Menü

Review Shelley

Finden

Schwere Geburt
von D.S.

Zurück zur Natur: Wie bereits in INTO THE FOREST sind wir auch hier in den dichten Wäldern Skandinaviens unterwegs. Während in jenem aber der Familienvater seine Söhne selbst fernab der Zivilisation bevorzugt mit gefriergetrockneten Fertiggerichten ernährt, ist Elena aus Bukarest in SHELLEY bei waschechten Ökos gelandet, denen bereits Weißbrot und Zucker als unvorstellbare Sünde wider den eigenen Körper gelten. Dass das grundsätzlich zwar freundliche, im Kern aber ganz schön verbiestert wirkende Ehepaar Louise und Kasper, bei dem Elena als Haushaltshilfe ein paar Kronen zum Kauf einer Wohnung in Rumänien hinzuverdienen möchte, regelmäßig Besuch von einem verlotterten Schamanen-Verschnitt erhält, ist da Ehrensache: Irgendwer muss ja schließlich die "schlechten Energien" vertreiben, die Raum und Geist belasten.

SHELLEY reizt solchen Esoterik- und Heilpraktiker-Mumbo-Jumbo gehörig aus – meiner Meinung nach übertrieben, denn zur Story trägt er nicht wirklich bei. Die dreht sich darum, dass Elena – nach reichlich Exposition – einwilligt, Leihmutter für das Paar zu spielen, da Louise nach einer Fehlgeburt keine Kinder mehr kriegen kann. Ellen Dorrit Petersen als Louise erinnerte mich übrigens optisch mehrfach an eine jüngere Nicole Kidman – deren BIRTH zwar inhaltlich natürlich völlig anders gelagert ist, sich zumindest nach seinem Titel aber doch dem gleichen Thema widmet.

Wie dem auch sei: Elenas Schwangerschaft wird von erheblichen Problemen begleitet, ihr geht es täglich schlechter, sie hat ständig unglaubliche Schmerzen – insbesondere bei Kontakt mit Wasser – und entwickelt einen aggressiven Hautausschlag. Mehrere Arztbesuche fördern jedoch keine Erklärung zutage: Dem ungeborenen Kind geht es gut, und auch bei Elena selbst kann außer Eisenmangel nichts diagnostiziert werden. Also beißt sie die Zähne zusammen und leidet weiter. Nur, wie lange wird sie das durchhalten? Was wächst da in ihr heran und warum verursacht es ihr so viele Schmerzen – und so viele finstere Albträume?

Bei einem Film, der SHELLEY heißt, ist zu erwarten, dass die leidende Leihmutter keinen kleinen Kevin von nebenan auf die Welt setzen wird. Das Feature-Debüt von Ali Abbasi versucht dann auch gar nicht erst zu verheimlichen, dass sich da wohl etwas Monströses im Fruchtwasser bereitmacht. Erklärungen oder auch mur Andeutungen über dessen Ursprung bleiben aber aus, die Nennung von ROSEMARY’S BABY als Referenzpunkt führt insofern auf eine falsche Fährte – in der Stimmung sind aber durchaus Ähnlichkeiten vorhanden, denn zunächst steht auch Elena mit ihren Ängsten und Qualen alleine da. Später scheint allerdings Kasper ebenso mit der Frucht ihres Leibes nicht unbedingt warm zu werden, und da passt dann auch der Verweis auf DAS OMEN ein Stück weit.

Während SHELLEY aber atmosphärisch einiges richtig macht, es hier nach sehr langgezogenem, "harmlos" wirkendem familiären Beisammensein in der unverfälschten Natur in der zweiten Filmhälfte zunehmend düsterer vonstatten geht, Elena im gleichen Maße immer öfter immer schlimmere albtraumhafte Zustände erlebt wie Louise immer feindseligere Persönlichkeitszüge offenbart – fällt die Auflösung des Ganzen erschreckend flach auf die Nase. Zum einen wird hier handlungsseitig nichts geboten, das den langsamen Aufbau der Story wirklich rechtfertigen könnte. Zum anderen liegt der eigentliche Höhepunkt der Handlung, der aber nicht effektiv als solcher inszeniert wird, dessen dramatisches Potential fast völlig verschenkt wird, bereits am Ende des zweiten Drittels des Films. Danach schleift sich SHELLEY noch eine ganze Weile weiter. Kann jedoch überhaupt nicht mehr fesseln – denn das, worauf er die ganze Zeit hingearbeitet hat, ist erledigt, und er hat nichts Nennenswertes mehr zu bieten, um die Spannung hochzuhalten.

Für mich war der Film letztendlich zu zäh und ereignisarm, ich habe mich über weite Strecken schlicht gelangweilt. Zwar ist vor allem Elenas Leiden überzeugend gespielt, und auch das Make-up-Department leistet ganze Arbeit: Wenige Zombies sehen zombieartiger aus als Cosmina Stratan in den letzten Zügen von Elenas Schwangerschaft. Das reicht aber nicht, um den Zuschauer bei der Stange zu halten – zumindest, solange er nicht gerade selbst schwanger ist. Hinzu kommen mehrere Continuity-Fehler, die auf eine Änderung der Szenen-Reihenfolge nach Abschluss der Dreharbeiten schließen lassen; offenbar war man irgendwann vom eigenen Drehbuch selbst nicht mehr ganz überzeugt. Ein spoilerfreies Beispiel: Elenas Ausschlag wird kontinuierlich schlimmer, zwischendrin aber gibt es eine Badeszene, in der er fast vollständig verschwunden – oder eben fast noch nicht vorhanden – ist.

Ansonsten technisch, darstellerisch, atmosphärisch durchaus gelungen. Nur die Handlung liefert leider überhaupt nicht, was sie verspricht. Und sie zieht sich. Sehr. 4,5 Punkte von mir.

war im Cinestar, Frankfurt

32 Bewertungen auf f3a.net

Zurück

Bewertungen

Shelley
  • Score [BETA]: 68
  • f3a.net: 5.5/10 32
  • IMDb: 5.4/10
  • Rotten Tomatoes: 100%
  • Metacritic: 62/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 11:23

Archiv Suche


oder ?