genauso. Der hervorragende Soundtrack zählt mit zu den Besten und bestens eingesetzten des diesjährigen Jahrgangs.
Ich wünsche mir für den Film, dass er in seiner vollen Breite wahrgenommen wird und nicht nur über die kontroverse Horror- und Ekel-Ebene seiner Schauwerte. Nichtsdestotrotz war er mir in den Sex- und Ekelszenen nicht explizit genug. ;) Sonst hätte ich noch einen Punkt draufgelegt. So gibt’s dicke 7,5 Punkte - beinahe 8 - von mir und das Prädikat tiefenpsychologisch wertvoll.
Justine beginnt ein Veterinär-Studium an derselben Uni, an der auch ihre ältere Schwester studiert, muss gleich zu Beginn die unangenehmen Einweihungsrituale über sich ergehen lassen. Von einer krassen Neigung abgesehen, ist die Uni jedoch im Wesentlichen der Platz für sie, um die Erfahrungen vieler Heranwachsender zu machen. Hier bestätigt sich die Einordnung von RAW als Coming-of-Age Movie. Drogen und Mobbing werden angerissen, Identitätssuche, sexuelles Erwachen und die damit verbundenen Ängste sind ein präsentes Thema.
Ich war beeindruckt von der intensiven, facettenreichen Performance und erotischen Ausstrahlung (inkl. animalischer Sex-Szene) von Garance Marillier (Justine), die mir bis dahin völlig unbekannt war, aber auch vom Schauspiel, der Präsenz Ella Rumpfs - ihrer Filmschwester, die ich ebenfalls noch nicht kannte.
Die unverhohlene, direkte Art der Inszenierung der Ekelszenen erinnert an den Bodyhorror des frühen David Cronenberg. RAW ist in seiner visuellen Darstellung allerdings zeitgemäß intensiver. Auch bei Cronenberg sind Ekel und Horror meist nur eine Ebene bzw. Metaphern, oft symbolisch für ein gesellschaftliches bzw. institutionelles Übel eingesetzt; und es findet sich zumindest im Setting insofern eine Parallele, als auch RAW an einer Institution, der Uni, spielt. Mitten im Nirgendwo wirkte das zunächst unwirklich auf mich und manch einer wird evtl. einwenden, dass es der "Glaubwürdigkeit" der Geschichte schadet, die Uni an einen Ort scheinbar fern von normaler Zivilisation zu platzieren. Die Paarung von teils anarchischen Strukturen oder Verhaltensweisen mit Isolation ist jedoch (nicht nur) im Genre-Kino ein passendes Sujet für Abseitiges, nicht Gesellschaftskonformes, sodass das Setting für mich durchaus Sinn macht.
Der Film wurde als provokant und skandalös bezeichnet. Gleichermaßen wird dabei jedoch der sardonische Witz übersehen; den Film durchzieht ein komödiantischer Unterton. Als offensichtliches Beispiel hierfür ist die ***SPOILER***Piss-Szene zu nennen. Sie dient nicht der reinen Provokation. Ansonsten zeigt sich der Humor in Gesten, die den Umgang mit der Situation andeuten.
Ein wichtiger Aspekt ist in dem Zusammenhang das Ende.
Ohne die Schlussszene, ***SPOILER***und den letzten Satz des Vaters an seine Tochter hätte ich RAW möglicherweise als unsinnig abgetan. ***SPOILER***Vordergründig erklärt das scheinbar gar nichts, doch letztlich erklärt es fast alles; da fällt sozusagen der Groschen, wenn nicht für jeden Zuschauer, dann zumindest für die Hauptprotagonistin Justine. Man muss sich vor Augen führen, dass da etwas war, was Justine nicht verstehen konnte, weil sie es nicht wusste.
Wenn man die Ursache für den eigenen Schmerz nicht kennt, wenn das zentrale Wissen über etwas fehlt, lässt dieses keinen Raum zur Anklage oder reinen Projektion nach außen, also muss man einen anderen Weg finden, um mit ihm umzugehen. Und über den eigenen Schmerz zu lachen hilft mit ihm umzugehen. Der Humor hilft, Herr über uns selbst zu bleiben, uns nicht zu verlieren.
Die Musik trägt sehr zu der Spirale deliriös - rauschhafter Verlorenheit von RAW bei. Ich hätte schwören können das Garbage dabei waren. Es sind jedoch BLOOD RED SHOES, klingen fast genauso. Der hervorragende Soundtrack zählt mit zu den Besten und bestens eingesetzten des diesjährigen Jahrgangs.
