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Review Retribution

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Depressiv
von D.S.

Hier haben wir es mit einem Film über das Übersinnliche zu tun, der ganz und gar typisch japanisch ist. Was jetzt nicht meint, daß es sich um einen weiteren Vertreter der seit "The Ring" so populären Sorte "blasses Geistermädchen mit langen dunklen Haaren" handelt (obwohl es das hier in gewisser Form auch gibt). Sondern vielmehr, daß Erzählduktus, Storyaufbau und Atmosphäre genau dem entsprechen, was Regisseure wie Kurosawa selbst mit Filmen wie "Cure" perfektioniert haben: unterkühlte, düstere, geradezu depressive Stimmung hängt über allem; das Tempo ist sehr ruhig; die Narration schreitet ohne größere, gar emotionale Höhepunkte voran, entwickelt dabei jedoch ein immer intensiveres Gefühl der Beklemmung und Ausweglosigkeit. Zwischen Realität und Halluzination kann oft nicht unterschieden werden, Linearität ist ohnehin kein Muß, dazu kommt ein enormes Maß an Symbolhaftigkeit: eine Vielzahl an Story- und Bildelementen ist mehrdeutig zu lesen, hinter der Erzählung selbst steckt noch eine wesentlich umfassendere, fast schon philosophisch zu nennende Deutungsebene.

Wobei ich hier gleich anmerken muß, daß Kurosawa auch schon schwerer zu entschlüsselnde Botschaften transportiert hat und vor allem solche, die etwas weniger, hmm, platt wirkten. Aber gut, er bewegt sich immer noch auf einem wesentlich höheren Erzählniveau als die meisten "Konkurrenten" und hat nach wie vor deutlich mehr und originelleres zu sagen. Ohne hier zu viel zu verraten: In diesem Fall geht es einerseits um den Abriß von Gebäuden, Stadtteilen, von Vergangenem, um es durch Neues zu ersetzen - zu verdrängen. Und darum, was auch noch nach Abschluß dieses Prozesses an Verdrängtem ans Tageslicht kommen kann... wozu es nicht immer ein Erdbeben braucht. Und andererseits geht es um das, was diese hauptsächlich symbolhafte Ebene beschreibt: den allzu menschlichen Versuch, mit seiner Vergangenheit abzuschließen, Erinnerungen durch neue Eindrücke zu verdrängen. Und die Frage, ob wir dazu überhaupt in der Lage sind - oder sich nicht die Erinnerung, die Vergangenheit doch immer wieder ihren Weg bahnt. Mit allen Konsequenzen für unsere Gegenwart. So deute ICH das Ganze jedenfalls.

Eingebettet sind diese Deutungsebenen in eine vordergründig ganz andere Geschichte: in Tokyo geschehen mehrere Morde nach einem fast identischen Muster - die Opfer werden ertränkt in einer Salzwasserlache aufgefunden. Zwar findet sich in den meisten Fällen schnell ein geständiger Täter, der sein Handeln aber auch nicht recht erklären kann. Und einiges scheint im ersten Fall auf den ermittelnden Kommissar als Mörder hinzudeuten - obwohl er sich nicht erinnern kann, die Frau gekannt zu haben und eigentlich auch keinerlei Grund dafür sieht, daß er wirklich etwas mit der Tat zu tun haben könnte. Dann aber sieht er immer wieder eine geheimnisvolle Frau in Rot, die ihn in Angst und Schrecken versetzt und ihm androht, ihn nie wieder in Ruhe lassen zu wollen...

Es muß nicht betont werden, daß hinter der verschlungen erzählten Geschichte wesentlich mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Was nicht nur die möglichen Deutungen, sondern auch ganz konkret die Handlung meint. Herausstechend ist vielleicht noch, daß man selten lebendiger wirkende, greifbarere und zudringlichere Geisterfiguren (?) als hier gesehen hat und daß es, wie immer bei Kurosawa, ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit braucht, um auch alle essentiellen Cues mitzubekommen.

Alles wie immer also, und damit auch wieder alles grandios? Leider nicht ganz, denn neben den möglichen Bedeutungsebenen ist auch die Storyebene nun nicht wirklich sehr innovativ geworden. Natürlich, es erwarten einen Überraschungen, aber die sind nicht so umwerfend und vor allem nicht so verstörend, wie man das aus einigen seiner früheren Werke gewohnt war. Zum Teil zieht sich der Film gar auf ein sehr klassisches Spukgeschichten-Level zurück.

Das macht "Retribution" nun nicht zu einem schlechten Film, er kann unbedingt fesseln und überzeugt gerade atmosphärisch - jedenfalls, wie man mit dieser lakonisch düsteren Art Film etwas anfangen kann. Allemal besser als das Genre-Standardprogramm also, aber nicht so nachhaltig eindrucksvoll, wie man es erhoffen konnte. Darum nur 7 Punkte von mir.

war im Metropolis 8, Frankfurt

15 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Retribution
  • Score [BETA]: 49
  • f3a.net: 4.9/10 15
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-03-29 14:42

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