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Review The Innocents

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Kinder sind Teufel …
von D.S.

… Engel aber auch. Das diesjährige Festival-Centerpiece zeigt sie uns in beiden Varianten, wobei durchaus auch mal ein und dieselbe Figur sowohl die eine wie auch die andere Rolle einnehmen kann.

Damit wirkt THE INNOCENTS schon im Kern realistischer und damit glaubwürdiger als die meisten (nicht nur Genre-) Filme mit kindlichen Protagonisten. Diese gefühlte Authentizität zieht sich aber ebenso durch selbst die kleinsten Details der Handlung, und sei es nur, dass nebenbei etwas Schorf aufgekratzt und dann zwischen die Lippen gesteckt wird: Diese Kinder erscheinen als echte Kinder, denen man beim echten Umgang miteinander und mit den Eltern über die Schulter schaut. Was neben dem von einem Kindsvater geschriebenen, brillanten Drehbuch auch daran liegt, dass sämtliche Kinderfiguren sensationell gecastet und gespielt sind.

Die Handlung folgt dabei vier Kindern, die in einer norwegischen Hochhaussiedlung wohnen und auf unterschiedliche Weise „beschädigt“ sind. Im Mittelpunkt steht zunächst die kleine Ida, die als süßes kleines Blondchen noch am „normalsten“/privilegiertesten von ihnen wirkt, doch damit zu kämpfen hat, dass die Aufmerksamkeit ihrer Eltern meist ihrer autistischen Schwester Anna gilt, für die sie im stressigen Alltag auch noch Verantwortung übernehmen und die sie am neuen Wohnort auf dem Spielplatz betreuen soll, weil Vater und Mutter dafür keine Zeit haben. Ida freundet sich mit Ben an, einem Jungen mit Migrationshintergrund, der von seiner alleinerziehenden Mutter vernachlässigt wird und herbe gewalttätige Neigungen hat. Sie fühlt sich aber auch selbst mehrfach zu solchen hingezogen und malträtiert ihre Schwester auf heimtückische Weise. Jene hat wohl das schlimmste Schicksal zu tragen und im Alter von 3 oder 4 Jahren das Sprechen sowie den Zugriff auf die Realität verlernt. Doch auf dem Spielplatz trifft sie Aisha, ein sehr liebenswertes Mädchen mit einer schweren Pigmentstörung (?) – und diese geht mit ihr eine intensive mentale Verbindung ein, kann mit ihr kommunizieren und darüber Anna sogar nach und nach ein Stück weit aus ihrer psychologischen Isolation herausholen.

Tatsächlich entwickeln die vier Kinder untereinander alle eine – unterschiedlich stark ausgeprägte – Bindung sowie eine gegenseitige Verstärkerwirkung hinsichtlich der telepathischen und telekinetischen Fähigkeiten, die sie zu entwickeln scheinen. Was zunächst Stoff für spannende Experimente und spaßige Spiele bietet, entwickelt sich jedoch bald in eine finstere Richtung. Denn Kinder können eben nur allzu oft auch amoralische, grausame Teufel sein. Und sind zu massiver Gewalt fähig …

THE INNOCENTS holt den Zuschauer von Anfang an ab und zieht ihn mitten ins vielschichtige Geschehen hinein. Die erschreckend eskalierende Handlung ist extrem spannend inszeniert, die Darsteller sind, wie erwähnt, außerordentlich talentiert und dadurch glaubwürdig – man sorgt sich wirklich um ihr Wohlbefinden und ihr Schicksal. Durch dieses Involvement gewinnt der Film eine enorme emotionale Kraft. Er berührt, fesselt und schockiert an einigen Stellen nachhaltig; zudem thematisiert er ein so komplexes und unbequemes Thema wie Autismus auf smarte Weise und bindet es wie nebenbei tief in die Handlung ein.

Für mich bislang der Höhepunkt des Festivals. Ungeheuer mitnehmend, ungeheuer brutal, ungeheuer sehenswert. Gute 8 von 10 Punkten.

goutierte im Harmonie, Frankfurt

31 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

The Innocents
  • Score [BETA]: 76
  • f3a.net: 7.7/10 31
  • IMDb: 7.5/10
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 13:00

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