Reviewer
Herr_Kees * 8.0
Das Bildnis der Dorian Gray
In Coralie Fargeats Cannes-Triumph (Ohnmachtsanfälle und Goldene Palme für das Drehbuch) lässt sich der alternde Aerobic-Star Elisabeth Sparkle (Demi Moore) auf eine ungewöhnliche Methode der Körperoptimierung ein – mit Hilfe einer ominösen Substanz gebärt sie in einem schmerzhaften Prozess ihr „besseres Selbst“ Sue (Margaret Qualley). Doch beide Wesen bilden eine Einheit, es gibt bei der „Substance“-Methode strenge Regeln zu beachten und es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese gebrochen werden.
In unseren Zeiten der Oberfläche und ständigen – insbesondere optischen – Selbstoptimierung war eine Neuauflage von Oscar Wildes Klassiker „The Picture of Dorian Gray“ eigentlich längst überfällig. Fargeats nutzt Wildes Motiv geschickt für eine satirische Aufarbeitung von Körper- und Jugendkult in der Entertainmentindustrie.
Dabei beweist sie bereits beim Casting ein fantastisches Gespür: Die „Doppelrolle“ von Elisabeth/Sue ist mit Moore/Qualley grandios besetzt, beide Schauspielerinnen geben und zeigen alles, von beiden sind wir diesen Mut zur Körperlichkeit zwar schon gewohnt, immerhin posierte Demi Moore nackt und hochschwanger auf der Vogue (die hier quasi auch nebenbei zitiert wird), aber das ist immerhin auch schon 33 Jahre her. Mit ihren über 60 Jahren ist das hier eine in jedem Sinne reife Leistung. Auch das Wiedersehen mit Dennis Quaid (eingesprungen für den verstorbenen Ray Liotta) ist erfreulich, auch er hat sichtlich Spaß an seiner over the top Darstellung des Produzentengockels.
Doch THE SUBSTANCE ist kein reiner Schauspielerfilm. Die Regisseurin zitiert Vorbilder quer durch die Film- und Genregeschichte. Die Räume sehen allesamt aus, als wären sie für nicht realisierte Kubrickfilme entworfen worden (oder aus bestehenden kopiert), der Bodyhorror könnte direkt von Rob Bottin (THE THING) oder aus Brian Yuznas SOCIETY stammen, im Finale ***SPOILER***verschmilzt CARRIE mit dem ELEPHANT MAN.
Das ist natürlich von allem zu viel, aber Fargeat legt es durchaus auf Überforderung an, Subtilität kann man dem Film gewiss nicht vorwerfen, er soll knallen und das tut es, von den bombigen Primärfarben über den wummernden Soundtrack bis zu den extremen Kameraperspektiven. Auch das inhaltliche Konzept ist komplett künstlich und abstrakt, angefangen bei der seltsamen Substanz, für deren Nutzung niemals sichtbar Geld fließt (andererseits verständlich, bei diesen Nebenwirkungen) bis zum völlig aus der Zeit gefallenen Hype um eine Aerobicsendung im Frühstücksfernsehen. Für eine Horrorsatire macht das aber alles irgendwie Sinn.
Der Film hat so viele Höhepunkte zu bieten, dass das Finale im Vergleich etwas flach ausfällt, allerdings macht die letzte Einstellung alles wieder rund, der Kreislauf schließt sich und wir gehen satt nach Hause.
In unseren Zeiten der Oberfläche und ständigen – insbesondere optischen – Selbstoptimierung war eine Neuauflage von Oscar Wildes Klassiker „The Picture of Dorian Gray“ eigentlich längst überfällig. Fargeats nutzt Wildes Motiv geschickt für eine satirische Aufarbeitung von Körper- und Jugendkult in der Entertainmentindustrie.
