In einer Zeit, als Kriegsherren auch Dichter und Denker waren
von Alan Smithee
"Red Cliff" markierte nach über 16 Jahren Hollywood John Woos Rückkehr nach China. Der Film kam in Asien als Zweiteiler mit über viereinhalb Stunden Laufzeit in die Kinos, während er für das westliche Publikum auf einen Film mit knapp zweieinhalb Stunden gekürzt wurde. Auf dem FFF lief ebenfalls die kürzere Version, und obwohl sie ein beeindruckendes Schlachtenepos war, machte ich mir beim Verlassen des Kinos sofort eine gedankliche Notiz bei Gelegenheit die Langfassung einschiffen zu lassen. Vor 3 Wochen kam ich endlich dazu die vollständige Version des Films anzusehen, und ich kann jedem, der an "Red Cliff" interessiert ist, nur empfehlen sich ebenfalls diese zu besorgen.
Der Film basiert auf einigen zentralen Kapiteln des historisch angelegten Nationalepos "Die drei Königreiche", das wegen seines literarischen Ranges und auch aus inhaltlichen Gründen oft als die chinesische "Ilias" bezeichnet wird. Zeitlich etwa 208 n.C. angesiedelt, beschreibt er den Feldzug von Cao Cao, Premierminister des Han-Reiches, gegen die südlich gelegenen Reiche Shu und Wu. Offiziell als Krieg zur Sicherung des Fortbestandes der Han-Dynastie deklariert, verfolgt Cao Cao dabei persönliche und machtpolitische Interessen. Wegen der zahlenmäßigen Überlegenheit von Cao Cao’s Armee schließen sich die Herrscher der südlichen Reiche, Liu Bei und Sun Quan, zusammen und bereiten sich auf die berühmte Entscheidungsschlacht am "Red Cliff" vor...
Für westliche Zuschauer, die mit der Romanvorlage nicht vertraut sind, stellt die Fülle schillernder Charaktere zu Beginn vermutlich eine Herausforderung dar. Durch die Bank hervorragend besetzt, fallen neben den bereits genannten Figuren vor allem Zhuge Liang, Chefstratege von Liu Bei sowie dessen drei Generäle, Zhou Yu (Chef von Sun Quans Armee und wunderbar verkörpert von Tony Leung, der sich mit seinen Rollen in "Infernal Affairs", "In the Mood for Love" und "Lust, Caution" als führender chinesischer Charakterdarsteller etabliert hat), dessen Gattin Xiao Qiao und natürlich Sun Quan’s mutige Schwester Sun Shangxiang ins Auge.
Neben Cao Cao, der von Zhang Fengyi eindringlich als skrupelloser aber auch einsamer Kriegstreiber dargestellt wird, steht vor allem die Freundschaft von Zhou Yu und Zhuge Liang im Mittelpunkt, die ein beinahe intuitives Verständnis füreinander gewinnen und sich bei ihren taktischen Erwägungen kriegsentscheidend ergänzen. Den Hauptcharakteren, ihren Eigenheiten und Beziehungen untereinander wird in der Langfassung des Filmes sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, während sie in der kürzeren Fassung zugunsten der Schlachten leider nur angerissen werden. Besonders hart trifft dies Sun Quan, der angesichts einer übergroßen Vaterfigur und der Erfolge seines verstorbenen Bruders erst Vertrauen in sich selbst finden muss, Sun Shangxiang, die mit ihrem Mut den Ausgang des Krieges maßgeblich beeinflusst, und auch Cao Cao, dessen menschliche Seite hinter seinem sonst so arroganten Auftreten in einem eindrucksvollen Monolog, in dem er seine Soldaten indirekt als Söhne adressiert, zum Ausdruck kommt. Eine Intrige Zhou Yu’s gegen Cao Cao’s Flottenkommandanten, bei der auch besonders deutlich wird, wie sich seine Aktionen mit denen Zhuge Liang’s ergänzen, fiel ebenfalls unter den Tisch. Das Gleiche gilt in unterschiedlich starker Ausprägung für die Hauptthemen des Films: Freundschaft (mitunter über Feindeslinien hinweg), Brüderlichkeit, Loyalität und Ritterlichkeit, die John Woo bereits in seinen früheren Kriminalfilmen in den Mittelpunkt gerückt hat. Der Schere zum Opfer fielen darüber hinaus viele blutige Details der Schlachten, einige mehr oder weniger poetische Szenen und fast alle humorvollen Einlagen, was allerdings leicht verschmerzbar ist, da sie aus meiner Sicht (gerade angesichts des Themas..) manchmal etwas deplatziert wirkten. Spätestens zu Beginn der einstündigen Entscheidungsschlacht, deren Belagerungsszenen von John Woo wirklich beeindruckend in Szene gesetzt wurden, ist aber endgültig Schluss mit lustig.
In "Red Cliff" geht es jedoch nicht nur um Schlachten und ausgeklügelte Kriegstaktiken unter Einbeziehung des Wetters und der Charaktereigenschaften des Gegners. Ebenso setzen Philosophie, Musik, Kalligraphie und nicht zuletzt die Teekunst wichtige dramaturgische Akzente.
All dies macht den Film zu einem großen Erlebnis, wobei ich zum Schluss noch einschränkend anmerken möchte, dass man bei "Red Cliff" keinen allzu realistischen historischen Kriegsfilm erwarten sollte. Dazu sind vor allem in der ersten Hälfte des Zweiteilers einige Kampfszenen (z.B. bei der Schlacht mit der Schildkrötenformation) zu "over-the-top". Ebenfalls gibt es keine wirklich bitteren Entscheidungssituationen, in denen taktisches Kalkül und Menschlichkeit miteinander abgewogen werden müssen. Zumindest in dieser Hinsicht soll "The Warlords", der vor wenigen Jahren ebenfalls auf dem FFF lief, eindrucksvoller sein, habe ich mir sagen lassen.
