s Vermin (2023) Review - Fantasy FilmFest Mobil
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Reviews Vermin

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Reviewer

D.S. * 7.5

Itsy Bitsy Bastards

Spinnen sorgen bei vielen Menschen für ein grundsätzliches Unbehagen – ich bin einer davon und blickte dem diesjährigen Abschlussfilm deshalb nicht nur mit Vorfreude und Neugierde entgegen, sondern auch mit einer gewissen Portion, nun ja, Nervosität. Wie sich herausstellen sollte, war diese alles andere als unbegründet. Denn VERMIN enthält eine gewaltig große Zahl an Szenen, in denen die fiesen kleinen Viecher maximal furcht- und ekelerregend durch die Gegend flitzen … Ihre mitunter wahnwitzig hohe Geschwindigkeit ist dabei sowohl Erkennungszeichen des Films als auch relatives Alleinstellungsmerkmal, jedenfalls kann ich mich gerade an keinen anderen Spinnenhorrorfilm erinnern, in dem die Biester derart schnell unterwegs sind.

„Horrorfilm“ ist übrigens genau der richtige, entscheidende Begriff: VERMIN ist fast durchgängig komplett ernsthaft angelegt und aufs Erschrecken aus. Comic-Relief-Momente kann man an einer Hand abzählen und sie kommen fast ausschließlich im ersten Drittel zum Einsatz, als die Bedrohungslage als solche noch kaum etabliert ist. In deren Mittelpunkt steht eine Gruppe junger migrantischer Bewohner einer architektonisch durchaus interessanten Wohnanlage in den Pariser Banlieues, die mit dem Problem einer Giftspinnenplage konfrontiert wird, das sich kontinuierlich vergrößert. Verantwortlich dafür ist Hauptfigur Kaleb, der sich als großer Reptilien- und Insektenliebhaber auf dem Schwarzmarkt ein einzelnes, mit ausgestreckten Beinen gerade einmal handtellergroßes Exemplar einer exotischen Spinnenart zugelegt und dieses nicht gerade professionell in einem Schuhkarton in seinem vollgemüllten Zimmer untergebracht hat. Selbstverständlich entkommt das Ding – und es vervielfältigt sich so rasant, wie es sich vorwärtsbewegt. Seine natürlichen Freunde sind dabei dunkle und schwer zugängliche Ecken, von denen es in einem altertümlichen Hochhaus viele gibt. Besonders bedenklich ist dabei der Keller, dessen Beleuchtung nur noch teilweise funktioniert. Und, wenn überhaupt, nur von einem Drehregler in Gang gesetzt werden kann, der für nur eine Minute Licht sorgt, bevor er erneut betätigt werden muss …

Das Setting und die Protagonisten lassen VERMIN in mancher Hinsicht tatsächlich an eine Kreuzung aus ATTACK THE BLOCK und ARACHNOPHOBIA erinnern, wie die Website „The Film Verdict“ vermerkt. Der humoristische, partyähnliche Aspekt des Erstgenannten geht diesem Werk jedoch vollkommen ab – der sozialkritische Unterton ist dagegen weitaus stärker ausgeprägt. Wie schon im Titel angelegt, geht es hier auch um die gesellschaftliche Position unserer Protagonistengruppe, die vom alten weißen Frankreich häufig im Wesentlichen wie Ungeziefer oder Unrat betrachtet und behandelt wird, ganz gleich, wie sehr der Einzelne sich auch bemühen mag, wert- und verantwortungsvolles Verhalten an den Tag zu legen. Dieser kolonialistisch geprägte Rassismus findet sich in VERMIN sogar personifiziert in der Form eines mittelalten Wutbürgers, der Kaleb des Drogenhandels verdächtigt und deshalb zu rabiaten „Law and Order“-Maßnahmen greift. Welche die Lage selbstredend nur noch verschlimmern.

Apropos, auch die Staatsmacht und ihr Verhalten gegenüber den Unterprivilegierten spielen hier eine große Rolle. Sie ist nicht löblich, was vom Film in einer wütenden Weise thematisiert wird, die ein wenig an LA HAINE erinnert – genau wie der HipHop-geprägte Score. Der Soundtrack hingegen ruft Assoziationen an ein ganz anderes Meisterwerk hervor: Die Spinnenarmee in VERMIN gibt mitunter Klapperschlangen-ähnliche Geräusche von sich, die starke ALIEN-Vibes induzieren.

In seiner Handlung hat das Spielfilmdebüt von Sébastien Vanicek kaum etwas Neues zu bieten, von der erwähnten Bewegungs- und Reproduktionsgeschwindigkeit der Spinnen vielleicht einmal abgesehen. Die CGI ist effektiv, aber nicht immer überzeugend, was insbesondere im letzten Drittel zutage tritt. Zudem können die Lautstärke und Vehemenz, mit der sich unsere Protagonisten mitunter anschreien, durchaus nerven. Trotzdem ist VERMIN ein echter Hit, zumindest für Spinnenphobiker. Die Biester sind unfassbar bedrohlich in Szene gesetzt, und es sind so unglaublich viele … Das sorgt so effektiv wie konsequent für Gänsehaut und Ekel, und das macht den Film in einem horrorseitig sehr dünn besetzten FFF-Jahrgang zu einem herausragenden Ereignis. Ein paar Logikschwächen und generischen Aspekten zum Trotz: 7,5 Punkte und ein nachhaltiges BRRRRRRR von mir.

staunte im Harmonie, Frankfurt

Herr_Kees * 7.5

Dieses Kribbeln im Bauch…

Kaleb kauft beim Exotik-Dealer seines Vertrauens eine unscheinbare Spinne für seine Sammlung. Wie kommt es dann, dass schon kurze Zeit später sein gesamter Wohnblock von Hunderten riesiger fieser Krabbeltiere infiziert ist?