Dabei beweist sie bereits beim Casting ein fantastisches Gespür: Die „Doppelrolle“ von Elisabeth/Sue ist mit Moore/Qualley grandios besetzt, beide Schauspielerinnen geben und zeigen alles, von beiden sind wir diesen Mut zur Körperlichkeit zwar schon gewohnt, immerhin posierte Demi Moore nackt und hochschwanger auf der Vogue (die hier quasi auch nebenbei zitiert wird), aber das ist immerhin auch schon 33 Jahre her. Mit ihren über 60 Jahren ist das hier eine in jedem Sinne reife Leistung. Auch das Wiedersehen mit Dennis Quaid (eingesprungen für den verstorbenen Ray Liotta) ist erfreulich, auch er hat sichtlich Spaß an seiner over the top Darstellung des Produzentengockels.
Doch THE SUBSTANCE ist kein reiner Schauspielerfilm. Die Regisseurin zitiert Vorbilder quer durch die Film- und Genregeschichte. Die Räume sehen allesamt aus, als wären sie für nicht realisierte Kubrickfilme entworfen worden (oder aus bestehenden kopiert), der Bodyhorror könnte direkt von Rob Bottin (THE THING) oder aus Brian Yuznas SOCIETY stammen, im Finale ***SPOILER***verschmilzt CARRIE mit dem ELEPHANT MAN.
Das ist natürlich von allem zu viel, aber Fargeat legt es durchaus auf Überforderung an, Subtilität kann man dem Film gewiss nicht vorwerfen, er soll knallen und das tut es, von den bombigen Primärfarben über den wummernden Soundtrack bis zu den extremen Kameraperspektiven. Auch das inhaltliche Konzept ist komplett künstlich und abstrakt, angefangen bei der seltsamen Substanz, für deren Nutzung niemals sichtbar Geld fließt (andererseits verständlich, bei diesen Nebenwirkungen) bis zum völlig aus der Zeit gefallenen Hype um eine Aerobicsendung im Frühstücksfernsehen. Für eine Horrorsatire macht das aber alles irgendwie Sinn.
Der Film hat so viele Höhepunkte zu bieten, dass das Finale im Vergleich etwas flach ausfällt, allerdings macht die letzte Einstellung alles wieder rund, der Kreislauf schließt sich und wir gehen satt nach Hause.
verweste im EM, Stuttgart
D.S. * 7.5
Mehr Stil als Substanz
Was soll ich noch groß schreiben zum diesjährigen Konsensfilm, den eh schon jeder gesehen hat und lobt, zu dem es wahnsinnig eloquente Besprechungen noch und nöcher (auch von zahlreichen Major-Medien) gibt, zu dem hier außerdem unser eigener Herr_Kees bereits ein Review verfasst hat, in dem alles Entscheidende überaus adäquat geschildert wird?
Sagen wir’s so: THE SUBSTANCE ist auf mehreren Ebenen ein Fest. Das gilt in erster Linie für Art-Direction und Set-Design, die hier bis ins Detail perfekt gestaltete, das private oder berufliche Umfeld, die Selbstverortung und/oder den Geisteszustand unser Protagonistinnen fulminant widerspiegelnde Spiel-Räume erschaffen, die man verzückt bewundern möchte. Das gilt auch für unsere vor wirklich nichts zurückschreckenden Hauptdarstellerinnen. Es gilt für die Masken- und Make-up-Artists und Special-Effects-Künstler, die den Film in ein grandios schmierig-schleimiges und blutiges Wunderland verwandeln. Das gilt ebenso für die Regisseurin Coralie Fargeat, die keine Hemmungen kennt, Ekel herauszukitzeln und für ihre Story in dessen maximale Untiefen einzutauchen – dabei aber fast immer die Fäden in der Hand behält und ein Ergebnis kreiert, das in seiner Intensität viele Münder offenstehen lassen dürfte. Das gilt aber – auch, wenn Cannes das anders sieht – vielleicht nicht so uneingeschränkt für die Drehbuchautorin Coralie Fargeat, die ihre Geschichte als ultimativ bissige Satire auf Körperkult, Altersdiskriminierung und Fixierung auf Äußerlichkeiten anlegt. Dabei jedoch jede Nuancierung und Mehrdimensionalität vermissen lässt, oder auch: stellenweise unglaublich platt daherkommt.
