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Review The Strangers

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Dieser Review enthält SPOILER!

Lauf, wenn du kannst!
von MissVega

Manchmal versteckt sich zwischen den ganzen neuen, technisch aufgehübschten und mit Effekten zugeballerten Thrillern oder Horrorfilmen einer, der nichts von alledem hat, der weder großartige Make-up-Artists benötigt, die Schauspielern die abenteuerlichsten Masken aufs Antlitz pinseln oder der monatelang am Computer nachbearbeitet werden muss, um nachträglich hunderte von Special Effects unterzubringen. Alles, was ein richtiger, guter Horrorthriller braucht, ist ein guter Regisseur, ein straffes Drehbuch, passable Darsteller, die ihren Beruf beherrschen und die richtige Musik. Fertig ist "The Strangers", ein Horrorfilm, der einem 85 Minuten lang den Angstschweiß auf die Stirn treibt.

Und wieder haben wir hier ein Erstlingswerk vor uns. Der erst 30jährige Bryan Bertino hat es geschafft, nach Jahren mit technischem Firlefanz und unechten Monstern vollgestopften Filmen das Genre wieder auf das zu reduzieren, was es eigentlich ausmacht: nervenzerfetzende Spannung, die dauerhaft auf einem so hohen Niveau gehalten wird, dass man während der gesamten Dauer des Films nicht zur Ruhe kommt. "The Strangers" ist so verstörend wie gemein, er treibt die Spirale willkürlicher und sinnloser Gewalt so gekonnt auf die Spitze, dass man eine Weile braucht, um sich von diesem Film zu erholen. Dieses kleine Meisterwerk schafft mit ganz wenigen Stilmitteln das, was den meisten überteuerten Hochglanzproduktionen nicht mehr gelingt: Er macht einem wirklich richtig Angst!

Kristen (Liv Tyler, "Herr der Ringe") und James (Scott Speedman, "Underworld") kommen mitten in der Nacht von einer Hochzeitsfeier in das Sommerhaus von James’ Eltern zurück. Die Stimmung ist bescheiden, da Kristen just James’ Heiratsantrag abgelehnt hat. So schleichen sie eine Weile missmutig und traurig umeinander herum, bis Kristen ihren Fast-Verlobten bittet, ihr noch ein paar Zigaretten zu besorgen. Vorher jedoch klopft es unvermittelt an der Tür. Vor derselben steht ein Mädchen, das nur eine Frage hat: "Ist Tamy da?" Nach der verneinenden Antwort verschwindet sie im nahe gelegenen Wald. Seltsam, aber was soll’s. James fährt los und lässt Kristen allein. Böser Fehler! Denn sobald sie allein ist, geschehen unheimliche Dinge. Es klopft wieder an der Tür, wieder das Mädchen, wieder dieselbe Frage. Sie verschwindet... es klopft erneut. Dielen knarren, Türen quietschen, Kristens Handy verschwindet, der Kamin ist verstopft und auf einmal steht eine maskierte Gestalt hinter Kristen, ohne sich jedoch bemerkbar zu machen. Bevor auch das Telefonkabel durchtrennt wird, kann Kristen noch James anrufen. Sobald dieser wieder da ist, geht der Spaß erst richtig los. Die Beiden werden aufs Übelste von drei Fremden (zwei Frauen und einem Mann) terrorisiert und systematisch an den Rand unerträglicher Angst getrieben. Und dies erreichen die drei Unbekannten anfangs nur durch minimale Handlungen und ohne direkte Gewaltanwendung. Fensterscheiben werden mit Botschaften versehen, die Musik geht plötzlich aus, die Fremden erscheinen überall auf dem Gelände, wo sie teilweise nur stehen und die Beiden anstarren, sie jagen die Beiden im Haus und auf dem bewaldeten Gelände drumherum. Unsere zwei Lovebirds haben nicht den Hauch einer Chance. Was wollen die Drei? Geld ist es offensichtlich nicht. Der Grund ist so simpel wie erschreckend. Als Kristen irgendwann die Frage stellt, warum ihnen das alles angetan wird, lautet die verstörende Antwort: "Weil ihr zu Hause wart". Und an dieser Stelle des Films ist das Martyrium der Beiden noch längst nicht vorbei. Jeder Fluchtversuch ist gescheitert, sie sind sogar unfreiwillig zu Mördern an einem völlig Unschuldigen geworden und sind immer noch im Sommerhaus gefangen, auf der sinnlosen Suche nach einem Versteck vor den drei Wahnsinnigen mit den Faschingsmasken.