Ich wünsche mir für den Film, dass er in seiner vollen Breite wahrgenommen wird und nicht nur über die kontroverse Horror- und Ekel-Ebene seiner Schauwerte. Nichtsdestotrotz war er mir in den Sex- und Ekelszenen nicht explizit genug. ;) Sonst hätte ich noch einen Punkt draufgelegt. So gibt’s dicke 7,5 Punkte - beinahe 8 - von mir und das Prädikat tiefenpsychologisch wertvoll.
staunte im Savoy, Hamburg
Leimbacher-Mario * 8.5
Luis Suarez’ Lieblingsfilm
"Raw" hat seinen Hype verdient. Weil es sich einfach um einen starken Genremix handelt. Die Welle & Schlagzeilen auf Grund brechender und fürs Leben geschockter Zuschauer bei frühen Vorführungen sollte man dagegen eher ins Land der Marketingmythen packen. Oder auf die Pussy-Zuschauer aus Toronto, Sitges, Cannes oder sonstwo schieben ;). Sicher kann der Film auf ungeübte Gucker und Mägen Unwohlsein ausüben, doch einen neuen Schocker fürs Jahrzehntbuch sollte keiner erwarten. Gourmethorror mit Sinn, Verstand und Anspruch schon eher. Hier wird vom Zuschauer etwas gefordert, um es dann doppelt zurückzuzahlen. Schon fast die hohe Kunst des Horrors. Nicht wirklich spannend oder den Puls treibend, und doch ungemein faszinierend und nährreich. Egal, ob als Veggie oder Barbecue-Fan. Es geht um ein junges Mädchen, das neu auf eine elitäre Schule für Veterinärmedizin kommt. Dort muss die Vegetarierin blutige Willkommensrituale überstehen, wird langsam erwachsen und nebenbei entdeckt sie die Lust am Fleisch, in jeglicher Hinsicht... Es geht um Themen wie Frauwerden, Gesellschaftsdruck, Erblast, Geschwisterliebe und die ursprüngliche Macht unserer tiefsten Gelüste. Schwerer Stoff - geschickt und packend inszeniert. Zudem extrem stilvoll und sogar in Teilen überraschend witzig. Was für ein proteinreicher Cocktail!
"Raw" ist passenderweise rohes Genrekino, das sich jeder braten kann, wie er es am liebsten hat. Gorehunde sollten, wie gesagt, nur nicht den nächsten "Inside" erwarten. Arthouse oder platte Provokation sehen jedoch ebenfalls anders aus. Mich hat "Raw" mitgenommen und vielerlei Hinsicht beeindruckt, ja sogar etwas geplättet. Von eklig bis surreal, metaphorisch schwer aufgeladen und ein Coming-of-Age-Bluterguss, wie man ihn so noch nie gesehen hat. Die Darstellerinnen geben ihr letztes Hemd und ein derart krasses, mutiges und komplexes Jugenddrama aufs Extrem gedreht wäre hierzulande noch immer leider einfach nicht denkbar. Das machen unsere westlichen Nachbarn einfach viel mutiger und radikaler, während wir hier, böse und überhöht gesagt, bei "Bibi & Tina" bleiben. Das hier ist Next-Level-Jugendkino. Roh, rau, unangenehm, ungeschönt, vielschichtig. Ein Mix aus "A Tale of Two Sisters" und "Feuchtgebiete".
Fazit: ein spezieller Gourmethappen... Hardcore Coming-of-Age. Cannibal College. Tierärzte des Grauens. Vom Verlangen überfraut. "Raw" ist kein Gorefest, geht jedoch trotzdem an den Magen und vielleicht sogar ins Herz. Metaphorisch besonders wertvoll. Anspruchsvoller Horror, zudem mit stylischen Bildern, Tabubrüchen und mutig gespielt. Ein Genrehighlight, das polarisiert. Wie es gute Kunst immer tun sollte.
"Raw" ist passenderweise rohes Genrekino, das sich jeder braten kann, wie er es am liebsten hat. Gorehunde sollten, wie gesagt, nur nicht den nächsten "Inside" erwarten. Arthouse oder platte Provokation sehen jedoch ebenfalls anders aus. Mich hat "Raw" mitgenommen und vielerlei Hinsicht beeindruckt, ja sogar etwas geplättet. Von eklig bis surreal, metaphorisch schwer aufgeladen und ein Coming-of-Age-Bluterguss, wie man ihn so noch nie gesehen hat. Die Darstellerinnen geben ihr letztes Hemd und ein derart krasses, mutiges und komplexes Jugenddrama aufs Extrem gedreht wäre hierzulande noch immer leider einfach nicht denkbar. Das machen unsere westlichen Nachbarn einfach viel mutiger und radikaler, während wir hier, böse und überhöht gesagt, bei "Bibi & Tina" bleiben. Das hier ist Next-Level-Jugendkino. Roh, rau, unangenehm, ungeschönt, vielschichtig. Ein Mix aus "A Tale of Two Sisters" und "Feuchtgebiete".