Vielleicht ist eine derartige Holzhammer-Herangehensweise ja sogar zielführend, weil das Mainstream-Publikum die Wahrheiten und Gemeinheiten des Lebens einfach dringend einmal klar vor Augen geführt bekommen muss. Allerdings steht zu bezweifeln, dass sich nennenswerte Anteile eines solchen in diesen Film verirren werden – schmerzhafter Body Horror der Cronenberg-Schule steht für gewöhnlich eher nicht auf deren Sichtungsprogramm. Mir persönlich war die Charakterisierung von Figuren und Geschehnissen aber definitiv ein gutes Stück zu plump und oberflächlich. Ja, natürlich ist Oberflächlichkeit hier Programm: So heißt z.B. die Neujahrsshow unserer Klon-Protagonistin einfach „The New Years Eve Show“, so ist ihr Boss beim TV-Sender ein einziges Klischee-Abziehbild, so ist generell die Figurenzeichnung mit der Schärfe einer Diet-Coke-Werbung aus den 80ern versehen, so erfahren wir natürlich auch nichts über die Hintergründe der handelnden Figuren. Ja, ist Programm. Ist Kritik, wenn man so möchte. Kritik an der Oberflächlichkeit, mit der wir andere Personen betrachten, Kritik an der entsprechenden Epoche, in der sie allgemein akzeptierter Standard war. Mir fehlte da dennoch etwas Tiefgründigkeit. Etwas, womit ich mich weitergehend auseinandersetzen könnte und was mich vielleicht zu neuen Überlegungen inspirieren könnte.
Aber vielleicht hatte ich da ganz einfach zu große Erwartungen. THE SUBSTANCE unterhält wahnsinnig gut, ist toll anzuschauen, hat einen herrlich hohen Ekelfaktor***SPOILER***, zitiert im Finale direkt Brian Yuznas SOCIETY und hört dann auch gar nicht mehr auf damit, in schönsten Farben wild herumzuspritzen. Wer es etwas abseitiger, blutiger, perverser und ekliger mag, wird hier auf jeden Fall seinen Spaß haben. Mehr als das sollte er aber auch nicht unbedingt erwarten, schon gar keine wirklich relevanten Kommentare zum Zustand unserer Zivilisation bzw. unseres Zusammenlebens – aber das braucht es ja auch nicht zwingend, oder?
20 Minuten straffen hätte man das Ganze allerdings definitiv können. Und ich hätte es auch schön gefunden, wenn man wenigstens für einen Moment lang glauben könnte, der Klon sei tatsächlich ein Sprössling seiner „Mutter“, sie seien tatsächlich „Eins“. Was das Äußere betrifft, wäre das glatt noch vorstellbar. Aber abgesehen davon sind sie von Anfang an viel zu eindeutig als komplett unterschiedlich, ja sogar als Feinde positioniert. Viel von dem, was folgt, kann deshalb nicht so überraschen, wie es andernfalls möglich gewesen wäre.
Egal, THE SUBSTANCE sollte man gesehen haben. Und als FFF-Besucher sollte man es auch absolut genießen können. Zur Zimmerdecke fehlt mir aber noch ein Stück. 7,5 von 10 Punkten.
Sagen wir’s so: THE SUBSTANCE ist auf mehreren Ebenen ein Fest. Das gilt in erster Linie für Art-Direction und Set-Design, die hier bis ins Detail perfekt gestaltete, das private oder berufliche Umfeld, die Selbstverortung und/oder den Geisteszustand unser Protagonistinnen fulminant widerspiegelnde Spiel-Räume erschaffen, die man verzückt bewundern möchte. Das gilt auch für unsere vor wirklich nichts zurückschreckenden Hauptdarstellerinnen. Es gilt für die Masken- und Make-up-Artists und Special-Effects-Künstler, die den Film in ein grandios schmierig-schleimiges und blutiges Wunderland verwandeln. Das gilt ebenso für die Regisseurin Coralie Fargeat, die keine Hemmungen kennt, Ekel herauszukitzeln und für ihre Story in dessen maximale Untiefen einzutauchen – dabei aber fast immer die Fäden in der Hand behält und ein Ergebnis kreiert, das in seiner Intensität viele Münder offenstehen lassen dürfte. Das gilt aber – auch, wenn Cannes das anders sieht – vielleicht nicht so uneingeschränkt für die Drehbuchautorin Coralie Fargeat, die ihre Geschichte als ultimativ bissige Satire auf Körperkult, Altersdiskriminierung und Fixierung auf Äußerlichkeiten anlegt. Dabei jedoch jede Nuancierung und Mehrdimensionalität vermissen lässt, oder auch: stellenweise unglaublich platt daherkommt.
