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Review Secrets of State

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Wes Brot ich ess...
von D.S.

SECRETS OF STATE handelt von islamistischen Extremisten und der Terrorabwehr des französischen Geheimdienstes. In erster Linie ist er jedoch ein Film über die Manipulation von Menschen - sowie über den Unterschied zwischen Überzeugungs- und Verzweiflungstaten.

Abwechslungsreich erzählt, mit ständigen Sprüngen zwischen den verschiedenen Handlungssträngen, fesselt der Film durch ein relativ hohes Tempo und einige Schauwerte: hier waren Profis und ein nicht zu kleines Budget am Werk, jeder Thriller-Interessierte wird angenehm routiniert unterhalten. Trotz seines Szenarios und seiner moralischen Implikationen ist SECRETS OF STATE dabei tatsächlich fast ausschließlich als Unterhaltung wahrzunehmen: die Themen religiöser Fanatismus, Rassismus und staatliche Komplettüberwachung werden zwar angeschnitten, aber nicht vertieft. Eine ernsthafte Auseinandersetzung auch mit dem Konflikt zwischen islamistischer und "westlicher" Lebensauffassung bleibt aus - vielmehr dient er als Bühne für das Schachspiel zwischen den Drahtziehern im Hintergrund.

Die Figuren sind dabei unsere Protagonisten, Diane auf der einen Seite, Pierre auf der anderen. Beide sind an einem Punkt in ihrem Leben angekommen, an dem nichts mehr so läuft, wie sie sich das vorgestellt hatten. Wenn auch mit sehr ungleicher Dramatik: Diane ist durch eine wichtige Uni-Prüfung gefallen, muss nun ein Jahr wiederholen und sich den tollen Job als Übersetzerin in den Vereinigen Arabischen Emiraten abschminken. Pierre hingegen wird als Drogendealer verhaftet und landet im Knast, wo er gleich am ersten Tag brutal vergewaltigt wird. Der Film verfolgt den Weg, den die beiden daraufhin einschlagen - bzw., auf den sie gebracht werden. Denn der Widerstand, dem sie ihrem sich abzeichnenden Schicksal entgegenbringen, scheint minimal; sie wirken immer mehr wie Spielfiguren und immer weniger wie Menschen, die ihre eigenen Ziele verfolgen, ihre eigenen Überzeugungen haben, ihre eigenen Überlegungen anstellen. Sie lassen sich vom Strom der Ereignisse mitreißen und landen bald dort, wo ihre jeweiligen Hintermänner sie haben wollen: Pierre als Konvertit in einem Ausbildungslager im Nahen Osten, Diane als Geheimagentin hinter den feindlichen Linien. Dabei ist es völlig klar, dass ihre Wege sich eines Tages kreuzen werden, so will es nun mal die Dramaturgie eines solchen Filmes.

Für das, was er ist, macht SECRETS OF STATE seine Sache fast durchweg gut. Längen gibt es kaum zu vermelden, was zu einem großen Teil dem Erzählstil mit seinem rasanten Perspektiv- und Handlungswechsel geschuldet ist. Und spannend ist die Geschichte allemal, zudem in ihrem Setting extrem aktuell - wenn auch nur bedingt glaubwürdig, gerade was die Schilderung unserer beiden gegensätzlichen Protagonisten angeht. Bei der Figur des Pierre wirkt sein Weg zum Terroristen zwar nicht unrealistisch, angesichts solcher, gut vorstellbarer Erlebnisse könnte man ihn auch als dokumentarische Skizze nachvollziehen. Problematisch ist hier nur, dass einschneidende Momente seiner Biografie nicht ausreichend vertieft werden, die Brüchigkeit seiner Lebenssituation deshalb nicht stark genug spürbar wird und sein Persönlichkeitswandel so in großen Teilen zu spontan und willkürlich erscheint. Hier ist die Rahmenhandlung also überzeugend, die Figur jedoch nicht. Bei Diane verhält es sich genau andersherum: ihre Beweggründe sind stets nachvollziehbar - aber die Situation, die sie zu ihren Entscheidungen bringt, wirkt an den Haaren herbei konstruiert. Hier ist der Film am deutlichsten nur ein Film; als Zuschauer weiß man genau, dass so etwas in der Realität nie passieren würde.

Wenn man SECRETS OF STATE jedoch eben nur als Unterhaltungsfilm betrachtet, ist ein solcher gewisser Unrealismus aber natürlich nebensächlich. Zwar gibt es zwischendurch auch einige sozialkritische Spitzen, die scheinen aber eher dem Zeitgeist geschuldet oder der Sich-Vergewisserung der Filmemacher, auf der moralisch integeren Seite zu stehen. Selbstverständlich haben sie, im Zusammenhang mit der ambivalenten Zeichnung auch der vorgeblich "Guten" auf Regierungsseite, die Funktion, Schwarz und Weiß zu vermischen und damit den Handlungsausgang nicht zu vorhersehbar zu machen. Das gelingt auch recht gut. Um eine tiefergehende "Botschaft" hinter dem Thriller-Inhalt zu vermuten, ist die Konstruktion der schurkenhaften Drahtzieher jedoch eindeutig zu eindimensional und unglaubwürdig.

In dieser Hinsicht darf man von SECRETS OF STATE also auf keinen Fall zu viel erwarten. Hat man jedoch Lust auf spannende, gut inszenierte Unterhaltung im politisch-religiösen Umfeld, mit moralischen Untertönen und einem aktuellen Bezug, sollte man den Film nicht verpassen. Er gehört zu den besseren seines Fachs. 6,5 Punkte von mir.

glotzte im Metropolis 8, Frankfurt

24 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Secrets of State
  • Score [BETA]: 63
  • f3a.net: 6/10 24
  • IMDb: 6.6/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-03-29 11:00

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