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Review Vampires

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A Day in the Non-Life
von D.S.

Wie würde dein Alltag aussehen, wenn du ein Vampir wärst? Moment: bevor du jetzt anfängst, vom permanenten Aussaugen leckerer Blondinen zu phantasieren, von Drogen- und Alkohol-Exzessen ohne Kater oder von welchen klischeehaften Bildern auch immer, die der Trailer zu "Wir sind die Nacht" vor deine Augen bugsiert hat - ich fragte nach dem Alltag. Nach einem regnerischen Mittwoch irgendwo in Belgien. Nach deinem Familienleben mit einer Frau, die offensichtlich schon jenseits des Nervenzusammenbruches unterwegs ist, einem Sohn, der gern den richtig harten Proll raushängen lässt und dir ständig Probleme mit den Ordnungshütern beschert sowie einer Tochter, die schwerst pubertiert, sich grundsätzlich nicht verstanden fühlt und alles tut, um sich von der Familie und ihren Konventionen abzusondern.

Genau das ist der Ansatz des kleinen belgischen Hits "Vampires": wir lernen Blutsauger einmal aus einer ganz anderen Perspektive kennen. Als Menschen wie du und ich, mit den alltäglichen Problemen des Kleinbürgertums, in einem nicht gerade aufregenden Leben, die versuchen, das Beste aus der Langeweile und den nun mal bestehenden Regeln des Zusammenlebens zu machen.

Offensichtlich - und selbstverständlich - sind sie eine Minderheit in Belgien (und sonst wo), und Minderheiten wird ja oft mit Unverständnis und Intoleranz begegnet. Um dem entgegenzuwirken, um das Miteinander zwischen Mensch und Dracula-Abkömmling zu erleichtern, möchte die Vampir-Community gerne eine vorurteilsfreie Dokumentation über das Dasein der Langzahnigen gedreht sehen. Im dritten Versuch kommt ein belgischer Fernsehsender da nun auch endlich weiter - ein Filmteam begleitet eine Untoten-Familie über mehrere Wochen hinweg, durch alle privaten und gruppenspezifischen Ups and Downs.

"Vampires" wählt also das Format der Mockumentary. Das ist langsam ein wenig, pardon, ausgekaut - funktioniert hier aber dennoch ganz gut, da es nun mal um nichts anderes als eine Dokumentation normalen Lebens geht. Allerdings eben unter umgekehrten Vorzeichen. Dieser "alltägliche" Ansatz sorgt tatsächlich für eine ganze Menge schreiend komischer Szenen; insbesondere, da die Vampirvertreter sich in jeder Hinsicht wie brave, angepasste Bürger benehmen, ihr Lebensstil aber nun mal allen Regeln des normalen menschlichen Lebens widerspricht. Teils sind es Kleinigkeiten, zum Beispiel, dass sich die Vampire nach dem Aufstehen mit "Gute Nacht" begrüßen. Teils sind es großartig absurde Momente - etwa, wenn es darum geht, ob den Behörden denn die regelmäßig verschwindenden Menschen kein Kopfzerbrechen bereiten. Hier streut "Vampires" dann sogar böse sozialkritische Kommentare ein, die allerdings niemals gezwungen wirken, sondern immer im Dienste der Comedy stehen.

Das Problem des Films ist vielleicht, dass er keinem besonders ausgearbeiteten dramaturgischen Bogen folgt. Wäre dies tatsächlich eine Dokumentation, wäre sie sinnvoll aufgebaut; die verschiedensten Bestandteile des vampirischen Lebens wären in einen Zusammenhang gebracht. Hier wirkt aber leider vieles wie einfach so drauf los gefilmt, ganz so, als wäre es das Rohmaterial des Filmteams vor Schnitt und Bearbeitung. Und ohne Plan und Drehbuch bzw. Skript gedreht.

So werden auch einige interessante Aspekte gar nicht erst angeschnitten, beispielsweise werden vampirische Kultur und Religion (?) kaum thematisiert. Andere Themen - wie etwa die Schulausbildung von Vampiren - bieten zwar phänomenale Lacher, werden aber sehr kurz nur, quasi im Vorbeigehen gezeigt. Dadurch entsteht ein seltsames, oft unbefriedigendes Verhältnis aus "Chaos" und Langeweile: vieles, was von Interesse sein könnte oder Spaß machen würde, findet kaum Erwähnung oder geht in der Belanglosigkeit der willkürlichen Aufnahmen unter. Dafür werden sehr ereignisarme Sequenzen teils bis zum geht-nicht-mehr gestreckt.

Dennoch bietet "Vampires", zusammengefasst, eine Menge origineller Eindrücke und Ideen, die man so und in einem solchen Zusammenhang noch nicht gesehen hat. Gäbe es Vampire, würden sie durch diesen Film sicherlich einiges an Verständnis hinzugewinnen. So lange nicht ausgerechnet Sarrazin im Publikum säße. Von mir jedenfalls gibt es gut-genige 6,5 Punkte - macht insgesamt auf jeden Fall Spaß, auch wenn das Tempo höher sein könnte.

PS: Frau Kamp in ihrer glücklicherweise kleinen Rolle ist leider vollkommen unerträglich. Alles andere wäre aber auch eine Überraschung gewesen.

war im Metropolis 1, Frankfurt

27 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Vampires
  • Score [BETA]: 64
  • f3a.net: 5.5/10 27
  • IMDb: 7.3/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-24 19:28

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