Vielleicht ist eine derartige Holzhammer-Herangehensweise ja sogar zielführend, weil das Mainstream-Publikum die Wahrheiten und Gemeinheiten des Lebens einfach dringend einmal klar vor Augen geführt bekommen muss. Allerdings steht zu bezweifeln, dass sich nennenswerte Anteile eines solchen in diesen Film verirren werden – schmerzhafter Body Horror der Cronenberg-Schule steht für gewöhnlich eher nicht auf deren Sichtungsprogramm. Mir persönlich war die Charakterisierung von Figuren und Geschehnissen aber definitiv ein gutes Stück zu plump und oberflächlich. Ja, natürlich ist Oberflächlichkeit hier Programm: So heißt z.B. die Neujahrsshow unserer Klon-Protagonistin einfach „The New Years Eve Show“, so ist ihr Boss beim TV-Sender ein einziges Klischee-Abziehbild, so ist generell die Figurenzeichnung mit der Schärfe einer Diet-Coke-Werbung aus den 80ern versehen, so erfahren wir natürlich auch nichts über die Hintergründe der handelnden Figuren. Ja, ist Programm. Ist Kritik, wenn man so möchte. Kritik an der Oberflächlichkeit, mit der wir andere Personen betrachten, Kritik an der entsprechenden Epoche, in der sie allgemein akzeptierter Standard war. Mir fehlte da dennoch etwas Tiefgründigkeit. Etwas, womit ich mich weitergehend auseinandersetzen könnte und was mich vielleicht zu neuen Überlegungen inspirieren könnte.
Aber vielleicht hatte ich da ganz einfach zu große Erwartungen. THE SUBSTANCE unterhält wahnsinnig gut, ist toll anzuschauen, hat einen herrlich hohen Ekelfaktor***SPOILER***, zitiert im Finale direkt Brian Yuznas SOCIETY und hört dann auch gar nicht mehr auf damit, in schönsten Farben wild herumzuspritzen. Wer es etwas abseitiger, blutiger, perverser und ekliger mag, wird hier auf jeden Fall seinen Spaß haben. Mehr als das sollte er aber auch nicht unbedingt erwarten, schon gar keine wirklich relevanten Kommentare zum Zustand unserer Zivilisation bzw. unseres Zusammenlebens – aber das braucht es ja auch nicht zwingend, oder?
20 Minuten straffen hätte man das Ganze allerdings definitiv können. Und ich hätte es auch schön gefunden, wenn man wenigstens für einen Moment lang glauben könnte, der Klon sei tatsächlich ein Sprössling seiner „Mutter“, sie seien tatsächlich „Eins“. Was das Äußere betrifft, wäre das glatt noch vorstellbar. Aber abgesehen davon sind sie von Anfang an viel zu eindeutig als komplett unterschiedlich, ja sogar als Feinde positioniert. Viel von dem, was folgt, kann deshalb nicht so überraschen, wie es andernfalls möglich gewesen wäre.
