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Review Charlie Says

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Once upon a Time in Real Life
von D.S.

In mancher Hinsicht ist CHARLIE SAYS der „Ergänzungsfilm“ zu Quentin Tarantinos jüngstem Werk. Ein Film, der auf lässige One-Liner, 60s-Schick und smarte Erzählstrategien verzichtet und uns stattdessen erzählt, wie es auf der Spahn-Ranch vielleicht wirklich (?) zugegangen ist. Dazu passt dann, dass Frauen im Gegensatz zu ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD, in dem sie ja hauptsächlich als Staffage aufgefahren werden, hier im Mittelpunkt stehen: Der Film dreht sich um die „Manson Girls“, legt seinen Fokus fast komplett auf Charles Mansons weibliche Groupies und versucht zu erörtern, wie bürgerlich und intellektuell geprägte junge Frauen zu willfährigen Sklavinnen eines autoritären Macho-Charakters werden konnten.

Im Zentrum der Handlung steht dabei die von einer wie immer wunderbaren, hier rollengerecht Doppelkinn tragenden (!) Hannah Murray (SKINS) verkörperte Leslie Van Houten, deren jüngstes Begnadigungsgesuch erst im Juni 2019 abgelehnt wurde. Interessanterweise wird gerade einmal ein Halbsatz auf ihre persönlichen Hintergründe verwendet – passend zum Mantra von Charles Manson, nachdem das „Vor-Family“-Leben seiner Anhänger keinerlei Bedeutung habe; sie erst mit ihm „neu geboren“ worden seien. So lernen wir Leslie, oder „Lulu“, wie sie als „Manson Girl“ hieß, ausschließlich in ihrem Dasein als an der kurzen Leine gehaltenes Weibchen kennen, dem von Mason gerne mal der Mund, jede persönliche Meinung, jede Entscheidungsfreiheit verboten wird – und die dennoch scheinbar nicht anders kann, als ihn als Gottheit zu glorifizieren, die ihr erst echte Freiheit zukommen lässt. Warum genau das so ist, warum Menschen sich von einem selbsternannten Führer in Abhängigkeitsverhältnisse pressen lassen und sich darin noch besonders frei und revolutionär eigenständig fühlen, kann auch CHARLIE SAYS nicht erklären. Das dominierende Charisma des Ego-gestörten Manson wird von Matt Smith (DOCTOR WHO) jedoch auf der Leinwand beeindruckend zum Leben erweckt und man ertappt sich dabei, bald kaum mehr zu hinterfragen, warum all die cleveren jungen Frauen sich so bereitwillig einer Chauvi-Diktatur unterziehen. Es ist halt einfach so. Und am Ende aller Menschentage ziehen wir in eine Höhle unter der Erde und werden Elfen mit Schmetterlingsflügeln... Was soll man sagen? Verschwörungstheorien haben ja heutzutage wieder enormen Zulauf. Ende der 60er war es wohl nicht anders.

Regisseurin Mary Harron (AMERICAN PSYCHO) inszeniert CHARLIE SAYS als zwischen zwei Zeitebenen springendes True-Crime-Drama; einerseits in der Hochphase der Manson-Community spielend und bis zu den berüchtigten Morden im August 1969 führend, andererseits drei Jahre später, als Van Houten, Susan Atkins (Marianne Rendón, IMPOSTERS) und Patricia Krenwinkel (Sosie Bacon, 13 REASONS WHY) in Sicherheitsverwahrung von Sozialarbeiterin Karlene Faith (Merritt Wever, THE WALKING DEAD) interviewt und schrittweise von ihrer Manson-Hörigkeit losgeeist werden.

Dabei fehlen dem Film zwar ausreichend dramaturgische Höhepunkte, und es gelingt ihm, wie erwähnt, nur sehr bedingt, tiefer in die Geisteswelt der Kult-AnhängerInnen einzutauchen. Das gezeigte Geschehen, das sich offensichtlich eng am realen Vorbild orientiert, ist jedoch auch so verstörend genug, um Eindruck zu hinterlassen. Ein bedrückendes Psychogramm von Hörigkeit und Sektengläubigkeit, ein ernüchternder Blick auf die patriarchalische Kehrseite der Hippie-Kultur – lässt einen immer wieder mal kalt erschaudern. Und sich fassungslos auf die Stirn schlagen. Insofern: Lohnt, wenn man mal hinter den morbiden Kult-Glamour blicken will. Kann aber nicht vollends fesseln. 6,5 Punkte.

verweste im Harmonie, Frankfurt

25 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Charlie Says
  • Score [BETA]: 58
  • f3a.net: 6.2/10 25
  • IMDb: 5.6/10
  • Rotten Tomatoes: 58%
  • Metacritic: 57/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-19 15:39

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