Es ist wirklich nahezu unglaublich, wie es Bertino hier gelungen ist, so sehr an der Spannungsschraube zu drehen, dass man fast aufstehen und weglaufen möchte. Er gönnt weder seinen beiden Hauptprotagonisten noch den Zuschauern auch nur einen Moment der Ruhe, man ist so angespannt und verkrampft, während der Film läuft, dass man sich auch danach nicht gleich entspannen kann. Und das alles gelingt Bertino mit nur zwei Locations - im Haus und um das Haus herum - und zwei hervorragend agierenden Akteuren. Er verzichtet glücklicherweise auf das symptomatische hysterische Geschrei der Hauptdarstellerin, er lässt die Musik nicht permanent unheilvoll anschwellen und wartet kaum mit echten Schockeffekten auf. Er kreiert einfach eine so unheilvolle Atmosphäre, die so beängstigend und real ist, dass es einem eiskalt den Rücken runterläuft. Denn: das Ganze ist so verdammt realistisch, dass einem der Atem stockt. Genau das kann einem, sofern man nicht höher als im 1. Stock wohnt, jederzeit passieren. Man hat überhaupt keinen Einfluss darauf, sich diesem hier dargestellten perfiden Terror zu entziehen, im Gegenteil, man verlässt das Kino mit einem sehr flauen Gefühl im Magen, einfach, weil sich hier pure Willkür Bahn bricht, gegen die man, trotz aller Anstrengung letztendlich machtlos ist. Den Beiden wird so lange mit simpelsten Mitteln Angst eingejagt, bis sie fast völlig handlungsunfähig sind. Und da haben sie noch nicht einen Kratzer durch die Hände des mörderischen Trios abbekommen. Sie sind Gejagte, die durch die stetige Demoralisierung und Verängstigung keine Jäger mehr werden können. Sie sind den Taten und Launen ihrer drei Verfolger hilflos ausgeliefert.

Diesen Film nimmt man gedanklich mit nach Hause, nicht, ohne sich auf dem Heimweg und dann zu Hause ein paar Mal gründlich umzusehen. Und zu hoffen, dass es nicht mitten in der Nacht an der Tür klopft. Dieser Film ist wirklich nichts für schwache Nerven! Es fließt kaum Blut, es gibt kaum gezeigte direkte körperliche Angriffe oder Verletzungen, dieser Film bezieht seine hypnotische Sogkraft allein aus der exzellenten Mischung aus perfekt ausgewählter Musik (oder im entscheidenden Moment aus dem Fehlen derselben), unbarmherzigem Spannungsaufbau und dem Halten desselben, aus einem guten Cast und vor allem aus seinem deprimierenden Realismus. Menschen werden zu tausenden Opfer von sinnloser und brutaler Gewalt, bei den Verbrechen geht es nicht mehr um Rache oder Geld oder Notwehr, es geht nur noch um Willkür, um das, was eben passieren kann, einfach, weil die Umstände dies ermöglichen. Zur falschen Zeit am falschen Ort, so einfach wie fatal ist das.

Dieser Film ist einer der Besten, den ich in den letzten Jahren gesehen habe, und ich bin immer noch fasziniert, mit wie wenig stilistischen Mitteln etwas so Beeindruckendes gedreht werden konnte. Wenn Regisseur Bertino das Niveau, das er hier vorgelegt hat, in seinen zukünftigen Filmen halten kann, braucht man sich um die erfolgreiche Karriere dieses Mannes keine Gedanken machen. Und für uns springen hoffentlich noch ein paar mehr solch nervenaufreibende Filme heraus. Satte zehn von zehn unheimlichen Klopfzeichen an der Tür und einen panischen Blick über die Schulter.

staunte im Cinemaxx 3, Hamburg

67 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

The Strangers
  • Score [BETA]: 65
  • f3a.net: 6.2/10 67
  • IMDb: 6.8/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-20 10:22

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