Egal, THE SUBSTANCE sollte man gesehen haben. Und als FFF-Besucher sollte man es auch absolut genießen können. Zur Zimmerdecke fehlt mir aber noch ein Stück. 7,5 von 10 Punkten.
guckte im Harmonie, Frankfurt
Leimbacher-Mario * 9.0
Das Fleisch ist willig
Satte 7 Jahre hat es gedauert, bis uns Coralie Fargeat nach ihrem extrem stylischen Rape&Revenge-Brett „Revenge“ nun ihr neuestes Werk präsentiert. In und mit „The Substance“ ist sie mitten in Hollywood angekommen, zeigt dem dortigen Zeitgeist direkt mal den Mittelfinger und wandelt gewagt, abgefuckt, gewohnt stilsicher auf den Spuren von Cronenberg, Yuzna, Henenlotter und Carpenter. Vergleiche mit ihrer Landsfrau Ducournau muss sie sicher nun auch öfters hören. Ein beachtlicher Gencocktail. Handlung: Eine abgehalfterte Schauspielerin und Fitnessikone (genial, sehr nackt und ohne Ende mutig: Demi Moore!) soll von ihrer Firma bzw. ihrem Management gegen ein jüngeres „Modell“ ausgetauscht und in den Ruhestand geschickt werden. Da kommt ihr ein mysteriöses und experimentelles Programm gerade richtig, das eine ziemlich exakte Kopie oder Variante von dir verspricht - nur in jünger, knackiger, besser…
Einer für die Bodyhorrorbestenliste
„The Substance“ ist einer der größeren Hypegenreknaller des Jahres - und er wird sicher hier und da den Durchbruch in den Mainstream schaffen. Wo er dann wiederum sehr oft anecken, anekeln, angewidert abgewiesen werden wird, da bin ich mir sicher. Umso mehr gefällt und mundet er mir. Vielleicht hätte er noch ein Stück straffer und kompakter erzählt werden können, vielleicht ist er nicht subtil, vielleicht übertreibt er es an manchen Stellen mit Exzess und Parodie. Und dennoch: für mich ist das eine Bombe! Demi Moore war nie besser, mutiger, brachialer. Auch ihrem filmischen jüngeren Pendant Margaret Qualley gebührt mächtig Respekt. Beide sind ein Tandem, von dem man die Augen selbst in den schmerzhaftesten Momenten nicht lassen kann. Audiovisuell ist das eine Wucht, ein Styler vor dem Herrn. Obwohl sicher hier manche zum Sprichwort „Style over „The Substance““ greifen werden. Dennoch hat er etwas zu sagen. Und rammt es uns knietief in den Rachen. Sexy wird verdreht, der male gaze wird erst auf- dann vorgeführt, der gore gaze wird deftig bedient und dann comichaft überdreht. Das ist weiblich, das ist null schüchtern, das ist heftig. Das ist trotz seines uramerikanischen Schauplatzes doch sehr europäisch. Fargeat packt alles rein und will nichts auslassen. Das geht von Troma bis Lynch, von „Basket Case“ bis zum Home Shopping, von Cronenberg bis Verhoeven, von DSFs Sexy Sportclips bis ***SPOILER***zum „Elefantenmensch“. Das dehnt Grenzen (des Massengeschmacks), fleischlich wie kinotechnisch. Eine Tour de Farce. Eine gallige Missgeburt von Gesellschaftskritik und „Frauenpower“. Fargeat will nicht jedem gefallen, wird sie auch nicht. Aber ich habe jede Sekunde bestaunt und genossen.
Fazit: Ein ziemlich ulkiges und ultimatives Statement zu Körperkult, Jugendwahn und Schönheitsidealen. Für mich ein direkter Bodyhorror-Klassiker. Matschig, drastisch, satirisch. Introvertiert und extrovertiert gleichzeitig - und das kann man auch noch wortwörtlich nehmen! Jane Fonda trifft „Society“. Genau die richtige Mischung aus eklig, tragisch, lustig. Demi Moores späte Krönung. „The Substance“ ist wenig mainstreamig und ziemlich in die Fresse - aber brillant!