Fazit: ein spezieller Gourmethappen... Hardcore Coming-of-Age. Cannibal College. Tierärzte des Grauens. Vom Verlangen überfraut. "Raw" ist kein Gorefest, geht jedoch trotzdem an den Magen und vielleicht sogar ins Herz. Metaphorisch besonders wertvoll. Anspruchsvoller Horror, zudem mit stylischen Bildern, Tabubrüchen und mutig gespielt. Ein Genrehighlight, das polarisiert. Wie es gute Kunst immer tun sollte.
verweste im Residenz, Köln
ArthurA * 7.5
Ginger Snaps Reloaded
Wer mit Raw einen weiteren Vertreter der ultrabrutalen französischen Horrorwelle der Marke Inside oder High Tension erwartet, ist hier wirklich fehl am Platz. Es ist, als würde man in Denis Villeneuves Arrival reingehen und Alien-Invasionsbombast á la Independence Day erwarten. Ja, es gibt einige blutige und mitunter eklige Momente in Raw, doch von angeblicher Grenzüberschreitung und Tabubruch kann hier nicht die Rede sein. Es ist nicht Cannibal Holocaust und das ist völlig okay so.
Raw handelt von Justine (Garance Marillier), einer Erstsemester-Medizinstudentin und überzeugten Vegetarierin (wie auch der Rest ihrer Familie). Erstmals weg von Zuhause, stellt sie fest, dass solche Ideale an der Uni nicht lange Bestand halten. Im Rahmen eines Aufnahmerituals für Neuankömmlinge wird sie durch Gruppendruck - darunter seitens ihrer älteren Schwester Alexia (Ella Rumpf) - dazu gezwungen, rohes Fleisch zu konsumieren. Justine kommt auf den Geschmack, doch schon bald reicht ihr totes Tierfleisch nicht mehr aus.
Raw ist eine sensibel erzählte Coming-of-Age-Geschichte, die dem Ruf eines ultraheftigen Horrorschockers weder gerecht wird noch tut dieser ihr einen Gefallen, denn er lenkt davon ab, worum es hier eigentlich geht. Im Grunde ist Raw nichts anderes als Ginger Snaps mit einem Schuss von Black Swan. Wurde im kanadischen Horrorfilm das sexuelle Erwachen und die Selbstfindung einer jungen Frau durch die Verwandlung in einen Werwolf symbolisiert, sind es hier kannibalistische Gelüste. Auch die Dynamik der beiden Schwestern - eine ausgelassen, wild und herrisch, die andere zurückhaltend und schüchtern - erinnert sehr an das Zusammenspiel von Katharine Isabelle und Emily Perkins aus Ginger Snaps.
Raw handelt von Justine (Garance Marillier), einer Erstsemester-Medizinstudentin und überzeugten Vegetarierin (wie auch der Rest ihrer Familie). Erstmals weg von Zuhause, stellt sie fest, dass solche Ideale an der Uni nicht lange Bestand halten. Im Rahmen eines Aufnahmerituals für Neuankömmlinge wird sie durch Gruppendruck - darunter seitens ihrer älteren Schwester Alexia (Ella Rumpf) - dazu gezwungen, rohes Fleisch zu konsumieren. Justine kommt auf den Geschmack, doch schon bald reicht ihr totes Tierfleisch nicht mehr aus.
Raw ist eine sensibel erzählte Coming-of-Age-Geschichte, die dem Ruf eines ultraheftigen Horrorschockers weder gerecht wird noch tut dieser ihr einen Gefallen, denn er lenkt davon ab, worum es hier eigentlich geht. Im Grunde ist Raw nichts anderes als Ginger Snaps mit einem Schuss von Black Swan. Wurde im kanadischen Horrorfilm das sexuelle Erwachen und die Selbstfindung einer jungen Frau durch die Verwandlung in einen Werwolf symbolisiert, sind es hier kannibalistische Gelüste. Auch die Dynamik der beiden Schwestern - eine ausgelassen, wild und herrisch, die andere zurückhaltend und schüchtern - erinnert sehr an das Zusammenspiel von Katharine Isabelle und Emily Perkins aus Ginger Snaps.
war im Residenz, Köln
51 Bewertungen auf f3a.net
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Bewertungen
Raw
- Score [BETA]: 78
- f3a.net: 7/10 51
- IMDb: 7.1/10
- Rotten Tomatoes: 90%
- Metacritic: 81/100