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Review Little Joe

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Der technokratische Traum der Körperfressung
von Jimmyjohnjamesmyer

Little Joe ist ein sehr ruhiger und unterkühlter Film, der sich langsam und behäbig in langen Einstellungen ohne großes Brimborium entfaltet. Kein Effekt Trara... nur gruselige Gentech Blumen, die leuchtend rot vor sich hin blühen und im Kontrast zu dem entsättigt sterilen Restlook der Laborwelt mit ihren weird grünen Kitteln und einer ähnlich unterkühlt, distanzierten Außenwelt fast schon am freundlichsten wirken.

Von der Machart erinnert das ganze mit sparsamen Dialogen, langen Einstellungen und viel Stille dazwischen an einen Haneke Film, ähnlich dramatisch und subtil beunruhigend. Ein sehr kleines Kernensemble spielt sich primär in einem Hightech Pflanzenlabor durch ein Setting, in dem eine neue Blume entwickelt wird, die magische Stimmungssteigerungen durch ihren Duft bringen soll. Der gentechnische Traum für jeden, der sich keinen Duftbaum mit Chemie in die Butze hängen möchte, sondern artifiziell-natürlich gepimpte Natur die Gemütlichkeit steigern lassen will.
Die in blassgrün gekleideten Eierköpfe im Labor, Weiblein und Männlein mit Karrierehoffnung und dezent amourösen Anwandlungen, wollen das kleine wissenschaftliche Wunder "Little Joe", das ganz unsubtil nach dem distanzierten Sohn der Botanik-Wissenschaftlerin benannt wurde, zu einem echten Highlight auf der nächsten Pflanzenshow machen. Diese steht natürlich kurz bevor und wenn Wissenschaft mit solchen Motivationen an die Sache geht.... dann geht das nicht nur in Horror-Dramen gern mal in die Hose.

"Little Joe" ist eine subtilere Version des "Angriff der Körperfresser" Konzeptes, das eine gruselig moderne Version des "Wer ist nun der Glotter-Alien im Menschenanzug" Versteckspieles liefert, ***SPOILER***das am Ende mit einem sehr ernüchternden Twist glänzt, der sich schon aus der Darstellung des Menschseins in der vom Regisseur gezeichneten Laborwelt ableiten lassen könnte.

Mir hat der Film insgesamt sehr gefallen, auch wenn er in der Mitte so seine Durststrecken hat. Wer aber auf arthousige Filme zwischen Euro-Drama und Horror im Stile von "Trouble Every Day" und ähnlichen steht, wird hier sicher auf seine Kosten kommen.

Größter Schwachpunkt war für mich die spärliche Tonkulisse. Insgesamt sehr nüchtern und Atmo-lastig, um dann immer mal wieder in obskur japanische Minimalismus Trommel Musik abzudriften, die mit ihrer dissonanten Flöterei wohl das gewisse Bauchschmerzen Gefühl steigern soll, das den Film begleitet. Leider nervt der Ton durch seine Wiederholung, Dissonanz und Penetranz und vor allem dadurch, dass man das Gepfeife oft für einen irritierenden Raumklang hält, der mit dem Film nichts zu tun hat. Wo einen "Kill List" mit konstantem Gebrumme im Subbassraum wirklich immer tiefer in den Plot zieht, hat mich die Obertonpfeiferei hier mehr als einmal aus der Stimmung des Filmes herausgerissen.

Abgesehen davon aber eine interessante deutsch-österreichische Produktion, die das Gefühl des seltsamen Jahres 2020 perfekt inszeniert. ***SPOILER***Denn wozu noch Menschsein, wenn dieses Menschsein unterm Strich nur noch Maschinenwerdung und wissenschaftsfetischistische Selbstdekonstruktion ist, deren zentrale Entfremdung beim Psycho-Doktor auf der Couch umtanzt werden kann, aber deren Wurzel eben doch "alternativlos" bleibt. Da wirkt die Körperfressung dann fast wie die Befreiung durch Maschinenwerdung.

39 Bewertungen auf f3a.net

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Bewertungen

Little Joe
  • Score [BETA]: 61
  • f3a.net: 6.2/10 39
  • IMDb: 5.7/10
  • Rotten Tomatoes: 68%
  • Metacritic: 56/100
Bewertungen von IMDb, Rotten, Meta werden zuletzt vor dem Festival aktualisiert, falls verfügbar!
© Fantasy FilmFest Archiv 2024-04-26 03:36

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