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Review Blue Ruin

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Ballernder Biedermann statt kaputtem Killer
von Dr_Schaedel

Das Wichtigste vorweg: Ich war ein bisschen enttäuscht. Dafür kann aber der ohne Zweifel gut erzählte und fotografierte Film nichts.

Was ich angesichts der Beschreibung und der Standbilder mit – zugegeben: voyeuristischer – Vorfreude erwartete:
Ein verwahrloster, verletzter, vertierter Mann, der sich von Müll ernährt und dessen letzter Bezug zur zivilisierten Welt ein paar Bücher und ein Auto sind, das nur allzu treffend seinen inneren Zustand abbilden kann, nämlich den einer traurigen Ruine (man bedenke die zwei Bedeutungen von „blue“), arbeitet sich in einem wortkargen Roadmovie gewaltsam zu der Person vor, mit der er abrechnen will. Eine bittere Ballade, die das Animalische im Menschen nach außen kehrt…

Nun, es kommt (für mich persönlich: leider) schon recht früh im Film ganz anders: Dieser Mann ist kein Amok laufender Rübezahl, eher ein von einer Obsession getriebener Durchschnittsbürger, der weder den Instinkt des Jägers hat, noch die Kaltblütigkeit eines systematisch arbeitenden Schlächters. Mal trickreich planend, mal wieder überstürzt improvisierend versucht er, das Dilemma, in das er sich und die Menschen, die ihm nahestehen, aus einem falsch verstandenen Begriff von Gerechtigkeit heraus hineinmanövriert hat, irgendwie zu einem Abschluss zu bringen.

Heraus kommt ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Rollen blitzschnell wechseln und das deswegen ungemein spannend ist. Und das uns auch neue Blickwinkel eröffnet. Denn üblicherweise kennt man in diesem Bereich das Geschehen eher aus der Perspektive derer, die es mit solchen Psychopathen zu tun bekommen.

Ich sehe BLUE RUIN in der gleichen Liga wie David Cronenbergs A HISTORY OF VIOLENCE: Kurze, heftige Gewaltausbrüche wechseln sich mit Passagen ab, in denen die Moral und das Konstrukt Familie, sowie die Solidarität mit derselben im Mittelpunkt stehen.

Alles in allem kein knallhartes Midnight Movie, sondern eher ein prinzipiell realistischer (aber dennoch mit Fresh-Blood-Award- würdigen Szenen ausgestatteter) Thriller, in dem nicht immer alles glatt geht, und der seine Würze aus den Schwächen des – nur eingeschränkt sympathischen, aber beeindruckend tapferen – Protagonisten zieht. Vielleicht nicht das, was ich erwartet hatte, aber dennoch sehr gelungen, nicht zuletzt wegen des eleganten Einsatzes der Farbe Blau. Daher ein tiefer Griff in den Beutel mit den blauen Sternchen.

war im Cinema, München

53 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Blue Ruin
  • Score [BETA]: 77
  • f3a.net: 6.5/10 53
  • IMDb: 7.1/10
  • Rotten Tomatoes: 96%
  • Metacritic: 77/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 08:42

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