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Review YellowBrickRoad

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Verstörend
von D.S.

Und da sind wir wieder einmal, beim beliebten Motiv „Leute ziehen mit Videokamera in den Wald, um einem lokalen Mysterium auf die Schliche zu kommen"! Wer nun allerdings nur eine weitere BLAIR WITCH PROJECT-Variante erwartet, liegt reichlich falsch - auch wenn der Streifen in den USA u.a. als „Blair Witch done right!" beworben wurde.

Tatsächlich ist YELLOWBRICKROAD alles andere als eine Kopie von irgendetwas, vielmehr handelt es sich hierbei um einen der originellsten Horror-Stoffe seit Jahren, der in mancher Hinsicht auch noch genauso originell umgesetzt wurde. Leider aber eben auch nur in mancher Hinsicht. Der Film hat diverse Macken, die ihn phasenweise nur schwer erträglich und insgesamt vom Must-See zu einem zwiespältigen Erlebnis machen.

Damit meine ich nicht den Fakt, dass er durch seinen Handlungsverlauf und im Speziellen durch seine Auflösung eine Menge Fragen aufwirft, auf die er Antworten verweigert. Für mich gewinnt der Film dadurch sogar, da der Betrachter sich erheblich länger mit ihm beschäftigen und zu interpretieren versuchen wird. Ist sicher Geschmacksfrage, man kann die Fragezeichen hier auch für deutlich zu zahlreich halten.

Wobei es helfen könnte, wenn man ein Fan des „Wizard of Oz" ist. Denn auf das Buch und vor allem die berühmte Verfilmung von 1939 bezieht sich YELLOWBRICKROAD immer wieder. Am offensichtlichsten natürlich durch seinen Titel und die Hintergrundgeschichte des fiktiven Mysteriums, mit dem sich der Film beschäftigt: Die Einwohner des Ortes Friar in New Hampshire besuchten 1940 eine Aufführung des MGM-Werkes im lokalen Kino, standen auf und verschwanden gemeinsam auf einem Wanderpfad. Aber der Bezug wird auch dadurch geschaffen, dass verschiedene Stücke aus dem alten Soundtrack im Wald als verzerrte Tonfetzen zu hören sind und unser Forscherteam nach und nach in den Wahnsinn treiben. Und es finden sich auch diverse Zitate in der Handlung wieder, so taucht etwa die Vogelscheuche (auf sehr makabre Weise) auf und man vernimmt den berühmten Satz „There’s no place like home". Zu vermuten steht, dass sich auch Subtext und sogar eventuelle Aussage des Films sich bei genauerer Kenntnis der „Vorlage" besser erschließen - leider muss ich persönlich da passen.

Ein Weilchen in Erinnerung behalten wird man den Film aber auch bei Unkenntnis des genannten Stoffes definitiv, und das nicht nur wegen der zu entflechtenden Hirnverknotungen, die einige Aspekte seiner Story potentiell hinterlassen werden sowie wegen des genannten Subtextes, den man bei Gefallen finden und/oder ergründen mag. Wirklich einzigartig und nachhaltig beklemmend ist nämlich das Sounddesign, das durch seine bizarre und äußerst intensiv wirkende Einbettung in die Handlung geeignet ist, den Betrachter in die Gefühlslage der Protagonisten zu versetzen. Die geisterhaften, manchmal glatt beängstigenden Klänge sorgen nach einiger Zeit für eine krankhafte Grundatmosphäre und schaffen es durch Lautstärkenvariation und Hall-Effekte immer wieder, bewusst zu entnerven oder auch zu schocken. Selbst, wenn man wie ich nur die DVD sichten kann.
Bemerkenswert sind weiterhin die Gewaltszenen, zu denen es zwar nicht oft kommt. Wenn, dann nehmen sie aber in einigen Fällen extreme Ausmaße an - und vor allem hinterlassen sie durch ihre fast beiläufige Inszenierung einen bleibenden Eindruck. Durch die Nüchternheit wirkt die Gewalt selbst im Übermaß verdammt realistisch und ein ganzes Stück verstörender als in einem gewöhnlichen Slasher- oder Gore-Flick.

Was den Film allerdings im großen Stil verdirbt sind Schwächen in der Dramaturgie. Die erste Hälfte der Erzählung zieht sich fürchterlich: Unsere Gruppe findet sich, fährt nach Friar, sucht den Startpunkt des Wanderpfades, läuft los, unterhält sich, macht Videointerviews, wandert weiter... Hilfe. Bis endlich etwas passiert, hat man sich als Zuschauer bereits der Tiefschlafphase genähert. Dabei wird die enorme Zeitspanne bis zum Einsetzen übernatürlicher Elemente nicht einmal für den Aufbau von Atmosphäre genutzt. Hier bleibt nämlich alles ganz alltäglich, fröhlich, bis ganz plötzlich ein Schalter umgelegt wird und sich ein, zwei Expeditionsteilnehmer seltsam verhalten. Das tun sie aber auch nur kurz, dann sind sie wieder ganz normal. Bis der Schalter erneut umgelegt wird. Selbiges gilt für die Seltsamkeiten der Umgebung. Wahn der Figuren und Wahnhaftigkeit der Geschehnisse werden also nicht spannungsfördernd aufgebaut, sondern abrupt über die Handlung ausgekippt. Das kostet den Film massiv Involvement- und Identifikationspotential.

Aber auch in seiner zweiten Hälfte gibt es unglaubliche Längen. Während das letzte Drittel mit einem Übermaß an Höhepunkten ausgestattet ist, fiebrig eskaliert, fehlt es auf dem Weg dorthin an Ideen, die das Tempo aufrecht halten könnten. Auch das Setting überzeugt nicht immer, der Wald und vor allem die Lichtungen, durch und über die unsere Figuren spazieren, wirken oftmals allzu gewöhnlich, hell und freundlich. Zu einem Zeitpunkt, als die Bizarrheit des Geschehens erst langsam einsetzt, mindert dies die Wirksamkeit bzw. die Chance für das Publikum, schneller mit den Protagonisten verstört mitzufühlen.

Seine Originalität und sein nachhaltig krankhafter Charakter heben YELLOWBRICKROAD weit aus dem Sumpf der Beliebigkeit und machen ihn definitiv eine Empfehlung wert. Allerdings nur eine mit Einschränkungen, denn nicht nur in der ersten Hälfte ist er oft derartig zäh, dass man es vor Langeweile kaum noch aushalten mag. Bis zum letzten Drittel dabeibleiben lohnt aber, wobei das Ende... diskussionswürdig ist. Insgesamt 6 Punkte: Ein eindeutig „anderer" Film. Mit Mängeln.

31 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

YellowBrickRoad
  • Score [BETA]: 38
  • f3a.net: 3.2/10 31
  • IMDb: 4.4/10
Bewertungen von IMDb werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-18 10:48

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