Einer für die Bodyhorrorbestenliste
„The Substance“ ist einer der größeren Hypegenreknaller des Jahres - und er wird sicher hier und da den Durchbruch in den Mainstream schaffen. Wo er dann wiederum sehr oft anecken, anekeln, angewidert abgewiesen werden wird, da bin ich mir sicher. Umso mehr gefällt und mundet er mir. Vielleicht hätte er noch ein Stück straffer und kompakter erzählt werden können, vielleicht ist er nicht subtil, vielleicht übertreibt er es an manchen Stellen mit Exzess und Parodie. Und dennoch: für mich ist das eine Bombe! Demi Moore war nie besser, mutiger, brachialer. Auch ihrem filmischen jüngeren Pendant Margaret Qualley gebührt mächtig Respekt. Beide sind ein Tandem, von dem man die Augen selbst in den schmerzhaftesten Momenten nicht lassen kann. Audiovisuell ist das eine Wucht, ein Styler vor dem Herrn. Obwohl sicher hier manche zum Sprichwort „Style over „The Substance““ greifen werden. Dennoch hat er etwas zu sagen. Und rammt es uns knietief in den Rachen. Sexy wird verdreht, der male gaze wird erst auf- dann vorgeführt, der gore gaze wird deftig bedient und dann comichaft überdreht. Das ist weiblich, das ist null schüchtern, das ist heftig. Das ist trotz seines uramerikanischen Schauplatzes doch sehr europäisch. Fargeat packt alles rein und will nichts auslassen. Das geht von Troma bis Lynch, von „Basket Case“ bis zum Home Shopping, von Cronenberg bis Verhoeven, von DSFs Sexy Sportclips bis ***SPOILER***zum „Elefantenmensch“. Das dehnt Grenzen (des Massengeschmacks), fleischlich wie kinotechnisch. Eine Tour de Farce. Eine gallige Missgeburt von Gesellschaftskritik und „Frauenpower“. Fargeat will nicht jedem gefallen, wird sie auch nicht. Aber ich habe jede Sekunde bestaunt und genossen.
Fazit: Ein ziemlich ulkiges und ultimatives Statement zu Körperkult, Jugendwahn und Schönheitsidealen. Für mich ein direkter Bodyhorror-Klassiker. Matschig, drastisch, satirisch. Introvertiert und extrovertiert gleichzeitig - und das kann man auch noch wortwörtlich nehmen! Jane Fonda trifft „Society“. Genau die richtige Mischung aus eklig, tragisch, lustig. Demi Moores späte Krönung. „The Substance“ ist wenig mainstreamig und ziemlich in die Fresse - aber brillant!
war im Residenz, Köln
Alexander * 7.5
Style over Substance
Über den Film wurde bereits so viel geschrieben, dass es einem fast schwerfällt, als Festivalgänger der diesjährigen Abschluss-Stadt Frankfurt noch seinen Senf dazuzugeben. Selbst die FAZ musste sich mal wieder dazu hinreißen lassen, einen seitenlangen Bericht zu dem Film zu schreiben, der mal wieder eher einer Nacherzählung gleicht. Was stimmt mit deren Kritikern eigentlich nicht? Aber egal.
„The Substance“ sieht aus, als hätte sich Kubrick an einem Script von Cronenberg abgearbeitet. Unfassbar wie hier Settings und laaange Kameraeinstellungen, die beide vollkommen aus der heutigen Zeit herausgefallen zu scheinen, an Kubrick erinnern. Beeindruckend, wie der Bodyhorror, den ich persönlich „ekliger als Alien“ empfand, an Cronenberg erinnert. Aber diese Vergleiche sind durchaus als dickes Lob gemeint.
Woran es dem Film mangelt, ist dann Tiefe in der Handlung. Regisseurin Coralie Fargeat legt den Schwerpunkt vielleicht einfach zu sehr auf die von ihr kritisierte Oberflächlichkeit Hollywoods, stellt Optik und akustische Akzente so sehr in den Vordergrund, dass man angesichts der durchaus beeindruckenden Bilder und Soundeffekte mitunter vergisst, das da eigentlich genauso wenig Handlung unter der Oberfläche ist, wenn man an ihr kratzt, wie eine Seele in der von Fargeat kritisierten Hollywood Maschinerie. Das führt zu einer vielleicht unbeabsichtigten Redundanz und Oberflächlichkeit, die sich leider relativ schnell abnutzt und langweilig wird.
