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Review The World of Kanako

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A World of Pain
von D.S.

Der Regisseur von KAMIKAZE GIRLS und MEMORIES OF MATSUKO präsentiert uns einen pulpigen Thriller um ein junges, wildes Mädel, das zur Spaß- und Geldmaximierung gerne mal mit dem Unmoralischen kokettiert und dabei offensichtlich mit der gewaltbereiten Unterwelt in unangenehmen Kontakt gerät? Cool, klingt nach poppig bunter Unterhaltung mit ein paar stylischen Härten, wie sie ja etwa auch der Trailer erwarten lässt.

Mit dieser Einschätzung ist man aber mal dermaßen schief gewickelt. THE WORLD OF KANAKO fehlt fast alles Leichte, Spielerische, das Nakashimas genannte Girlie-Hymnen zu den unbeschwert schrägen Exzessen gemacht hat, die sie sind. Am offensichtlichsten wird der Unterschied bei der Filmästhetik: Mit Ausnahme der Ausgestaltung einer kurzen Drogenrausch-Sequenz (die auch im Trailer verbraten wird) finden sich hier keine leuchtenden Farben, keine verträumte Stilisierung, keine Schönheit, Sanftheit, Anmut. Und wenn solche doch einmal aufblitzt, ist sie heimtückisch. Trügerisch.

Die Welt von KANAKO ist eine kalte, harte, schmerzvolle. Grau bestimmt das Bild, schwerer gemacht wird es durch das blasse Schwarz der allgegenwärtigen Schuluniformen, kontrastiert wird es bestenfalls durch das schmutzige Rot des Blutes, das gelegentlich reichhaltig fließt. Und auch sonst gibt es hier wenig, woran sich Auge und Seele gerne festhalten würden: Die Story präsentiert sich als bis ins Mark nihilistisch, zynisch, ja misanthropisch; weit extremer noch als beim bereits unangenehmen CONFESSIONS fehlt hier jedes versöhnlerische Potential, die implizite wie explizite Aggressivität von Handlung und Darbietung ist enorm.

Auch gibt es keinerlei Identifikationsfiguren. Ebenfalls unbarmherziger noch als in CONFESSIONS entpuppt sich praktisch jede gezeigte Figur als amoralisches Wrack, dem man nur das Schlechteste wünschen will – was vielen von ihnen dann zum Glück auch widerfährt. Die Ausnahme bilden jene Charaktere, die im Verlauf des Geschehens zu unschuldigen (?) Opfern werden. Derartig hilf- und hoffnungslosen Opfern, dass man ihr Schicksal kaum erträgt. Wobei sie in ihrem vorherigen Verhalten zumeist als so naiv und treudoof gezeichnet werden, dass man selbst sie nicht von einer gewissen Eigenverantwortung für ihr Unglück freisprechen mag.

Der Plot des Films klingt dabei simpel genug: Ex-Polizist Akikazu Fujishima (Koji Yakusho, HARA-KIRI, 13 ASSASSINS) hat seinen Job und jeden Lebensantrieb verloren, als er seine Frau beim Fremdgehen erwischt und sich in einer psychotischen Gewaltexplosion an ihr gerächt hat. Naturgemäß hat sich sein Kontakt mit ihr und der gemeinsamen Tochter Kanako auf das Nötigste reduziert – wobei Akikazu offensichtlich bereits vorher seelisch kaum anwesend war: Das Bild, das er von Kanako hat, ist jedenfalls maximal unscharf und umfasst nicht ansatzweise ihre heutige Realität. Wenn man es positiv formuliert. Das erweist sich überdeutlich, als sich seine Ex schließlich verzweifelt an ihn wendet: Kanako ist spurlos verschwunden, die Polizei kann sie nicht finden, also muss Akikazu ran. Er macht sich planlos, aber rabiat und ohne Rücksicht auf Verluste an seine Version von "Ermitteln" – nur um Abgründe aus Sex, Drogen, Korruption und Gewalt aufzutun, aus denen es kein Entrinnen gibt. Weder für ihn noch für diejenigen, denen er über den Weg läuft. Wer oder was dabei gut oder böse ist... ist sehr bald nicht mal mehr eine Kategorie, in der sich denken lässt.

Entsprechendes ist inzwischen ja wirklich rar geworden, aber THE WORLD OF KANAKO kann tatsächlich schockieren. Der Sumpf an Niedertracht und Boshaftigkeit, der sich hier an allen Ecken und Enden – oftmals aus heiterstem Himmel – eröffnet, scheint grenzenlos; nichts und niemand wird ausgenommen. Die Schmerzen in der Magengrube des Betrachters erinnern stellenweise durchaus an Werke wie OLDBOY oder auch A SERBIAN FILM, wenngleich KANAKO zumindest letzteren im Hinblick auf die Straffheit seiner Erzählung, die Intelligenz seiner Inszenierung sowie die weniger offensichtlich "provokanten" Schockwerte klar übertrifft. Tatsächlich ist dem Geschehen hier phasenweise gar nicht mal so leicht zu folgen, da immer wieder ein geschickter Wechsel von Zeitebenen und Erzählperspektiven eingeflochten wird – der im Nachgang ganz besonders, nun ja, heimtückisch wirkt.

THE WORLD OF KANAKO ist fesselnd, bis in die Nebenrollen überzeugend besetzt (unter anderem mit Mika Nakatani, der „Matsuko“ aus MEMORIES OF MATSUKO) und gespielt, unvorhersehbar sowie vor allem bitter-, bitterböse. Ein zutiefst amoralisches Erlebnis, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Für das man aber unbedingt eine gewisse Abgebrühtheit braucht: Andernfalls könnte einen das Ganze schlicht zu fertig machen. 8 ganz ganz schmutzige Punkte von mir.

54 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

The World of Kanako
  • Score [BETA]: 71
  • f3a.net: 7.3/10 54
  • IMDb: 6.8/10
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-27 05:51

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