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Review Something in the Dirt

Finden

Mehr Licht!
von D.S.

Zwei Nachbarn in einem halbwegs heruntergekommenen Apartmentkomplex in LA stolpern förmlich über ein Phänomen, das allen bekannten physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu widersprechen scheint: Ein als Aschenbecher missbrauchtes Objekt aus Quarzstein erhebt sich eigenmächtig in die Luft und sondert dabei zunächst nur farbenfrohe Licht-, später auch hochmelodische Tonfrequenzen ab. Nur langsam realisierend, was sie da vor sich haben, beginnen die beiden Jungs (gespielt von den Regisseuren Justin Benson und Aaron Moorhead selbst), immer versponnenere Ideen über die Gründe für dieses Ereignis zu entwickeln, wobei sie tief in Gravitations- und Elektromagnetismus-Theorien eintauchen – und das naturwissenschaftlich vielleicht nicht ganz so bewanderte Publikum zwischenzeitlich durchaus überfordern können.

Bald schon fühlen sie sich einem Geheimnis auf der Spur, das in die Kategorie weltumspannend bzw. einheitliche Feldtheorie fällt, insbesondere, als sie auf einmal überall in der Stadt ein bestimmtes grafisches Muster zu erkennen glauben, das sich auch in einem obskuren, ausschließlich in Esperanto verfassten Lehrbuch namens „Geometry of Magnetism“ findet. Kurz gesagt: Sie machen sich auf eine immer weiter ausufernde Jagd nach signifikanten Zufällen – oder aber „Nicht-Zufällen“ –, die belegen, dass ihr Phänomen die Welt erklären kann, wobei sie sich, wie von ihnen selbst irgendwann beschrieben, in einer stetig wachsenden Zahl von Indizienfäden verlieren, die doch nie zu einem Ende führen.

Prägnanter und holistischer als in SOMETHING IN THE DIRT wurde das Wesen von Verschwörungsfantasien vielleicht noch nie fassbar gemacht, ihre destruktiven Auswirkungen auf einen vermeintlich klaren, kritischen Geist noch nie nachvollziehbarer in Wort und Bild gefasst. An dieser Stelle hört der Film allerdings nicht auf, stattdessen führt er einen weiteren Handlungsstrang ein: John und Levi, die beiden Nachbarn, erkennen in dem übernatürlichen (?) Ereignis – dessen Umfang sich bald noch ausweitet – das Potenzial, ihr Leben auf einen grüneren Zweig zu bringen, sprich, sie beschließen, eine Doku darüber für Netflix zu erstellen. Womit sich die Erzählung vielleicht ein klein wenig verhebt, denn zu exzessiv verkopften Diskussionen und bizarren Sichtungen kommen nun auch noch drastische Sprünge auf der Zeitebene und in der Erzählperspektive hinzu, als wir verfolgen, wie die beiden einige ihrer „paranormalen“ Erlebnisse für die Kamera nachstellen oder andere an der Dokumentation Beteiligte zu Wort kommen.

Diese „Filmherstellung im Film“ hätte es wohl nicht unbedingt gebraucht, die Erzählung ist auch in sich schon faszinierend abseitig genug inszeniert, andererseits kann ja eine weitere Verwirrdimension im Universum der beiden Ausnahmeregisseure niemals schaden – und sei es nur, weil sie für zusätzliche Anlässe für amüsante Dialoge sorgt. Apropos, mehr Humor als in SOMETHING IN THE DIRT hat sich noch in keinem ihrer bisherigen gemeinsamen Werke gefunden. Ich sage nur „Rose Croutons“! Finden lässt sich zudem auch hier wieder ein Querverweis auf einen ihrer vorherigen Filme: Überdeutlich wird in einer Sequenz ein Werbeplakat für die „Arcadia Brewery“ mit dem Slogan „endlessly refreshing!“ in Szene gesetzt. „Camp Arcadia“ heißt der Sektenhort in THE ENDLESS.

Solcherart Filmgeek-Ostereier, in Ideen versteckte Ideen ganz im Stil der nicht zufällig im Innenhof des Gebäudes platzierten Matrjoschka-Puppen, überlaut vibrierende Erzählvenen voller Kreativität und schier nicht einzufangender Kreativität: SOMETHING IN THE DIRT präsentiert Benson und Moorhead in Hochform – und gleichzeitig eine Geschichte, die auch in sich auf mehreren Ebenen gelesen werden kann. Einerseits, wie erwähnt, als durchgeknallte Analyse durchgeknallter Verschwörungsfantasien, die deutlich von der Arbeit der beiden an ARCHIVE 81 beeinflusst zu sein scheint. Andererseits aber auch als Geschichte über das Finden eines Lebenssinns, eine Definition seiner selbst durch das Verfolgen einer selbst gestellten Aufgabe. Oder als eine Geschichte über Empathie und das Verstehen, das aus einer Zweckfreundschaft eine wirkliche machen kann. Vielleicht aber auch nur als Geschichte über LA. Den Ort mit dem besten Licht. Für mich persönlich jedenfalls ein echtes Highlight – 8 Punkte.

staunte im Harmonie, Frankfurt

24 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Something in the Dirt
  • Score [BETA]: 73
  • f3a.net: 5.5/10 24
  • IMDb: 6.8/10
  • Rotten Tomatoes: 88%
  • Metacritic: 80/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-03-29 11:29

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