„Darwin“ lautet die lapidare Antwort des Films und seiner Protagonisten und wir geben uns gerne damit zufrieden. Schließlich befinden wir uns hier nicht im Biologieunterricht, sondern in einem tierischen Thrillride, der Arachnophobikern die größte Schocktherapie ihres Lebens verpasst.

Ganze 33 Jahre ist es her, dass uns mit ARACHNOPHOBIA der letzte ernstgemeinte (und gleichzeitig spaßige) Spinnenfilm ein schaurig-schönes Kribbeln verpasst hat. Der französische VERMINES orientiert sich eng an diesem Krabbelklassiker, was die Mischung aus schleichender Suspense, Spinnenschocks, Unwohlsein und befreiendem Gelächter angeht.

Die Tricks sind so überzeugend, wie man das heute erwarten darf und die Darsteller so authentisch und einigermaßen sympathisch, dass man gerne mit ihnen mitfiebert.

Der polizeiliche Lockdown erinnert an REC, die Auseinandersetzungen mit den militanten Ordnungshütern ist wohl der jüngsten sozialpolitischen Entwicklung in Frankreich geschuldet. Etwas weniger Hysterie und etwas mehr Spannungsszenen hätten dem Film gutgetan, nur mehr Spinnen kann man sich eigentlich nicht wünschen.

staunte im EM, Stuttgart

Leimbacher-Mario * 8.0

Eine echte Krabbeldecke

Spinnenhorror ist schon lange kein florierendes Subgenre mehr. Leider. Wohl zu plump und simpel in Zeiten des post horror. Aber „Vermine“ aus Frankreich zitiert die besten dieses Fachs und reichert den krabbelnden Tarantelterror mit Ghettobusiness à la „La Haine“ an. Was so momentan auch nur aus Frankreich kommen kann. Und diese Fusion der struggelnden Unterschicht im Kampf gegen vielbeiniges Ungeziefer funktioniert famos. Eventuell sind wir hier sogar Geburtszeugen eines modernen Spinnenklassikers - der jedoch noch deutlich mehr zu bieten hat als nur behaarte Beine im Höchsttempo und schwarze, tote Augen. Erzählt wird in einer temporeichen und stylischen Mischung aus „Arachnophobia“ und „Attack the Block“ von einem jungen Mann, der ca. am Ende seines ersten Lebensdrittels einige Probleme in seinem unterprivilegierten Leben im Banlieu zu meistern hat. Doch Freundeskrisen und gescheiterte Berufshoffnungen verblassen, als ihm eine exotische Spinne entläuft und es seine eh schon gereizte Nachbarschaft mit einer kräftigen (und exponentiell wachsenden!) Welle von Itzi-Bitzi-Killerspinnen zu tun bekommt…

Ich glaube ich Spinne!

„Vermine“ erinnert wie gesagt an ein paar Klassiker seines Krabbelgenres, macht jedoch genug neu und variiert, um frisch und ausgewogen zu wirken. Vor allem die Balance aus Ekel und Fun ist hier schon edel. Als Abschlussfilm auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest eine ideale Wahl. Selten ging in diesem Jahrgang das genreerfahrene Publikum mehr mit einem Film mit. Schrecken, Schreie, Jubel, Stöhnen, Gänsehaut und „Pfui!“ lagen hier alle auf einem gut gemischten Haufen. Wer (französischen) Rap mag, kommt auch beim härteren Soundtrack voll auf seine Kosten. Der grieselige Look und die sehr dynamisch-panische Kamera fangen das ausartende Geschehen passend ein. Die Darsteller und ihre Figuren wirken sehr authentisch, sprechen total natürlich und ihrer „Schicht“ entsprechend - ohne zu asozial, unsympathisch, aggressiv oder aufgesetzt zu wirken. Oft verhalten sich die Figuren sogar überraschend clever und entgegen Klischees. Und die Spinnen wirken wunderbar echt - ein top Mix aus computergenerierten, echten und gebauten Krabblern. Oft erinnern sie eher an Facehugger als an natürliche Mehrbeiner. Ein weiteres Kompliment. Nur wenn sie ab einem gewissen Punkt eine unrealistische Größe erreicht haben, nimmt die Spannung und das Jucken im Zuschauerraum meinem Gefühl nach etwas ab. Aber als Zwischeninfo sei gesagt, dass wir dort eine Fassung sehen konnten, die eventuell noch nicht ganz fertig war und manche Effekte in der post production noch Feinschliff bekommen. Und manchmal übertreibt's die Kamera etwas mit dem Gewackel und die Beleuchtung ist etwas düster. Das war es aber schon mit meinen minimalen Makeln. Der Rest ist A-Klasse in der Ungezieferkategorie. Und etwas augenzwinkernde Sozialkritik gibt’s allein dadurch, dass in Frankreich manchmal auch die Unterschicht „Vermines“ (= Ungeziefer) von der ignoranten Mittel- und Oberschicht beleidigend genannt wird.

Fazit: Spaßig und eklig zugleich. Humor, Milieustudie, Schocker, Tierhorror. „Vermine“ ist ein klasse Vertreter seiner Zunft und lässt die Spinnen in einer beachtlichen Anzahl und Größe los. Klaustrophobie und Arachnophobie auf engem Raum. Achtung: es gab Walkouts. Und zwar nicht, weil der Film so schlecht war. Sondern weil das für Leute mit Angst vor Spinnen eine nahezu unüberwindbare Herausforderung darstellt, hier sitzen zu bleiben.

goutierte im Residenz, Köln

29 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Vermin
  • Score [BETA]: 78
  • f3a.net: 7.8/10 29
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-09-14 12:41

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