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Review Under the Silver Lake

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Schein, Sein und die ewige Suche nach dem Sinn
von D.S.

IT FOLLOWS war viel Stil, wenig Substanz. Der neue Film von David Robert Mitchell knüpft daran nahtlos an, leistet aber in beiden Kategorien mehr – und kann nicht zuletzt deshalb deutlich besser unterhalten als die Teenie-Horror-Hypemaschine von 2014. Im Gegensatz zu jener macht UNDER THE SILVER LAKE auch Lust auf eine Zweitsichtung. Nein, er lässt eine solche fast unabdingbar erscheinen. Denn hier gibt es so viel zu sehen, so viele Clues zu entdecken und zu entschlüsseln, so viele popkulturelle Zitate zu erkennen... dass es wohl auch mit zwei Sichtungen nicht getan sein wird. Macht nichts, denn der Film ist zwar unter seiner faszinierenden Oberfläche – zumindest auf den ersten Blick! – weitgehend hohl. Aber faszinierend ist diese Oberfläche nun mal wirklich.

UNDER THE SILVER LAKE präsentiert sich als buntes, smartes, sich immer weiter verzweigendes Rätselspiel voller visueller Ästhetik, spannender Charaktere und handlungsseitiger Seltsamkeiten; eine cineastische Wundertüte, die vor schrägen Einfällen nur so überläuft. Kann sein, dass man hier am Boden der Tatsachen nur vertrocknete Popcornreste und schale Champagnerpfützen findet. Aber der Weg dorthin ist gesäumt mit Spannung, Überraschung, Lust am Entdecken und schierer Filmfanfreude. Ein Abbild der Traumfabrik, wie es nur die Traumfabrik selbst erzeugen kann.

Letztendlich ist seine Handlung wohl fast bedeutungslos, dient mehr als Signalgeber für immer neuen popkulturellen Input, der allerdings weniger die hippe Moderne als vielmehr das goldene Zeitalter des Kinos zum Thema hat. Zumindest an der Oberfläche aber geht es hier um einen jungen Slacker in Hollywood, Sam (Andrew SPIDER-MAN Garfield), der sich in seine hübsche Nachbarin verknallt, die jedoch von einem Tag auf den anderen verschwindet, ja, sich förmlich in Luft auflöst. Auf der Suche nach ihr stolpert er über unglaubliche Mysterien, deckt überlebensgroße Verschwörungen auf, lernt wunderschöne Frauen und gefährliche Männer kennen – und bekommt es mit einem ominösen Hundemörder zu tun. Wir folgen ihm bei seiner (meist nachlässig durchgeführten) Detektivarbeit quer durch Los Angeles und bekommen es dabei mit kontinuierlich seltsamer wirkenden Rätseln zu tun, die es zu entschlüsseln gilt, wenn die hübsche Verschollene jemals gefunden werden soll... und mit ihr vielleicht ein Sinn hinter dem ganzen Geschehen.

Eigentlich ist UNDER THE SILVER LAKE fast mehr bewegtes, hundertfach faszinierend bestücktes Fotoalbum als Spielfilm. Ein Fotoalbum, in dem man versinken möchte. Sam stolpert von einer obskuren Situation in die nächste, trifft auf eine merkwürdige Figur nach der nächsten, macht uns dabei zu Zeugen einer filmischen/musikalischen/literarischen Referenz nach der nächsten. Angelehnt ist die Erzählweise dabei an klassische Vertreter des Film Noir, sein visueller Auftritt ist allerdings so bunt und die Inszenierung so zeitgeistig, dass dieser Bezugspunkt fast wie in sein Gegenteil verkehrt wirkt.

Vielleicht lässt sich der Film am ehesten als eine Kreuzung aus einem jugendlichen Neo-Noir wie BRICK auf der einen Seite und einem postmodernen Style-Exzess wie KABOOM auf der anderen Seite beschreiben – nicht ganz so grell und metrosexuell wie Letztgenannter, hipper und euphorischer als Erstgenannter. Ein wenig Kafka oder Paul Auster ist in der Erzählung auch enthalten, MULHOLLAND DRIVE, CHINATOWN, auf bizarre Weise sogar TOTE TRAGEN KEINE KAROS.

Eine Meta-Komödie mit vielleicht wenig Tiefe. Aber definitiv mit unglaublich viel, das es zu entdecken gibt oder das sich zumindest zu sichten lohnt; und sei es nur, weil das Lösen von Rätseln nun mal Spaß macht – und man hier vor eine echte Herausforderung gestellt wird. Mein Eindruck, nachdem ich den Film ein paar Tage habe sacken lassen: Eines der kreativsten, spannendsten cineastischen Ereignisse des Jahres. Selbst, wenn es unter seiner Oberfläche am Ende vielleicht gar nicht so viel zu bieten hat. Aber diese Oberfläche muss ihm erst mal einer nachmachen. Und da ignoriere ich dann vor lauter Faszination sogar mal aus vollem Herzen alle inhaltlichen Fragen und vergebe 8 Punkte.

glotzte im Harmonie, Frankfurt

43 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Under the Silver Lake
  • Score [BETA]: 65
  • f3a.net: 7.2/10 43
  • IMDb: 6.8/10
  • Rotten Tomatoes: 60%
  • Metacritic: 59/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-23 19:29

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