Denn wirklich alles ist vollkommen „over the top“ und repetitiv inszeniert, der Film legt es primär drauf an, den Zuschauer mit den immer gleichen krassen Bildern und hypnotischer Musik zu beeindrucken und zu schockieren, der Rest ist dann eigentlich Nebensache und dient nur als Alibi für eine überlange Abfolge vollkommen absurder, wenn auch extrem unterhaltsamer, mitunter durchaus sozialkritischer Szenen, in denen auch der „bad old white man“ dem Zeitgeist entsprechend, mal wieder so richtig schlecht wegkommt.
Und Demi Moore ist einfach immer noch zu hübsch. Und ich gratuliere ihr zu ihrem Mut, in so einem Wahnsinn mitzuspielen. Ja, sie ist sogar SO hübsch, dass man kaum begreifen mag, dass man sie für ihre Aerobic Show durch eine jüngere Nachfolgerin austauschen möchte. Aber natürlich machen beide Actricen ihre Sache in dem Film mehr als nur gut, bieten Eyecandy vom Feinsten. Doch irgendwann hat man dann halt auch genug „tits & ass“ gesehen und worauf die ganze Chose hinauslaufen wird, lässt sich eben schon nach einer guten Stunde erahnen.
Zum Ende eskaliert „The Substance“ dann völlig und vertreibt wahrscheinlich auch den Teil des Publikums, der den Film als sozialkritischen, feministischen Beitrag goutieren wollte. Der Rest hat hoffentlich Kotztüten mitgebracht.
Alles in allem fühlte ich mich zwar extrem gut unterhalten, aber das macht „The Substance“ für mich noch nicht zu einem extrem guten Film.
„The Substance“ sieht aus, als hätte sich Kubrick an einem Script von Cronenberg abgearbeitet. Unfassbar wie hier Settings und laaange Kameraeinstellungen, die beide vollkommen aus der heutigen Zeit herausgefallen zu scheinen, an Kubrick erinnern. Beeindruckend, wie der Bodyhorror, den ich persönlich „ekliger als Alien“ empfand, an Cronenberg erinnert. Aber diese Vergleiche sind durchaus als dickes Lob gemeint.
Woran es dem Film mangelt, ist dann Tiefe in der Handlung. Regisseurin Coralie Fargeat legt den Schwerpunkt vielleicht einfach zu sehr auf die von ihr kritisierte Oberflächlichkeit Hollywoods, stellt Optik und akustische Akzente so sehr in den Vordergrund, dass man angesichts der durchaus beeindruckenden Bilder und Soundeffekte mitunter vergisst, das da eigentlich genauso wenig Handlung unter der Oberfläche ist, wenn man an ihr kratzt, wie eine Seele in der von Fargeat kritisierten Hollywood Maschinerie. Das führt zu einer vielleicht unbeabsichtigten Redundanz und Oberflächlichkeit, die sich leider relativ schnell abnutzt und langweilig wird.
Denn wirklich alles ist vollkommen „over the top“ und repetitiv inszeniert, der Film legt es primär drauf an, den Zuschauer mit den immer gleichen krassen Bildern und hypnotischer Musik zu beeindrucken und zu schockieren, der Rest ist dann eigentlich Nebensache und dient nur als Alibi für eine überlange Abfolge vollkommen absurder, wenn auch extrem unterhaltsamer, mitunter durchaus sozialkritischer Szenen, in denen auch der „bad old white man“ dem Zeitgeist entsprechend, mal wieder so richtig schlecht wegkommt.
Und Demi Moore ist einfach immer noch zu hübsch. Und ich gratuliere ihr zu ihrem Mut, in so einem Wahnsinn mitzuspielen. Ja, sie ist sogar SO hübsch, dass man kaum begreifen mag, dass man sie für ihre Aerobic Show durch eine jüngere Nachfolgerin austauschen möchte. Aber natürlich machen beide Actricen ihre Sache in dem Film mehr als nur gut, bieten Eyecandy vom Feinsten. Doch irgendwann hat man dann halt auch genug „tits & ass“ gesehen und worauf die ganze Chose hinauslaufen wird, lässt sich eben schon nach einer guten Stunde erahnen.