Der Film basiert auf einigen zentralen Kapiteln des historisch angelegten Nationalepos "Die drei Königreiche", das wegen seines literarischen Ranges und auch aus inhaltlichen Gründen oft als die chinesische "Ilias" bezeichnet wird. Zeitlich etwa 208 n.C. angesiedelt, beschreibt er den Feldzug von Cao Cao, Premierminister des Han-Reiches, gegen die südlich gelegenen Reiche Shu und Wu. Offiziell als Krieg zur Sicherung des Fortbestandes der Han-Dynastie deklariert, verfolgt Cao Cao dabei persönliche und machtpolitische Interessen. Wegen der zahlenmäßigen Überlegenheit von Cao Cao’s Armee schließen sich die Herrscher der südlichen Reiche, Liu Bei und Sun Quan, zusammen und bereiten sich auf die berühmte Entscheidungsschlacht am "Red Cliff" vor...
Für westliche Zuschauer, die mit der Romanvorlage nicht vertraut sind, stellt die Fülle schillernder Charaktere zu Beginn vermutlich eine Herausforderung dar. Durch die Bank hervorragend besetzt, fallen neben den bereits genannten Figuren vor allem Zhuge Liang, Chefstratege von Liu Bei sowie dessen drei Generäle, Zhou Yu (Chef von Sun Quans Armee und wunderbar verkörpert von Tony Leung, der sich mit seinen Rollen in "Infernal Affairs", "In the Mood for Love" und "Lust, Caution" als führender chinesischer Charakterdarsteller etabliert hat), dessen Gattin Xiao Qiao und natürlich Sun Quan’s mutige Schwester Sun Shangxiang ins Auge.
Neben Cao Cao, der von Zhang Fengyi eindringlich als skrupelloser aber auch einsamer Kriegstreiber dargestellt wird, steht vor allem die Freundschaft von Zhou Yu und Zhuge Liang im Mittelpunkt, die ein beinahe intuitives Verständnis füreinander gewinnen und sich bei ihren taktischen Erwägungen kriegsentscheidend ergänzen. Den Hauptcharakteren, ihren Eigenheiten und Beziehungen untereinander wird in der Langfassung des Filmes sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet, während sie in der kürzeren Fassung zugunsten der Schlachten leider nur angerissen werden. Besonders hart trifft dies Sun Quan, der angesichts einer übergroßen Vaterfigur und der Erfolge seines verstorbenen Bruders erst Vertrauen in sich selbst finden muss, Sun Shangxiang, die mit ihrem Mut den Ausgang des Krieges maßgeblich beeinflusst, und auch Cao Cao, dessen menschliche Seite hinter seinem sonst so arroganten Auftreten in einem eindrucksvollen Monolog, in dem er seine Soldaten indirekt als Söhne adressiert, zum Ausdruck kommt. Eine Intrige Zhou Yu’s gegen Cao Cao’s Flottenkommandanten, bei der auch besonders deutlich wird, wie sich seine Aktionen mit denen Zhuge Liang’s ergänzen, fiel ebenfalls unter den Tisch. Das Gleiche gilt in unterschiedlich starker Ausprägung für die Hauptthemen des Films: Freundschaft (mitunter über Feindeslinien hinweg), Brüderlichkeit, Loyalität und Ritterlichkeit, die John Woo bereits in seinen früheren Kriminalfilmen in den Mittelpunkt gerückt hat. Der Schere zum Opfer fielen darüber hinaus viele blutige Details der Schlachten, einige mehr oder weniger poetische Szenen und fast alle humorvollen Einlagen, was allerdings leicht verschmerzbar ist, da sie aus meiner Sicht (gerade angesichts des Themas..) manchmal etwas deplatziert wirkten. Spätestens zu Beginn der einstündigen Entscheidungsschlacht, deren Belagerungsszenen von John Woo wirklich beeindruckend in Szene gesetzt wurden, ist aber endgültig Schluss mit lustig.
In "Red Cliff" geht es jedoch nicht nur um Schlachten und ausgeklügelte Kriegstaktiken unter Einbeziehung des Wetters und der Charaktereigenschaften des Gegners. Ebenso setzen Philosophie, Musik, Kalligraphie und nicht zuletzt die Teekunst wichtige dramaturgische Akzente.
All dies macht den Film zu einem großen Erlebnis, wobei ich zum Schluss noch einschränkend anmerken möchte, dass man bei "Red Cliff" keinen allzu realistischen historischen Kriegsfilm erwarten sollte. Dazu sind vor allem in der ersten Hälfte des Zweiteilers einige Kampfszenen (z.B. bei der Schlacht mit der Schildkrötenformation) zu "over-the-top". Ebenfalls gibt es keine wirklich bitteren Entscheidungssituationen, in denen taktisches Kalkül und Menschlichkeit miteinander abgewogen werden müssen. Zumindest in dieser Hinsicht soll "The Warlords", der vor wenigen Jahren ebenfalls auf dem FFF lief, eindrucksvoller sein, habe ich mir sagen lassen.
war im Metropolis 1, Frankfurt
42 Bewertungen auf f3a.net
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Bewertungen
Red Cliff
- Score [BETA]: 72
- f3a.net: 7.1/10 42
- IMDb: 7.2/10