Zum Ende eskaliert „The Substance“ dann völlig und vertreibt wahrscheinlich auch den Teil des Publikums, der den Film als sozialkritischen, feministischen Beitrag goutieren wollte. Der Rest hat hoffentlich Kotztüten mitgebracht.
Alles in allem fühlte ich mich zwar extrem gut unterhalten, aber das macht „The Substance“ für mich noch nicht zu einem extrem guten Film.
war im Harmonie, Frankfurt
Edwinita * 10.0
Eine schrille Symphonie der Einsamkeit, des Mangels und der Gier
Ein schwer verdaulicher Film. Neben all den Motiven und Vergleichen zu anderen Filmen, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde, zeichnet die Regisseurin ein wenig schmeichelhaftes Bild einer oberflächlichen, modernen Gesellschaft. Einsame Menschen, die zwischen Mangel und Gier herumirren, was unweigerlich zur Katastrophe führen wird.
Mit aufdringlichen Nahaufnahmen wird die Netzhaut des Betrachters über die krassen Bilder gerieben, ob er oder sie will oder nicht. Obwohl man mit Elizabeth Sparkle in diesem toxisch männlichen Umfeld mitleidet, gelingt es dem Film die Balance zu halten. Denn beide Geschlechter bekommen ihr Fett weg. Zwar haben auf der einen Seite sexistische Männer die Filmindustrie in der Hand, doch andererseits hat die Protagonistin auch nach 50 Jahren nichts dazugelernt. Und es sind sogar männliche Charaktere, die für ikonische Schlüsselmomente sorgen, die sie eigentlich zum Nachdenken bringen sollten.
Doch Elizabeth verweigert standhaft die Weiterentwicklung. Als sie die Chance eines neuen Körpers erhält, beugt sie sich weiterhin und mit Freude dem System. Statt ihre neu erhaltene Macht zu nutzen, um Dinge zu verändern, lässt sie sich weiterhin ausbeuten und als sexuelle Fantasie missbrauchen.
Am Ende wird sie in den Abgrund hinabgezogen, in eine Verkettung aus Selbsthass und Selbstzerstörung bis hin zum Verkommen zu einer Nichtigkeit. Auch hier brillante Bilder und Metaphern...
Auf jeden Fall ein Film, den man gesehen haben muss.
Mit aufdringlichen Nahaufnahmen wird die Netzhaut des Betrachters über die krassen Bilder gerieben, ob er oder sie will oder nicht. Obwohl man mit Elizabeth Sparkle in diesem toxisch männlichen Umfeld mitleidet, gelingt es dem Film die Balance zu halten. Denn beide Geschlechter bekommen ihr Fett weg. Zwar haben auf der einen Seite sexistische Männer die Filmindustrie in der Hand, doch andererseits hat die Protagonistin auch nach 50 Jahren nichts dazugelernt. Und es sind sogar männliche Charaktere, die für ikonische Schlüsselmomente sorgen, die sie eigentlich zum Nachdenken bringen sollten.
Doch Elizabeth verweigert standhaft die Weiterentwicklung. Als sie die Chance eines neuen Körpers erhält, beugt sie sich weiterhin und mit Freude dem System. Statt ihre neu erhaltene Macht zu nutzen, um Dinge zu verändern, lässt sie sich weiterhin ausbeuten und als sexuelle Fantasie missbrauchen.
Am Ende wird sie in den Abgrund hinabgezogen, in eine Verkettung aus Selbsthass und Selbstzerstörung bis hin zum Verkommen zu einer Nichtigkeit. Auch hier brillante Bilder und Metaphern...
Auf jeden Fall ein Film, den man gesehen haben muss.
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Bewertungen
The Substance
- Score [BETA]: 84
- f3a.net: 7.8/10 39
- IMDb: 7.9/10
- Rotten Tomatoes: 92%
- Metacritic: 85/100